Donnerstag, 19. Dezember 2019

Zweite Rettungsmission

Kaum hatte ich die gestrigen Aasreste eingesammelt und entsorgt sowie den ersten Geierpool geschrubbt, da kam auch schon ein Anruf, dass wieder ein Geier gestrandet ist. Diesmal befand er sich etwa eine Stunde Autofahrt von hier entfernt in Magaliesberg zwischen den Müllsäcken einer Touristen-Lodge. Alex von VulPro und ich sprangen sofort ins Auto und fuhren los. Auf halber Strecke bekamen wir die Info, dass der Geier zwischenzeitlich aufs Dach geflattert ist. Die Vermutung lag also nahe, dass wir ihn zwar sehen, aber nicht einsammeln können würden. Trotzdem fuhren wir weiter und wurden bereits vom Pförtner der Lodge erwartet. Er zeigte uns den Weg zur Rezeption, wo wir vom Chef in Empfang genommen wurden. Schon vom Parkplatz aus sahen wir den Geier oben auf dem Dach sitzen. Bis wir ihn endlich einfangen und ihn in seine Transportbox verfrachten konnten, wurde es noch ein lustiges Spektakel!
Alex und ich mit dem jungen Kapgeier im Hintergrund (oberhalb der Mauer auf dem Dach). Ärmel hoch und los!
Die Mitarbeiter ließen uns in den Innenhof, der offenbar als Müllsammlung für sämtliche Alltagsarbeiten diente. Es sah so aus, als grenzte er an die Küche, die Wäscherei und weitere Gebäude. Als wir eintrafen, versammelten sich sofort gut 20 Mitarbeiter, die mit ansehen wollten, wie wir den Geier einfangen. Aber erstmal an das Vieh in luftiger Höhe rankommen.
Alex und ich versuchten es zunächst mit einer kleinen Plastikflasche, die wir vorsichtig Richtung Geier warfen. Natürlich wollten wir ihn nicht treffen, sondern nur etwas erschrecken. Nach vier miserablen Würfen blamierten wir uns endgültig, als die Flasche - wie erwartet - in der Regenrinne liegen blieb. In der Zwischenzeit hatte allerdings ein angestellter einen langen Stab mit einem Federbüschel zum Staubwischen geholt und wir versuchten den Geier damit anzustupsen. Keine Ahnung, ob der Geier das Federbüschel für seine Eltern gehalten hat, aber sonderlich beeindruckt schien er nicht. Die Stange war auch leider ein kleines Stückchen zu kurz. Als der Koch aus seiner Küche auftauchte, fragte der Chef ihn, ob er nicht ein Stück Steak griffbereit hätte, damit wir den Geier runterlocken könnten. Erst hielt ich das für einen Spaß, aber kurz darauf kam der Koch tatsächlich mit einem Fleischlappen an, den wir auf den Stab des Staubwedels steckten und dem Geier unter den Schnabel hielten. Ich hätte mich weglachen können. Leider half auch das nicht.
Während ich Alex vorschlage, dass wir einfach so einen langen Laubkescher für Swimmingpools nehmen sollten, kam ein Mitarbeiter tatsächlich mit diesem Ding an. Die Stange war deutlich stabiler und länger. Wir erklärten dem Chef, dass er einfach vorsichtig versuchen sollte den Geier damit von der Dachkante zu schubsen. Mittlerweile hatte wirklich jeder seine Handykamera im Anschlag und verfolgte fasziniert das Schauspiel. Zunächst kletterte der Geier ein paarmal über das Laubnetz hinweg, aber irgendwann sprang er dann tatsächlich notgedrungen vom Dach und landete in den Müllsäcken. Dort konnten wir ihn problemlos einsammeln.
Da so viele Leute beisammen standen, von denen bestimmt der ein oder andere an Muthi - die traditionelle Heilmedizin, in der auch Geierkörperteile verwendet werden - glaubt, nutzten wir die Gelegenheit für eine kleine Aufklärung. Wir boten den Mitarbeitern an näher zu kommen, den Geier vorsichtig zu streicheln und gerne Fragen zu stellen. Manche wollten nur Fotos von dem spektakulären Gast machen, einige andere stellten aber tatsächlich interessierte Fragen. Ob Geier Tiere töten, ob sie Menschen angreifen, ob man sie essen kann usw.! Nachdem alle Fragen beantwortet waren, löste sich die Runde auf und wir brachten den Geier zum Auto. Kaum dass wir im Auto saßen, sprangen wir zum Vergnügen einiger Angestellter schnell wieder aus und klopften uns gegenseitig die Kleidung und Arme ab. Das Vieh hatte uns tatsächlich von oben bis unten gut mit Milben eingedeckt, die überall rumkrabbelten und juckten. Besten Dank auch! Den Fleischlappen durften wir übrigens als Wegzehrung für den Geier mitnehmen. Bei VulPro angekommen, war das Aas weg und der Kropf halbwegs gefüllt. Wir sind wirklich stolz auf unsere 100 % -Quote bei den beiden Einsätzen!
Zurück bei VulPro wurde der Geier untersucht, aber er zeigt keine Wunden, kann offensichtlich fliegen, ist aber sehr abgemagert. Das hatte ich schon gemerkt, als ich ihn auf dem Arm hatte: Nur Federn und Knochen! Wir nahmen ihm Blut ab und pulverten ihn gut mit Puder ein. Das war allerdings gar nicht mehr nötig, da das ganze Ungeziefer bereits von seinem Gefieder auf Alex und mich übergesprungen war.
Er bekam noch schnell einen Krallenring und durfte anschließend seine neuen Freunde in der Voliere begrüßen. Noch ein Junggeier mehr, dem der erste Flug nicht gut bekommen ist. Vermutlich stammt er von der Kolonie nahe der Lodge, hatte sich bei einem seiner ersten Flüge einfach überschätzt und ist dann auf der Suche nach Futter auf die Müllsäcke gestoßen. Wirklich super, dass die Lodge von VulPro wusste und uns sofort bescheid gegeben hat. Ein Geier mehr, der eine zweite Chance bekommt!!!
In der Zwischenzeit hatten die anderen bereits fast alle Pools geschrubbt, aber etwas konnte ich noch mithelfen. Ich wurde nur ein wenig von den niedlichen Geiern abgelenkt, die sich neugierig um den Pool versammelten.
Vor allem die diesjährigen Junggeier waren besonders neugierig, was leider gar nicht gut ist. Sie sollen nächstes Jahr ausgewildert werden, also wäre es besser sie hielten sich von Menschen fern. Den süßen Anblick habe ich natürlich trotzdem sehr genossen!
Die Voliere mit den Patientengeiern ist mittlerweile richtig gut gefüllt. Vier saßen zusammen auf der Plattform,...
...zwei weitere auf einer Sitzstange...
...und noch zwei andere am Boden. Dazu kommen die beiden Wollkopfgeier, der Königsgeier und die beiden handaufgezogenen Küken (Kapgeier und Weißrückengeier). Für so viele Geier ist die Voliere eigentlich nicht gedacht, aber die gesunden Junggeier können hoffentlich bald freigelassen werden.
Der verletzte Geier der ersten Rettungsmission durfte heute ebenfalls einige Stunden in die Voliere umziehen, da er in seinem einsamen Hospital-Camp tagsüber sehr deprimiert wirkte. Nachts hat er ja zumindest die beiden Handaufzuchten in der Nähe, die nachts ins Camp gebracht werden.
Kurzer Besuch bei den Ohrengeiern.
Und bei einigen Kapgeiern.
Der Palmgeier einmal ohne Gitter im Hintergrund, ein seltener Anblick! Fast könnte man meinen er sei in freier Natur.
Bei den anderen Ohrengeiern konnte ich einen der Hübschen beim Trinken beobachten.
 
Nach der Arbeit ging es mit Kerri, Charné, Alex und Thando gemeinsam zum Sushi-Restaurant. Mjammi! Das haben wir uns redlich verdient!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen