Sonntag, 29. September 2019

The European Vulture Conference 2019

Ich kann mich noch genau erinnern, wie im November 2017 zum Abschluss des Annual Bearded Vulture Meetings in Passy, Frankreich, durch den Direktor der Vulture Conservation Foundation (VCF) verkündet wurde, dass in 2019 zum ersten Mal eine europäische Geierkonferenz stattfinden wird. Diese sollte dann nicht nur von Bartgeier handeln, sondern auch von den anderen drei europäischen Geierarten Gänsegeier, Mönchsgeier und Schmutzgeier. Außerdem würde die Konferenz etwa eine Woche dauern. In dem Moment war mir klar: Egal wann und wo in Europa, ich bin dabei!!! Jetzt, fast zwei Jahre später, kann ich es noch immer nicht glauben: Morgen geht es endlich los!!!
Die European Vulture Conference 2019 findet vom 01.-04.10.2019 an der Algarve statt, in Albufeira, Portugal. Getagt wird in einem 5-Sterne-Hotel und das Programm ist der absolute Hammer: 3 Tage lang von morgens bis abends dutzende Geiervorträge in zwei Konferenzräumen parallel. Das bricht mir fast das Herz, weil ich ja am liebsten jeden einzelnen Vortrag hören möchte, aber mich natürlich nicht zweiteilen kann. Dazu gibt es Workshops, eine Poster- und Fotoausstellung, viele spannende Dinge drum herum und am vierten Tag die Auswahl zwischen vier verschiedenen Exkursionen. Wieder eine schwierige Entscheidung zu treffen!
Ursprünglich dachte ich ja, dass die Konferenz nur für Europäische Geierprojekte ist, aber schon bald wurde verkündet, dass auch Redner aus Afrika, Asien und Amerika teilnehmen und über ihre Schützlinge berichten.
Mittlerweile haben sich über 200 Teilnehmer aus der ganzen Welt angemeldet. Mir liegen derzeit nur die Namen der Organisatoren und Redner vor, aber ich bin bereits restlos begeistert. Viele alte Bekannte aus meinen früheren Geierprojekten nehmen an der Konferenz teil, darunter zum Beispiel die netten Bulgaren von LifeNeophron und Alex als Vertreterin von VulPro. Außerdem Freunde von anderen Projekten (u.a. Kroatien, Italien, Namibia) oder Leute, die ich während meiner Teilnahme an den zwei Annual Bearded Vulture Meetings 2015 und 2017 in Frankreich kennengelernt hatte. Es sind auch Referenten angekündigt, mit denen ich in den vergangenen Jahren per Facebook oder E-Mail in Kontakt getreten bin und die ich nun endlich persönlich kennenlernen kann. Außerdem gibt es noch eine ganze Reihe Geierschützer, die ich bisher noch gar nicht kenne.
Ich kann es gar nicht erwarten meine Bekannten und Freunde in der kommenden Woche wiederzusehen, mein Geiernetzwerk zu erweitern und hoffentlich viele spannende Informationen über meine Lieblingstiere zu erfahren! Die Geier-Weltelite vereint und ich bin mittendrin statt nur dabei!!! :-)

Mittwoch, 25. September 2019

6 tote Andenkondore in Argentinien

Heute entdecke ich auf der Facebookseite von Programa Conservación Cóndor Andino eine traurige Nachricht: In der Provinz Santa Cruz in Argentinien sind erneut sechs der majestätischen Andenkondore tot aufgefunden worden.
(c) Programa Conservación Cóndor Andino
Als die verendeten Andenkondor gefunden wurden, wurden sofort Sachverständige aus Moreno und Naturschützer verschiedener Stiftungen informiert, die gleich zum Fundort hinausfuhren.
(c) Programa Conservación Cóndor Andino
(c) Programa Conservación Cóndor Andino
Die sechs Riesengeier lagen dicht beieinander nahe eines toten Schafes und den Resten eines toten Fuchses. Daher liegt der Verdacht nahe, dass es sich wieder einmal um eine Vergiftung handelt. Alle Kadaver wurden sofort entfernt und das Gebiet großflächig dekontaminiert, damit es nicht zu weiteren Vergiftungen kommt. Außerdem wurden Blutproben nach Buenos Aires geschickt, um zu untersuchen, um welche Giftstoffe es sich hier gehandelt hat.
(c) Programa Conservación Cóndor Andino
Leider sind Vergiftungen dieser Art keine Seltenheit in der Provinz Santa Cruz. Vor nicht einmal einem Jahr wurden zehn tote Andenkondore in der gleichen Gegend gefunden und in 2019 weitere Einzelfälle von Andenkondoren und anderen Greifvögeln sowie gut 60 vergiftete Hunde.
(c) Programa Conservación Cóndor Andino
In Santa Cruz wie in anderen Provinzen Argentiniens nutzen Anwohner noch immer Giftköder, um sich und ihre Nutztiere vor Raubtieren wie Puma, Füchsen und wilden Hunden zu schützen. Dadurch kommt es leider immer wieder zu Kollateralschäden, die scheinbar billigend in Kauf genommen werden.

Donnerstag, 19. September 2019

Bartgeier für Bayern

Nach meiner Rückkehr aus dem Geierurlaub in Südafrika informierten mich gleich mehrere Kollegen, dass sie einen Bericht über die Wiederansiedlung von Bartgeiern in Deutschland gehört haben. Wenn das mal nicht direkt ein Grund für eine kleine Recherche ist. Tatsächlich stieß ich schnell auf die Webseite des Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV), wo ich viele Informationen und Pressemitteilungen über das tolle Vorhaben fand.
Offenbar hatte der LBV bereits im Juni eine große Online-Umfrage gestartet, ob sich die einheimische Bevölkerung vorstellen könnte, dass in Bayern Bartgeier und Gänsegeier wieder angesiedelt werden würden. Fast 1.300 Menschen nahmen an der Umfrage teil und über 90 % von ihnen gaben an, dass sie dem Bartgeier und dem Gänsegeier gegenüber positiv eingestellt sind. Es gab viele positive Assoziationen zu den Geiern, zum Beispiel "Freude", "Schönheit" oder "Naturerlebnis". Dem stimme ich selbstverständlich aus ganzen Herzen zu! Nur 2 % gaben an, dass sie in möglichen Geiergebieten mit einem unangenehmen Gefühl unterwegs seien. Die Umfrage wurde im Rahmen einer großen Machbarkeitsstudie zur möglichen Freilassung von Bartgeiern und Gänsegeiern in den bayerischen Alpen durchgeführt und steht auf der Webseite des LBV als Download zur Verfügung.
Bartgeier in einem Brutcenter nahe Wien
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass das einst schlechte Image der Geier - ein Hauptgrund für ihre frühere Ausrottung in den Alpen vor über 100 Jahren - nun positiven Aussagen weicht und die Bevölkerung ihnen offener gegenübersteht. Geier haben diese Sympathie bitter nötig, da sie in vielen Regionen der Welt vom Aussterben bedroht sind. Immer mehr Länder versuchen dem schwindenden Geierbestand durch Nachzuchten und spätere Auswilderungen entgegen zu wirken. Hierzulande wurde bisher hauptsächlich das Brutprogramm unterstützt und Nachzuchten aus Zoos zur Freilassung in andere Länder übergeben. Umso mehr freue ich mich, dass es nun auch Pläne gibt hier in Deutschland Geier wieder anzusiedeln!
Bartgeier in einem Brutcenter nahe Wien
Knapp drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie gezielt in Bergregionen Urlaub machen würden, wo Geier wieder freigelassen werden und zu beobachten sind. Damit werden Geier also sogar für den Tourismus beliebt. Des Weiteren erkannten viele Teilnehmer an der Umfrage die Vorteile von Geiern und ihrer Ernährung. Geier können gefallenes Wild und Nutztiere auf natürliche Weise "entsorgen", so dass kein teils sehr aufwendiger Abtransport mehr nötig ist. Gefahr für lebendes Nutzvieh besteht natürlich nicht, da Geier reine Aasfresser sind und keine lebenden Tiere töten.
Bartgeier in einem Brutcenter nahe Wien
Die Machbarkeitsstudie belegt, dass der Bartgeier früher in Bayern gelebt hat und sich vor allem die Ostalpen zu seiner Wiederansiedlung eignen. Das beste Gebiet ist laut Studie der Nationalpark Berchtesgaden. Als kleines Kind bin ich mit meinen Eltern dort im Urlaub gewesen und kann mich noch immer erinnern, dass mir die Landschaft dort richtig gut gefallen hat. Schon lange habe ich überlegt, ob ich nochmal hinfahren soll. Sollten dort tatsächlich bald Geier freigelassen werden, dann ist der nächste Urlaub gesetzt!
Der Gänsegeier kommt leider für eine Wiederansiedlung weniger in Betracht, da er höchstwahrscheinlich noch nie als Brutvogel in Bayern heimisch war.
Gänsegeier in einer Auffangstation in Kroatien
Ganz so einfach ist eine Wiederansiedlung von Geiern natürlich nicht. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat zur Wiedereinbürgerung von Tierarten klare Richtlinien aufgestellt, die selbstverständlich im Projekt der LBV berücksichtigt werden. Außerdem müssen natürlich die Nationalparkverwaltung, die Öffentlichkeit und vor allem die Jäger mit ins Boot geholt werden. Der Einsatz bleihaltiger Munition stellt nämlich die vermutlich größte Bedrohung für wieder angesiedelte Bartgeier dar.
Freigelassener Gänsegeier nahe einer Auffangstation in Kroatien
Sollten tatsächlich eines Tages Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden freigelassen werden, so wird dies in Kooperation mit der Vulture Conservation Foundation (VCF) erfolgen. Die VCF treibt bereits seit vielen Jahren die Wiederansiedlung der Bartgeier in den Alpen auf Französischer, Schweizer und Österreichischer Seite voran. Ich meine aber mich erinnern zu können, dass vor einigen Jahren bereits einige wenige Bartgeier auf Deutscher Seite freigelassen wurden!? Das muss ich wohl nochmal nachlesen.
In jedem Fall kann ich es kaum erwarten, Toni Wegscheider, Verfasser der Machbarkeitsstudie, bald persönlich kennen zu lernen. Er wird nämlich auf der European Vulture Conference der VCF in Albufeira, Portugal, einen Vortrag halten und ich bin auch dabei!

Sonntag, 15. September 2019

Volunteering bei VulPro

Häufig ist es bei VulPro so, dass ich erst am Ende meines Aufenthaltes merke, dass ich mal wieder keine Fotos von der eigentlichen Arbeit als Volunteer gemacht habe. Oft sind wir einfach viel zu sehr beschäftigt oder arbeiten an verschiedenen Dingen parallel oder die Kamera ist mal wieder nicht griffbereit.
Zum Glück habe ich bereits an meinem Anreisetag Julie kennengelernt, die seit einigen Monaten bei der Gestaltung der VulPro-Facebook-Seite mithilft. Sie hat viele tolle Ideen, um die wichtige Arbeit von VulPro spannend vorzustellen und bezieht immer wieder die Leser mit ein.
Besonders schön finde ich, dass sie jeden neuen Volunteer kurz vorstellt und die Eindrücke und Motivationen der freiwilligen Helfer widerspiegelt. Daher bekam auch ich einen kleinen Auftritt ;-)
Zeitgleich mit mir waren noch ein paar andere Helferinnen vor Ort. Die Südafrikanerin Thando, die bei VulPro ihr Praxisjahr fürs Studium absolviert. Alize aus Frankreich, die als Pferde- und Vogeltrainerin in Wales arbeitet, und Gen aus einem Zoo in Florida.
Gruppenfoto des aktuellen VulPro-Teams. Leider nicht komplett, da noch einige Angestellte fehlen.
Je mehr Helfer zusammen arbeiten, desto mehr Spaß hat man und desto leichter fällt die teils wirklich harte Arbeit. Mehrfach im Jahr müssen die abgenutzten Sitzstangen der Geier in den Volieren ausgetauscht werden. Das ist eine Knochenarbeit, vor allem wenn neue Stützen im harten Boden versenkt werden müssen oder wir die Sitzstangen mit Draht fest zusammen zurren.
Alle drei Tage werden sämtliche Geierpools in den Volieren mit Bürsten geschrubbt. Das Wasser muss dazu vorher händisch rausgeschaufelt werden und - wenn die Solarpumpe nicht funktioniert - mit Wassercontainern und Schubkarren aufgefüllt werden. Hier ist jede helfende Hand wichtig!
Natürlich müssen jeden Tag die Aasreste aus den Volieren und regelmäßig die Knochenreste aus dem Geierrestaurant entsorgt werden. Mit Schubkarren werden die Aasreste ans andere Ende der Farm bergauf geschoben und in einem Container entsorgt. Das ist in der Hitze Südafrikas ebenfalls kein leichter Job, vor allem kein geruchsneutraler.
Fast jeden Tag werden die Geier mit toten Schweinen, Küken & Co gefüttert, die lokale Farmer VulPro spenden. Hier darf man nicht zimperlich sein, was den Umgang mit teils halb verwestem, stinkendem, aufgedunsenen Aas garniert mit zahllosen Maden betrifft. Nicht selten sind wir bei der Fütterung von oben bis unten mit sämtlichen Aasinnereien besudelt und die Schubkarren voller Futterviehzeugs sind natürlich wesentlich schwerer als die Ladungen mit den Aasresten. Ich kann nur jedem Helfer empfehlen: Wer sich einmal ekelt, der wird sich immer wieder ekeln. Daher einfach nicht zaghaft sein und rein mit den Händen ins Aas. Ein Besuch bei VulPro ist nicht vollständig ohne eine gute Portion "carcass fun". Hier gemeinsam mit Obert und den Resten aus dem Geierrestaurant.
Geier sind eben Geier und bekommen hier kein Premium-Steak aus der Kühltheke. Die Arbeit ist hart, schmutzig und stinkig! Aber es gibt kaum einen schöneren Moment, als wenn sich hunderte glückliche Geier über eine servierte Mahlzeit hermachen oder an einem heißen Tag vergnügt in einem frisch geschrubbten Geierpool planschen! Wenn dann noch knuffige Küken in den Brutvolieren heranwachsen und gesund gepflegte Geier in die Freiheit entlassen werden können, dann hat sich die ganze harte Arbeit gelohnt!!!
Zu diesen täglichen Arbeiten kommen dann noch viele andere Tätigkeiten. Es werden kilometerweit Stromleitungen abgegangen, um nach Überresten verendeter Geier und sonstiger Tiere zu suchen, die Funde zu dokumentieren und anschließend Berichte an Eskom so schicken, den größten Stromanbieter Südafrikas und Verantwortlicher für zahllose Geieropfer durch ungesicherte Strommasten und Kollisionen mit Stromleitungen.
Zweimal im Jahr werden verschiedene Geierkolonie besucht und die aktiven Nester dokumentiert. Bei dieser spannenden Arbeit durfte ich diesmal zum ersten Mal mithelfen und bin restlos begeistert!
In der Brutsaison wird praktisch täglich säckeweise Nistmaterial gesammelt und den Geiern für den Nestbau zur Verfügung gestellt.
Die verletzten Geier müssen medizinisch versorgt und beobachtet werden.
Immer wieder gibt es kleine Forschungsprojekte, an denen die freiwilligen Helfer sich beteiligen können. Ich hatte zum Beispiel vor Jahren über Monate das Brutverhalten und die Kopulationen von den Kapgeiern in der Brutvoliere dokumentiert und ausgewertet.
Zur Unterstützung des Calciumhaushaltes werden Eimerweise alte Knochen mit dem Hammer in Knochensplitter zerhackt, die von den Geiern gefressen werden können.
Es fallen Gartenarbeiten an wie das Rasenmähen in und außerhalb der Volieren sowie das Zusammenharken von Federn und altem Nistmaterial. Vor allem in der Mauser (wie jetzt aktuell) ist ganz VulPro ein einziger Federhaufen.
Die Schattennetze an den Volieren zerfleddern innerhalb weniger Monate und müssen immer mal wieder ausgetauscht werden. Die Befestigung mit kleinen Drahtschlingen an den Volieren ist sehr zeitaufwändig.
Manchmal werden Besuchergruppen durch VulPro geführt.
Werden verletzte Geier gefunden, fährt häufig ein Mitarbeiter von VulPro raus, um den Geier einzusammeln. Dabei wird er oft von einem freiwilligen Helfer begleitet, um den Geier besser versorgen zu können.
Außerdem fahren Search & Rescue Teams raus, wenn sich ein Geier mit GPS-Sender irgendwie auffällig verhält und Grund zur Besorgnis liefert.


Die Liste an Aufgaben könnte ich noch weiter fortsetzen, aber ich denke dieser Artikel gibt schon eine gute Übersicht über die Hauptaufgaben, die einen Volunteer bei VulPro erwarten. Der Wille hart zu arbeiten und dieses Geierschutzprojekt mit Leib und Seele unterstützen zu wollen, sind natürlich Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Aufenthalt bei VulPro. Ich kann nur sagen, dass ich jeden meiner 12 Besuche hier genossen habe, immer wieder etwas Neues erlebe und es mir niemals langweilig wird!!! Diese wunderbaren Geschöpfe sind jeden Einsatz im Kampf um ihr Überleben wert!!!

Wollkopfgeier adoptieren Weißrückengeierküken

Kaum dass ich Anfang September bei VulPro angekommen war, startete Kerri einen ganz besonderen Versuch in ihrem Geierzuchtprogramm, der vermutlich bisher weltweit einmalig ist. Daher bat sie mich auch eine Weile mit der Veröffentlichung der Bilder und Informationen zu warten.
Bei VulPro lebt seit einer Weile ein süßes Wollkopfgeier-Pärchen, das sehr verliebt ist. Die beiden haben sogar dieses Jahr erstmalig ein Ei gelegt, obwohl niemand sie je bei einer Kopulation beobachtet hatte. Leider entpuppte sich das Ei als unbefruchtet, aber es zeigte sich schnell, dass die beiden vermutlich tolle Geiereltern abgeben würden.
Als nun ein Weißrückengeier-Küken schlüpfen wollte, die Geiereltern aber keine Anstalten machten das Ei wieder anzunehmen, da traf Kerri die Entscheidung das Ei ins Nest der Wollkopfgeier zu legen, damit diese ihren Nachwuchswunsch ausleben könnten. Natürlich ist es eine riskante Sache, aber immerhin sind beide Geierarten Baumbrüter, so dass zumindest ihr Nistverhalten ähnlich ist.
Vorsichtig wird das Ei ins Nest der Wollkopfgeier gelegt. Das Küken hat bereits mit seinem kräftigen Eizahn die harte Eierschale durchbrochen. Jetzt muss es nur noch den restlichen Schlupf aus dem Ei schaffen.
Aus sicherer Entfernung beobachteten wir die beiden Wollkopfgeier, ob sie das fremde Ei annehmen würden. Leider passiert es nicht selten, dass Geiereltern von dem fiependen Ei irritiert sind und das Ei zerstören bzw. das Küken beim Schlupf töten und sogar fressen.
zunächst saßen beide Geiereltern im Nest, schauten neugierig auf das "sprechende" Ei herab und schienen ziemlich verwirrt oder sogar erschrocken zu sein. Zweimal flatterte das Geierweibchen davon (sie ist übrigens an den weißen Schwungfedern zu erkennen). Beim dritten Annäherungsversuch überwogen offenbar die Muttergefühle und sie legte sich schüchtern brütend aufs Ei. Die erste Hürde wurde erfolgreich genommen!
Später entdeckte ich auch den Geierpapa im brütend im Nest, während das Weibchen neugierig daneben stand. Für die beiden muss es eine ziemliche Überraschung sein, dass plötzlich Leben in ihrem Nest das Licht der Welt erblickte.
Zur Kontrolle ging ich bei jeder Gelegenheit an der Voliere vorbei. Die beiden Geiereltern machten einen guten Job. Interessanterweise konnte ich das Weibchen beobachten, wie es vorsichtig dem Männchen am Auge herum knabberte. Oder reinigte sie ihm die Wimpern? Bei den großen Schnäbeln kann ich nur hoffen, dass die Gute genau weiß, was sie da tut!
Gemeinsamer Blick auf das kleine Wunder im Nest!
So sehen stolze, überraschte Geiereltern aus!
Verliebter Elternblick aufs Küken.
Wir legten genug Futter aus, so dass sich die Eltern jederzeit ihren Kropf vollfressen konnten. Die Fütterung war unsere größte Sorge, da Weißrückengeier für ihre Küken Aasbrei hochwürgen, während Wollkopfgeier das Futter eher für das Küken zurechtzupfen. Am ersten Tag konnte ich sogar eine Fütterung beobachten, aber am zweiten Tag nicht mehr. Daher begannen wir am Nachmittag des zweiten Tages das Küken mit der Pinzette zu füttern. Die Geiermutter ließ sich nur mit viel Widerstand aus dem Nest jagen und ließ uns bei der Fütterung nicht aus den Augen. Kaum hatten wir das Nest verlassen, kam sie sofort zurück geflattert, um ihr Küken zu beschützen.
Das Nest befindet sich - wie weiter oben gezeigt - auf einer hohen Plattform in einer abgedunkelten Ecke der Voliere. Daher ist das Fotografieren nicht leicht. Das Küken ist ja noch winzig und versteckt sich im Trichter des Nestes unter den Stöckchen und dem Gefieder seiner Eltern. Aber dann gelang mir doch noch die erste Sichtung des winzigen Kükenkopfes aus der Ferne.

In den folgenden Tagen fütterten wir das Küken mehrfach täglich mit winzigen Stückchen gehäuteter Mäuse. Geierküken wachsen sehr schnell und verdoppeln sich innerhalb weniger Tage. Schon nach einer Woche verschlang das Küken drei große Mäuse am Tag.
Leider übernahmen die Geiereltern den Futterjob nicht, obwohl es immer wieder so aussah. Sie kümmerten sich toll ums Küken, wechselten sich mit dem Bewachen aus und schauten das Küken immer wieder verzückt an. Aber leider fütterten sie es nicht.
Geiermama und Adoptivküken.
Schon nach zwei Tagen wurde die Geiermama so wütend, wenn wir ihr Küken fütterten, dass sie immer wieder versuchte zurück ins Nest zu fliegen.
Daher mussten wir den Fütterer auf der Leiter zu zweit mit Besenstielen beschützen, um den angreifenden Geier abzuwehren. In Sachen Beschützerinstinkt sind die beiden Wollkopfgeier absolut vorbildlich!
Ich bin wirklich gespannt, wie diese Geschichte weitergeht. In den zwei Wochen konnte ich tolle Geiereltern beobachten, die innerhalb weniger Augenblicke das Küken einer anderen Geierart adoptierten und sofort vergötterten. Ob sie das wichtige Füttern noch lernen? Ob das Küken vielleicht doch aus dem Nest entfernt werden muss? Kann das Küken später freigelassen werden?
Die Alternativen zu dieser Entscheidung hätten eine spätere Auswilderung von Anfang an ausgeschlossen, so dass ich absolut hinter dieser Adoption stehe. Ich hoffe, dass das Küken ganz normal heranwächst und in 6-9 Monaten freigelassen werden kann. Außerdem hoffe ich, dass die beiden Wollkopfgeier durch ihre Erfahrung umso bessere Eltern werden, wenn ihr nächstes eigenes Ei hoffentlich befruchtet ist.
Schade, dass ich nicht bei der Weiterentwicklung dabei sein kann, aber ich hoffe, dass VulPro mich auf dem Laufenden hält.
(c) Alize Veilland-Muchensturm
(c) Alize Veilland-Muchensturm