Dienstag, 30. Juli 2019

Kambodscha verbietet Diclofenac

Super Nachrichten für die Geierwelt Kambodschas:
Mit sofortiger Wirkung hat die Regierung Kambodschas den Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin landesweit verboten, um die geringe, verbliebene Geierpopulation des Landes vor ihrer Ausrottung zu schützen!
Alle in Kambodscha vorkommenden Geierarten sind gesetzlich geschützt und durch das Verbot von Diclofenac soll die Gefahr gemindert werden, dass Geier von Nutztier-Kadavern fressen, die vorher mit Diclofenac behandelt wurden. Allerdings gilt dieses Gesetz leider nicht für den Einsatz ähnlicher landwirtschaftlicher Chemikalien wie Carbofuran, das häufig als Giftköder gegen wilde Hunde und andere Raubtiere eingesetzt wird und ebenfalls tödlich für Geier ist. Aber es ist ein Anfang!
Geierrestaurant in Nepal: Hier wird sichergestellt, dass nur "sichere" Kadaver an die Geier verfüttert werden.
Diclofenac hat in Indien dazu gehört, dass die einstmals größte Geierpopulation der Welt mit vielen Millionen Exemplaren zu über 99 % ausgerottet wurde. Dort wurde Diclofenac in großem Stil eingesetzt, um die vielen Heiligen Kühe zu behandeln. Das Verschwinden der Geier hatte schlimme Auswirkungen auf das Öko- und Gesundheitssystem Indiens, da keine Geier die Straßen von den toten Kühen reinigten. Durch die fehlende Fresskonkurrenz konnten sich wilde Hunde in Massen ausbreiten, was zu einer Explosion der Tollwut-Todesfälle unter der Bevölkerung führte. Diese Katastrophe hält noch immer an!
Viel zu spät fanden Forscher heraus, dass Diclofenac der Grund für das Geiermassensterben ist. Gelangen Rückstände in den Körper der Geier, so sterben sie in kurzer Zeit an Leber- und Nierenversagen. Für viele, viele Millionen Geier kam diese Erkenntnis zu spät und auch heute sterben noch immer zahllose Geier durch den Verzehr von Diclofenac weltweit. Die Regierungen von Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und dem Iran haben bereits vor einiger Zeit den Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin verboten und werben für die Geier-freundliche Alternative Meloxicam. In einigen Regionen ist seit dem ein positiver Trend in der Geierpopulation erkennbar, auch wenn die enormen Verluste der letzten 2 Jahrzehnte nie wieder ausgeglichen werden können. Diclofenac ist in vielen Ländern – sowie erschreckenderweise trotz aller Erkenntnisse auch in Europa – noch immer erlaubt. Außerdem ist es in den Ländern mit Verbot nach wie vor auf dem Schwarzmarkt erhältlich.
Kahlkopfgeier in Nepal
Die Cambodia Vulture Working Group (CVWG) ist ein Konsortium aus Regierungsgruppen und NGOs wie SAVE und BirdLife, das sich seit 2004 für den Schutz der noch verbliebenen Geier Kambodschas einsetzt. Diese sind kritisch vom Aussterben bedroht und eine gründliche Beobachtung hat ergeben, dass die Geierpopulation in den letzten 10 Jahren um über 50 % zurückgegangen ist. Hauptursachen sind Vergiftung (u. a. durch Giftköder), Nahrungsmangel, Verlust des Lebensraumes durch Ausbreitung des Menschen und Zerstörung der Nistbäume. Die Geierzählung 2019 hat ergeben, dass nur noch ca. 120 Geier in Kambodscha verblieben sind. Eine wirklich erschreckend geringe Anzahl!
Als Diclofenac 2018 erstmals auf der Bildfläche des Landes auftauchte, reagierten Geierschützer sehr schnell und setzten die Gesetzesentwürfe zum Verbot in Bewegung. Nach dem heutigen Erfolg muss nun sichergestellt werden, dass das Verbot eingehalten wird und auch ein Verbot weiterer Geier-schädlicher Chemikalien in Angriff genommen wird.
Eingangsbereich des Geiermuseums "Geierrestaurant" im Allwetterzoo Münster, das einer Futterstelle in Kambodscha nachgebildet ist
Großen Anteil am Geierschutz in Kambodscha haben übrigens auch der Allwetterzoo Münster, Gründer des Cambodia Vulture Conservation Project, sowie das Angkor Centre for Conservation of Biodiversity (ACCB).

Sonntag, 28. Juli 2019

Nach der Hitzewelle

Nach der unerträglichen Hitze der letzten Woche erwarteten mich heute früh ein bewölkter Himmel, 22 Grad und leichter Nieselregen. Noch nie bin ich bei einer ganztägigen Regenwahrscheinlichkeit so gerne in den Zoo gefahren wie heute! Endlich frische Luft und Abkühlung, endlich wieder durchatmen. Und vermutlich sind die Tiere in den Zoos genauso erleichtert über die Abkühlung wie ich und lassen sich schön beobachten.
Seit Wochen wollte ich gerne mal wieder in den ZooParc Overloon, aber beim letzten Versuch fiel mir leider erst auf der Autobahn ein, dass ich schlauerweise meine Kamera daheim vergessen hatte. Diesmal kam unterwegs ein starker Regen runter, was mich normalerweise davon abhalten würde, eine Stunde Auto zu fahren, nur um einen (recht teuren) Zoo zu besuchen - vor allem, wenn die Wetter-App fast durchgängig leichten Regen ankündigt. Aber heute war mir das alles egal. Und die Rechnung ging auf. Kurz nach meiner Ankunft in Overloon hörte der Regen auf und es lag ein köstlicher feucht-moderiger Geruch in der erfrischenden Luft.
Den ZooParc Overloon habe ich noch nie überfüllt erlebt und heute war besonders wenig los. Dadurch wurde der Spaziergang umso entspannter und die Tiere fühlten sich kein bisschen gestresst. Die perfekte Gelegenheit, um schöne Momente zu erleben. Wobei ich auch gerne zugebe, dass diesmal andere Tiere den Geiern die Show stahlen.
In der recht neuen Geiervoliere des Zoos gibt es nur Palmgeier und Kappengeier. Diesmal war vom Kappengeier allerdings keine Spur zu sehen und die beiden Palmgeier waren auf einer Sitzstange mit kleinen Aasbrocken beschäftigt.
Bei den kleinen Aasfetzen, die die beiden Palmgeier aus ihrem Aas zupften, würde es sicherlich eine ganze Weile dauern, bis sie etwas anderes als Fressen machen würden.
 Kurzum: Das war die gesamte Geierausbeute des heutigen Tages! Aber durch meine letzten Besucher hier weiß ich ja schon, dass die Geier hier weniger spektakulär sind als anderswo ;-) Aber dafür ist der gesamte Zoo umso schöner und es macht Spaß sich ausnahmsweise auch mal auf andere Tierarten zu konzentrieren.
Direkt im Eingangsbereich hatten sich alle Pinguine für ihre morgendliche Fütterung versammelt.
Das Highlight des Tages war aber die Känguru-Wiese. Hier hüpfen unterschiedliche Känguruarten frei herum und halten sich auch gerne nahe des Besucherweges auf. Allerdings kam es bei heißen Temperaturen auch schonmal vor, dass die Kängurus den ganzen Tag über versteckt irgendwo im Schatten lagen. Heute waren sie aber gut sichtbar und sehr aktiv. Während die einen noch fleißig übten...
… hatte ein anderes Känguru bereits ein Baby im Beutel. Es sah einfach nur witzig aus, wie sich minutenlang das Baby versuchte im Beutel herumzudrehen und man dabei dir Abdrücke der langen Beine im Beutel der Mutter erkennen konnte. Das kann sich nicht wirklich angenehm anfühlen.
Irgendwann schaute ein dünnes Beinchen aus dem Beutel heraus, kurz gefolgt von dem süßen Köpfchen. Die Ohren haben schon eine beeindruckende Größe! Kängurus sind einfach toll! Nur wenige Tiere habe so formvollendete Proportionen!
Bei den Nandus gab es ebenfalls Nachwuchs zu bewundern, sogar dutzendfachen!
Überall wimmelte es von flauschigen Winzlingen, die leider nicht alle gemeinsam auf ein Foto wollten.
Wer will schon den weißen Tiger sehen, wenn in seinem Gehege vier entzückende, flauschige Blässhuhnküken herumfiepen!?
Gemeinschaftliches Abhängen bei den Löwen. Sie sahen so glücklich und zufrieden aus, als hätten sie sich eben erst ein genüssliches Safari-Frühstück gegönnt ;-)
Zwei Fleischkroketten und ein original Chocomel machten anschließend den Ausflug perfekt!

Samstag, 27. Juli 2019

Über 50 Geier in Nigeria vergiftet

Leider gibt es wieder eine schreckliche Meldung, diesmal aus Enugu in Nigeria.
Besucher des Eke-Ihe Marktes waren schockiert, als sie über 50 tote Geier auf der Straße liegen sahen. Ein Online-Video der Schreckensszene machte sofort die Runde und lösten Bestürzung und Panik unter den Anwohnern aus. Im Video wurde spekuliert, dass die Geier vergiftetes Fleisch einer Kuh gefuttert hatten, das auf dem Markt verkauft wurde. Daher sahen sich auch viele Menschen in Gefahr. Die Polizei konnte diese Spekulationen aber schon bald widerlegen und versicherte, dass keine Gefahr für die Besucher des Marktes und die Käufer von Kuhfleisch besteht.
Die Geierart wurde in den Berichten nicht genannt, aber in dem verwackelten Video konnte ich Kappengeier erkennen.
Eine Untersuchung ergab, dass die Geier durch Wilderer getötet wurden, um einzelne Körperteile weiter zu verkaufen. In der traditionellen Medizin gibt es noch immer Leute, die dem Aberglauben verfallen sind, dass das Tragen von Geierkörperteilen oder das Rauchen von Geierhirn bestimmte Fähigkeiten verleiht wie z. B. das Vorhersehen von Lottozahlen. Der Handel mit Geierkörperteilen ist illegal, aber leider dennoch in vielen Ländern Afrikas weit verbreitet.

Die Nigerian Conservation Foundation (NCF) hat vor Kurzem ein 2-Jahres-Projekt gestartet, um gezielt den illegalen, glauben-basierten Handel mit bedrohten Geier(körperteile)n in Westafrika zu bekämpfen. Erste Untersuchungen in 2017 hatten drei Märkte identifiziert, die Hauptanlaufstelle für den Handel mit Geiern sind: kano, Ibadan und Ikare. Dort werden Geier, tot wie lebendig, im Stück oder zerstückelt angeboten. Ein ganzer Geier kostet ca. 75 €, ein Geierkopf immerhin die Hälfte.
Die NCF arbeitet gemeinsam mit BirdLife Africa und wird vom United States Fish and Wildlife Service (USFWS) finanziert. Neben Aufklärungskampagnen für die Bevölkerung wird auch nach pflanzlichen Alternativen zu Geierkörperteilen gesucht, die bei Heilpraktikern beworben werden sollen. Das Projekt erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst und der Vollzugsbehörde.

Mittwoch, 24. Juli 2019

119 tote Geier bei Geiermassenvergiftung im Kruger Nationalpark

Am Mittwoch, dem 17.07.2019, wurden in der Vlakteplaas Section des Kruger Nationalparks die sterblichen Überreste von 119 Geiern gefunden. Sie hatten zuvor von einem toten Büffel gefressen, dem Wilderer das Fleisch entnommen und die Überreste mit Gift kontaminiert hatten. Unter den 119 vergifteten sind 117 kritisch gefährdete Weißrückengeier, 1 Kappengeier und 1 Wollkopfgeier. Parkranger schätzen, dass sich der Vorfall bereits eine Woche zuvor ereignet hatte.
Der Kruger Nationalpark umfasst eine Fläche von rund 2 Millionen Hektar, so dass es beinahe unmöglich ist sämtliche Gebiete rund um die Uhr zu überwachen. Kreisende Geier sind für Ranger immer ein sicheres Zeichen, dass ein Tierkadaver in der Nähe ist. Das wissen leider auch die Wilderer, die daher ihre Beutetiere bewusst mit Gift kontaminieren, um sämtliche Geier auszurotten und dadurch einer Entdeckung zu entgehen.
Zwei der Geierkadaver werden analysiert, um die Art des Gifts herauszufinden.
Derweil wurden durch Ranger in Crocodile Bridge (Samstag), Letaba (Montag) und Tshokwane (Dienstag) je drei verdächtige Personen festgenommen, die großkalibrige Jagdgewehre, Munition und weiteres Wilderer-Equipment bei sich trugen. Ob sie in direktem Zusammenhang mit der Geiermassenvergiftung stehen, ist derzeit nicht bekannt.

Donnerstag, 18. Juli 2019

Apokalypse der Rabengeier oder so ähnlich


*Achtung: Dieser Artikel enthält triefenden Sarkasmus und Wutanfälle!*

Der unfassbaren Idiotie einiger Menschen sind mal wieder keine Grenzen gesetzt!
Zufällig stieß ich heute auf einen „Leserbrief “ des Vorsitzenden des Beckham Bird Club, der sich über diverser Artikel des Louisville Courier Journal echauffierte. Offenbar wurden mehrere reißerische Stories über Rabengeier und Truthahngeier veröffentlicht, die in Kentucky und Indiana ihr Unwesen treiben und Kühe bei lebendigem Leibe verspeisen, nachdem sie ihnen vorher die Augen ausgepickt haben. Yeah, die Apokalypse der Rabengeier! Ja nee, is klar!
Sehr schnell wurde ich online fündig (Ende Juni/Anfang Juli) und konnte mir eine üble Aneinanderreihung journalistischen Schwachsinns durchlesen, der selbst einem gewissen deutschen Schmierblättchen in nichts nachsteht!
Laut des Reporters wurde von Farmern berichtet, dass Rabengeier und Truthahngeier in Scharen einfallen, Kühe, Kälbchen und gebärende Muttertiere mit ihren scharfen Schnäbeln tothacken. Zitat: „Erst die Augen, dann die Zunge, dann jedes letzte bisschen Fleisch!“
Ich glaube an dieser Stelle macht es Sinn direkt mal Bilder der furchteinflößenden Riesenschnäbel von Rabengeier und Truthahngeier zu zeigen.
Truthahngeier
Rabengeier
Offenbar verlieren Kentuckys Farmer Nutztiere im Wert von 300.000-500.000 $ an die Geier. Im Leserbrief wird hingegen erklärt, dass 2018 Nutzvieh im Wert von knapp 740 Mio. $ verkauft wurde mit einem durchschnittlichen Wert je Kuh von ca. 1.800 $. Ein Kalb ist ca. ein Drittel davon wert. Wenn Geier also bis zu 500.000 $ Schaden anrichten, entspricht dies großzügig aufgerundet max. 1.000 Kälbern. Das sind weniger als 1 % der über 107.000 toten Nutztiere, die 2018 verzeichnet wurden. Und in dieser Herleitung wird nicht mal betrachtet, dass vermutlich die meisten Kälber bereits gestorben waren BEVOR sie kurz darauf von Geiern gefressen wurden.
Aber anscheinend sind nicht nur Nutztiere in akuter Gefahr, sondern auch Haustiere. Es gibt einen ganzen Artikel, der auflistet, wie Haustierbesitzer ihre Tiere vor den blutrünstigen Geiern schützen können. Unglaublich! Das harmloseste hierbei ist das Aufstellen von Geierattrappen. Danach kommt gleich das Aufschrecken von Geiern durch Warnschüsse und Lärm, was mit Sicherheit die geliebten Haustiere und das Nutzvieh genauso erschreckt wie die Störenfriede. Ganz tolle Vorschläge sind der Erwerb von Genehmigungen, um Geier abschießen zu dürfen. Die Kosten hierfür betragen gerade mal 100 $. (Für die Farmer dennoch eine Zumutung, dass sie einen Antrag stellen und Geld dafür zahlen sollen, damit sie ihre Lebensgrundlage schützen können.) Oder man soll schauen, wo die Geier nisten, denn solange keine Eier oder Küken im Nest sind, dürfen die Nester zerstört werden! Wenn sich jemand durch Menschen belästigt fühlt, darf er dann auch die neue Babywiege einer Hochschwangeren kurz und klein hacken? Sorry, ich weiß ich schweife ab, aber diese Artikel haben mich wirklich stinkwütend gemacht! Es wird erwähnt, dass die Geiernester nur schwer zu finden sind, da die Geier bis 30 Minuten vor Dämmerung auf der Suche nach Futter sind und erst dann ins Nest heimkehren, wenn sie nur noch schwer zu erkennen sind. Hier möchte ich noch den Tipp ergänzen sich ein Nachtsichtgerät anzuschaffen, damit die Erfolgschancen höher sind. Wie kann man nur auf die Idee kommen Nester zu zerstören???
Aber kommen wir zurück zum Vorwurf:
„Mit einem Geier ist es, als wenn jemand mit einem scharfen Häutungsmesser auftaucht… Es sind alles klare Schnitte… Die Tierhaut ist sauber aufgetrennt, wohingegen Kojoten oder Hunde sie auseinanderreißen!“ Und etwas später: „Sie mögen es mit den Neugeborenen zu spielen. Erst hüpfen sie herum, bis sich das Kälbchen in ihrer Anwesenheit wohlfühlt, und dann hacken sie ihm die Augen aus!“ Anschließend dauert es nur wenige Minuten, bis das Kalb komplett gehäutet und kein Fleisch mehr übrig ist. Natürlich mag es vorkommen, dass Geier tatsächlich lebende Tiere erbeuten, aber keine großen Kühe, sondern kleine, schwache Tiere, die sowieso bald gestorben wären. Viel häufiger kommt es aber vor, dass Geier die Nachgeburten fressen und diese vom Laien für Neugeborene gehalten werden. Ist halt beides eine blutige Angelegenheit. Oder wie bereits oben erwähnt stirbt ein Jungtier bei der Geburt und wird dann umgehend von Geiern, die vielleicht bereits vorher gewartet haben, gefressen. Das ist der Kreislauf der Natur und der Farmer muss den Dreck nicht selber wegmachen. Den Geiern aber in diesem Fall zu unterstellen, dass sie ein lebendes Tier getötet oder sogar „bei lebendigem Leib gefressen“ hätten, ist einfach eine Unverschämtheit! Außerdem wird es in dem Artikel so dargestellt, als wenn alle der zehn- bis hunderttausenden Truthahngeier und Rabengeier der USA mordend durch die Gegend flattern. Wir reden hier immer noch realistisch betrachtet von Einzelfällen!
Es wird beschrieben, dass Rabengeier schon immer aggressiver als Truthahngeier waren, aber ihr schlechtes Verhalten nun immer mehr auf Truthahngeier abfärbt. Erkenne ich etwa auch hier Parallelen zur Menschheit? Unmöglich!
Da Rabengeier mittels Sehkraft und Truthahngeier mittels Geruchssinn jagen, ergänzen sie sich perfekt. Der Truthahngeier erschnüffelt das lebende Tier und der Rabengeier sieht, wo der Truthahngeier hinfliegt. Der Journalist scheint unter die Profiler gegangen zu sein und hat auf professionelle Art und Weise ein riesiges Massenmörderteam entlarvt. Meinen Glückwunsch!
Ein wirklich interessanter Aspekt der Artikel, bei dem sich eine Recherche lohnen würde, wird leider zur Randnotiz: Rabengeier migrieren aus dem nördlichen Südamerika über Texas durch den Südosten der USA bis nach Pennsylvania. Warme Winter haben vermutlich dazu geführt, dass die Anzahl der Geier stark gestiegen ist und die Geier immer weiter in den Norden fliegen. In Indiana waren bisher hauptsächlich Truthahngeier bekannt. Die Rabengeier sind erst in den letzten Jahren zahlreiche dort eingeflogen. Der Kommentar des Leserbriefs spricht mir auch hierzu absolut aus der Seele: Eine gründliche Recherche zur „Verschiebung der Geierpopulation als Folge des Klimawandels“ hätte vermutlich den Reportern von Louisville Courier Journal als reißerische Headline nicht ausgereicht, so dass lieber noch eine landesweite Plage von Geiern, die sich wie Zombies aufführen, ergänzt werden musste!
Ein Farmer hat für seine Kollegen einen ganz besonderen Tipp, der selbstverständlich bei den sensationsgeilen Reportern direkt Gehör findet und umgehend gedruckt wird: Während der Kalb-Saison immer eine Flinte mit sich herumschleppen! Die abgeschossenen Geier werden dann kopfüber und mit ausgebreiteten Flügeln mit knallorangem Draht in seinen Kirschbäumen aufgehängt als Warnung für weitere Geier. Dabei darf auch die morbide Erklärung nicht fehlen, dass der Geier damit bekommt, was er verdient („For several months … bugs and weather give the dead, hanging vultures a taste of their own medicine“). Wie gerne würde ich dir gerade deine eigene Medizin sonstwo hinschieben!
Schon 2018 gab es einen ähnlichen Artikel, damals im Indianapolis Star: Ein Farmer berichtet, dass 15-20 Rabengeier auf einer Kuh gelandet sind, die durch Probleme bei der Geburt teilweise bewegungsunfähig war. Sie haben angefangen große Portionen aus ihrem Rücken und Hinterbeinen gefressen zu haben, während die Kuh noch am Leben war. Ich bin mir sicher der Reporter konnte es sich bildlich vorstellen.
Größenvergleich: Ein Rabengeier pickt am Bein eines Ferkels. Und jetzt erklär mir einer, wie der Geier mit diesem Minischnabel eine lebende, ausgewachsene Kuh fressen soll!?
Natürlich tut es mir leid, wenn Farmer ihr Nutztiere oder Haustiere verlieren. Ich streite mit Sicherheit nicht ab, dass auch ein Geier mal ein Kleintier tötet. Sollten sich solche Vorfälle bei einem Farmer häufen, dass muss selbstverständlich gehandelt werden. Aber bitte durch das Hinzuziehen von professionellen Biologen und Artenschützern und nicht durch Abknallen und Nester zerstören.
Mal ehrlich, Rabengeier und Truthahngeier gehören zu den kleinsten Geierarten der Welt. Sie werden mit Sicherheit nicht in der Lage sein eine ausgewachsene, gesunde Kuh zu töten. Jedem, der sich nur ein klein wenig mit diesen Geierarten auseinandersetzt, wird dies ganz schnell bewusst sein. Aber offenbar zählt eine gewissen Grundbildung oder zumindest kurzzeitige Recherche nicht mehr zu den Grundvoraussetzungen für Journalisten und ihre Schmierschriften.

Es tut mir leid, dass ich mich an der einen oder anderen Stelle etwas emotionaler ausdrücke als sonst, aber für jeden Geierschützer und Geierliebhaber wie mich sind diese Artikel einfach ein Schlag unter die Gürtellinie! Nicht auszudenken, wie viele Menschen diesen Artikeln Glauben schenken und die „tollen Ratschläge“ befolgen.

Montag, 1. Juli 2019

Bleihaltige Jagd-Munition in Kalifornien verboten

Heute erhielt ich tolle Neuigkeiten aus den USA, Heimat der prachtvollen Kalifornischen Kondore:
Zum heutigen Tag wurde bleihaltige Jagd-Munition in ganz Kalifornien verboten! Das Gesetz wurde bereits 2013 verfasst und nun in der finalen Phase von Gouverneur Jerry Brown unterzeichnet – vorwiegend, um den Kalifornischen Kondor zu schützen!
Blei ist giftig für viele Wirbeltiere, darunter auch den Menschen. Es schadet dem Immunsystem, der Fortpflanzung, dem Nervensystem, den Nieren und vielen anderen Organen. Die schädlichen Auswirkung von Blei ist hinreichend bekannt und das Center for Disease Control (CDC) hat bekannt gegeben, dass jedes Kleinkind, das Blei ausgesetzt war, Spuren von neurologischen Langzeitschädigungen aufweist. Daher ist der Einsatz von Blei mittlerweile verboten oder stark reguliert. Auf der Jagd wird es jedoch häufig noch eingesetzt, weil bleihaltige Munition sehr schwer ist, sich beim Aufprall stark verformt und somit ein getroffenes Wildtier sehr schnell tötet.
Blei schadet aber nicht nur Wirbeltieren und dem Menschen, sondern auch Aasfressern.
Die Auswirkungen auf die Kalifornischen Kondore sind nicht zu unterschätzen! Der beinahe ausgestorbene Kalifornische Kondor hat zwar in den letzten Jahrzehnten langsam ein Comeback gefeiert, aber immer wieder machen traurige Verluste wichtiger Exemplare die gute Arbeit zunichte. Bleivergiftung ist die Haupttodesursache – in den meisten Körpern und Eingeweiden verendeter Kondore wurden nämlich Bleirückstände gefunden.
Bleimunition zersplittert in zahllose winzige Stückchen, wie Röntgenbilder untersuchter Geierkörper zeigen, und verteilt sich im ganzen Kadaver einer Jagdbeute. Wenn nun ein Kalifornischer Kondor ein geschossenes Wild verschlingt, nimmt er unfreiwillig die winzigen Bleifragmente mit auf. Eine Bleivergiftung kann unterschiedliche Symptome bei einem Geier auslösen: Verdauungsprobleme, Schwäche, eingeschränkte Beweglichkeit, Lähmung, Atemprobleme, abnormales Verhalten, Anfälle, Gewichtsverlust, Störung des Immunsystems, Schwächung der Knochen und vieles mehr. Diese Probleme haben nicht selten Auswirkungen auf die Fortpflanzung oder das Flugverhalten. So können Eier unfruchtbar sein, Küken an Gendefekten leiden bzw. sterben oder Geier durch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit oder schwache Knochen im Flug mit z. B. Stromleitungen kollidieren. In den meisten Fällen führt eine starke Bleivergiftung zum Tod. Bereits wenige verschluckte Bleifragmente der Größe eines Sandkorns reichen aus, um einen stattlichen Kalifornischen Kondor zu töten.
2017 durfte ich im Pinnacles National Park der Pinnacles Condor Crew einen Tag lang dabei helfen eingefangene wilde Kondore per Blutprobe auf Blei zu testen, ihren Gesundheitszustand zu überprüfen und sie anschließend wieder freizulassen. Viele der wilden Kondore werden auf diese Weise zweimal jährlich untersucht, was für die Tiere enormen Stress bedeutet. Aber dies ist der einzige Weg rechtzeitig einzuschreiten und die Kondore zu behandeln, falls ihr Bleigehalt im Blut den kritischen Wert überschritten hat.
Eine Zeit lang wurde vermutet, dass Kondore und andere Raubtiere das Blei durch Splitter von bleihaltigen Farbanstrichen oder Bleirohren aufnehmen. Aber Untersuchungen haben ergeben, dass bleihaltige Munition die Hauptquelle ist. Blei besteht aus unterschiedlichen Isotopen, die eine individuelle Signatur bilden, ähnlich wie ein Fingerabdruck. Wurden nun die Signatur einer bleihaltigen Munition mit der Signatur der Bleifragmente im Körper eines Kalifornischen Kondors verglichen, so zeigte sich in den meisten Fällen eine deutliche Ähnlichkeit – nicht wie beim Vergleich mit bleihaltiger Farbe und ähnlichem.
Kann das Verbot bleihaltiger Munition wirklich helfen den Kalifornischen Kondor zu schützen?
Seit die Untersuchungen bekannt wurden und auf die Gefahr bleihaltiger Munition hingewiesen wurden, konnte leider keine Reduzierung der Sterblichkeitsrate erzielt werden. Allein ein kontaminierter Tierkadaver kann ausreichen, um viele einzelne Kondore zu töten, die gemeinsam von dem Kadaver fressen. Statistiken haben ergeben, dass selbst wenn nur 1 % aller Kadaver Blei enthalten, jeder einzelne Kondor eine 30-50 %ige Chance hat von diesem Kadaver zu fressen und an einer Bleivergiftung zu sterben.
Mit dem neuen Gesetz und dem Verbot bleihaltiger Munition wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht und ein klares Zeichen zum Schutz des Kalifornischen Kondors gesetzt. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass das neue Gesetz flächendeckend umgesetzt und die Einhaltung überwacht wird. Jeder einzelne Umstieg von bleihaltiger zu bleifreier Munition kann auf dem beschwerlichen Weg zur Rettung des Kalifornischen Kondors helfen!
Natürlich ist bleihaltige Munition nicht nur in den USA ein großes Problem sondern weltweit. Die Munition macht auch unseren europäischen Geiern, insbesondere den Bartgeiern, schwer zu schaffen.
Bartgeier haben selbst für Geier eine besonders starke Magensäure, da sie sich hauptsächlich von Knochen ernähren. Die Nahrung bleibt lange im Körper, bis sie vollständig verdaut ist. Verschluckte Bleifragmente haben also besonders viel Zeit, sich im Körper einzunisten und zum Beispiel in die Blutbahn zu geraten. Bartgeier fressen vorwiegend blanke Knochen und nur wenig Haut oder Fell. Im Gegensatz zu anderen Greifvögeln bilden Bartgeier daher nur selten Gewölle, mit denen sie eventuell kleine Bleifragmente ausscheiden könnten. Über die Jahre kann sich also eine große Menge Blei in einem langlebigen Geierkörper ansammeln. Im gesamten Alpenraum sind viele Bartgeier-Verluste aufgrund von nachweislicher Bleivergiftung zu betrauern.
In der Schweiz setzt sich zum Beispiel die Stiftung Pro Bartgeier dafür ein, dass Kadaver, die vermutlich mit Blei kontaminiert wurden, Geier-unzugänglich aufbewahrt und vernichtet werden. Außerdem setzen sie sich durch große Info-Kampagnen dafür ein, dass ein Umstieg zu bleifreier Munition erfolgt. Viele Jagdbehörden und Jagdkreise folgen diesem Aufruf und setzen sich ihrerseits dafür ein, dass Wildtiere von Bleivergiftung verschont bleiben. Auf der Bartgeierkonferenz 2017 in Passy, Frankreich, konnte ich mir damals sogar einen Vortrag zu ersten Pilotprojekten mit Jagdvereinen anhören. Auf der Webseite der Stiftung Pro Bartgeier ist für alle Interessierten Infomaterial hinterlegt, u. a. ein Ratgeber zur Umstellung auf bleifreie Munition.
Auch die Vulture Conservation Foundation (VCF) engagiert sich mit ihren vielen Partnern stark für ein Verbot bleihaltiger Munition und führt viele Info-Kampagnen und Pilotprojekte durch. In Bulgarien wird der Einsatz bleifreier Munition in den Rhodopen derzeit beworben. In den italienischen Alpen wurde bleifreie Munition im Stelvio Nationalpark sowie in der Sondrio-Provinz verboten, ebenso in zwei Gebieten im spanischen Maestrazgo. Pilotprojekte mit Jagdvereinen und bleifreier Munition gibt es im österreichischen Hohe Tauern Nationalpark, in den Pyrenäen, im französischen Cévennes Nationalpark sowie in Haute-Savoie.
Hoffentlich werden die europäischen Entscheidungsträger dem guten Vorbild der USA folgen und auch bei uns flächendeckend den Einsatz bleihaltiger Munition verbieten!