Heute früh war es ordentlich bewölkt und die Temperaturen angenehm mild bei VulPro. So kann es ruhig öfters sein. Der Tag begann mit Alt-Aas einsammeln und frisches Aas auslegen. Danach widmeten wir uns mit alle Mann einer Aufgabe, die mir ja irgendwie immer das Herz bricht: Die alten, halb vermoderten Nester aus der Kapgeier-Brutvoliere entfernen. Dabei schauen die Geier immer so entsetzt und traurig drein, dass ich ihnen die Nester am liebsten lassen würde. Aber bis auf zwei Küken sind jetzt alle flügge (die beiden durften ihre Nester natürlich behalten) und die Voliere kann endlich wieder gereinigt werden. Bei 10 Schubkarren voller Zweige, Äste, Moder und Geierfedern habe ich aufgehört zu zählen. In jedem Fall waren wir nonstop unterwegs die Schubkarren zur früheren Aasgrube zu karren, wo sie anschließend verbrannt werden. Im Gegensatz zum Aas-Container, der nur bergauf unter Kraftanstrengung zu erreichen ist, ist die frühere Aasgrube bergab. Irgendwie falschrum, wenn man bedenkt, dass die alten Geiernester nicht viel wiegen.
Als wir fast fertig waren, wurde ich gerufen, um mit Alex einen verletzten Geier einsammeln zu fahren. Alex arbeitet jetzt fast ein Jahr hier bei VulPro und wir hatten uns im September bei meinem letzten Besuch hier kennengelernt. Zuletzt hatten wir uns Anfang Oktober auf der European Vulture Conference der Vulture Conservation Foundation (VCF) in Portugal getroffen. Dies war allerdings unser erster VulPro-Ausflug zusammen.
Der junge Kapgeier wurde am Fuße der Kransberg-Kolonie im Marakele National Park gefunden, wo er erst vor Kurzem flügge geworden ist. Leider passiert es in dieser Jahreszeit häufig, dass Junggeier bei ihren ersten Erkundungsflügen ihre Kräfte unterschätzen und verunglücken. Die Kransberg-Kolonie ist die zweitgrößte Kapgeier-Kolonie überhaupt und ich hatte früher dreimal die Gelegenheit mit Kerri auf die Bergkette zu fahren und zur Kolonie zu wandern. Ich war bisher aber noch nie auf der anderen Seite der Bergkette, wo jetzt der Geier gefunden wurde. Ein wirklich tolles Tal mit schönen Grundstücken und einigen Zebras, Gnus und anderem Getier.
Der Geier war von einem aufmerksamen Anwohner in Sicherheit gebracht worden, bis wir nach drei Stunden Fahrt dort eintrafen. Er saß mit dem Kopf voran in einer auf die Seite gedrehten Gummi-Tonne. Da die Tonne länger war als mein Arm, war es gar nicht so leicht an den Geierkopf ranzukommen, um ihn sicher auf der Tonne zu ziehen. Fauchend hatte er direkt ein paar Finger im Schnabel, aber der armlange Lederhandschuh hat gute Dienste getan. Irgendwann hat er dann den Kopf weggedreht und ich konnte ihn schnappen. Der Kleine war nicht besonders schwer und hat sich in meinen Armen kein bisschen gewehrt. Ein Glück, da meine Arme noch von gestern schmerzen und sie noch nicht trainiert sind. Der junge Geier ist ein absolutes Prachtexemplar. Richtig schöne, saubere Federn und eine perfekte, flauschige Halskrause. So schön kann nur ein Weibchen sein ;-)
Mit dieser Vermutung lag ich sogar richtig! Bevor wir uns auf die Heimkehr machten, gaben wir dem Geier ein bisschen Flüssigkeit per Gummischlauch in den Kropf. Das fand er gar nicht witzig und hackte fleißig um sich. Ein gutes Zeichen, denn er scheint noch ordentlich bei Kräften zu sein. Wir konnten auch keine Wunden erkennen. Als der Geier sicher in seiner Transportbox verstaut war, ging es auf die dreistündige Rückreise. Eigentlich würde die Fahrt deutlich schneller gehen, aber dank mehrerer kilometerlanger Baustellen, bei denen immer gut 20 Minuten jeweils eine Fahrbahn gesperrt wird, kamen wir nur langsam voran. Eindeutig Zeit die Zähne in den ersten AeroMint-Schokoriegel zu schlagen - zur Feier der Rettungsmission!
Als wir nach 17 Uhr bei VulPro eintrafen, brachten wir den Geier ins neue Hospital-Camp. Dort stellten wir leider fest, dass der Geier humpelte und sein linkes Bein schonte. Das hatten wir vor Ort nicht sehen können, weil der Geier in der Tonne lag und wir ihn nicht laufen gesehen hatten. Die Knochen scheinen in Ordnung zu sein, aber vielleicht ist ein kleines Stück Knochen im Gelenk seiner Kralle abgesplittert und schmerzt ihn, so dass er die Kralle entlasten möchte. Wir gaben ihm geierverträgliche Schmerzmittel und eine Dosis Kalzium, weil seine Knochen insgesamt recht schwach wirkten. Es ist leider ein weit verbreitetes Problem, dass Junggeier nicht mehr genug Kalzium zur Stärkung ihrer Knochen zu Fressen bekommen. Normalerweise würde eine Raubkatze ein Tier töten und dabei seine Knochen zersplittern. Geier, die von dem Aas futtern, nehmen dabei auch Knochensplitter mit auf und verfüttern diese später an ihre Jungtiere. Da es hier in der Gegend aber immer weniger Wildtiere und Raubtiere gibt, fällt auch die Knochensplitter-Zufuhr immer geringer aus und die Küken bekommen nicht mehr genug Nährstoffe. Dies ist auch der Grund dafür, warum wir bei VulPro dauernd Knochen zerhacken und die Knochensplitter anschließend in den Volieren und im Geierrestaurant zufüttern. Nach der medizinischen Versorgung bekam die hübsche Patientin per Röhre einige Kanülen Flüssigkeit einverleibt und schnabelgerechte Aashäppchen serviert. Zum Glück fing sie direkt an einige Aashäppchen zu verschlingen.
Obwohl sie sich aufgrund der Schmerzen und des Stresses direkt hinlegte, kaum dass wir sie absetzten, stand die Hübsche eine Weile später schon wieder auf den Beinen. Ich hoffe, dass die Scherzmittel anschlagen und sie sich wieder erholt. Das hängt jetzt natürlich stark von der Art ihrer Fußverletzung ab. Hoffentlich hat sie sich den Fuß nur bei einer unsanften Landung verdreht und es heilt wieder.
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