Was für ein aufregender Tag! Damit hätte ich heute früh nicht gerechnet, als ich um 5:30 Uhr aufwachte, den herrlichen Sonnenaufgang bei VulPro genoss und um 6 Uhr zur Geierrettungsmission nach Lichtenburg aufbrach.
Da wir die Maut-Straßen mieden, dauerte die Fahrt etwa 3 Stunden. Kurz vor der Ankunft fiel mir auf, dass ich nicht nur den Namen der Stadt kannte, sondern 2016 sogar schonmal dort gewesen bin, um auf der gleichen Game Farm Stromleitungen abzulaufen. Diesmal suchten wir aber nicht ein Opfer von Stromleitungen, sondern einen unserer bei VulPro geborenen jungen Kapgeier, dessen GPS-Signal vor 5 Tagen stoppte. Kerri hatte die letzten GPS-Daten an unsere Freunde von der Game Farm weitergegeben und irgendwann kam heraus, dass ein Arbeiter der Farm den Geier in einem kleinen Holzverschlag (eher eine Kiste ähnelnd) tagelang gefangen hielt. Es gelang unseren Bekannten den Geier zu befreien und wir wollten das arme Tier nun abholen. Leider passiert sowas immer mal wieder und wir sind nur froh, dass der Geier noch am Leben ist und das GPS-Gerät sichergestellt werden kann.
Gemeinsam mit unserem Bekannten und einem "Kriminologen" für Wildtier-Verbrechen besprachen wir kurz die Lage. Als uns vorgeschlagen wurde den Täter wegen versuchten Tierhandels mit einer stark bedrohten Tierart festzunehmen, überlegte VulPro nicht lange. Wann ist schonmal so eine gute Unterstützung vor Ort. Also wurde die Polizei informiert und zur Game Farm gerufen. In der Zwischenzeit drehten wir eine kurze Runde zum Geierrestaurant auf der Farm, wo Dutzende Geier in den Bäumen saßen. Ein toller Anblick, auch wenn die Fotos aus dem fahrenden Auto und teils durch die Windschutzscheibe nicht besonders gut geworden sind.
Traumhaft, so ein Geierbaum!!! Ich glaube VulPro braucht auch viel mehr Bäume auf dem Grundstück rund um die Futterstelle, damit die Geier es sich gemütlich machen können.
Auf der Farm leben viele Weißrückengeier, die auf den Bäumen nisten. Aber auch Kapgeier treiben sich gerne hier herum. Leider wimmelt es auf und rund um die Game Farm von Stromleitungen, so dass häufig Rettungstrupps nach Lichtenburg unterwegs sind.
Als die Polizei eintraf, eilten wir schnell zum Tor und sahen unseren Patienten zum ersten Mal. Der Geier war in einer Art Abstellkammer untergebracht, wo er aber wesentlich mehr Platz hatte als bei seinem Peiniger. Der Schnabel hatte einen langen Kratzer und rund um die Augen waren Schwellungen und Blutergüsse, weil der arme wohl verzweifelt versucht hatte aus seiner Kiste zu entkommen. Außerdem schien er ein Schädeltrauma wie nach Schlägen auf den Kopf zu haben. Er wirkte apathisch und hat auf einer Seite weniger reagiert als auf der anderen.
Wir gaben dem Geier Wasser und zeigten den Polizisten, dass er durch unsere Flügelmarkierungen und der Adresse und Telefonnummer von VulPro eindeutig zu identifizieren ist. Und wenn jemand ihn nur zufällig verletzt gefunden hätte, dann hätte er uns jederzeit anrufen können. So aber lag der Verdacht nahe, dass der Geier auf dem Schwarzmarkt verkauft werden sollte. Dort bringt ein Kapgeier gut 700 Euro ein, für viele Leute hier ein kleines Vermögen. Geier werden leider häufig zu traditionellen Zwecken getötet und einzelne Körperteile wir ihre Krallen als Glücksbringer getragen. Die Menschen hier wissen, dass Geier tolle Augen haben und über viele Kilometer kleinstes Aas erkennen können. Daher wird ihnen nachgesagt, dass sie in die Zukunft schauen können. Das Rauchen von getrocknetem Geierhirn soll demnach hellseherische Fähigkeiten verleihen, so dass während der Fußball-WM 2010 in Südafrika zahllose Geier ihr Leben lassen mussten, nur weil Leute sich erhofft haben die Fußballergebnisse vorhersehen zu können. Ein großer Schwachsinn! Würde der Geier wirklich in die Zukunft schauen können, so wüsste er doch, dass er bald gefangen und getötet wird, und würde sich schnellstens vom Acker machen.
Wir waren noch immer beeindruckt und überrascht, dass sogar zwei Polizeiwagen aufgetaucht sind, bis uns mitgeteilt wurde, dass wir noch auf ein paar weitere Kollegen warten müssen. Uns wurde aber schnell versichert, dass wir gerne Fotos machen dürfen und sie gerne helfen wollen bedrohte Tiere zu beschützen! Wahnsinn! Ich kenne aus vielen Ländern, dass Strafen auf Geierquälerei und Tötung oder Störung der Brutplätze ausgesetzt sind. Aber egal wie häufig jemand erwischt wurde, bisher ist nie wirklich durchgegriffen worden. Dies war also die perfekte Chance endlich ein Exempel zu statuieren.
Wir staunten nicht schlecht, als plötzlich ein Mannschaftsbus der Polizei auftauchte und nunmehr 13 Polizistinnen und Polizisten versammelt waren.
Im beeindruckenden Korso ging es also zu der Unterkunft des Farmarbeiters, wo der Geier festgehalten wurde.
Leider bekam derjenige Wind davon und flüchtete. Wir versammelten uns also um die Baracke und überlegten, wie es weitergehen soll.
Irgendwann tauchte der Besitzer der Farm auf und dann ging der Spaß erst richtig los! Erstmal maulte er uns an, dass wir keine Fotos machen dürfen und die Kameras und Handys nichtmal in den Händen halten dürfen. Ok, bitte sehr. Charné erklärt ihm und dem Polizeichef, was Sache ist und was sie dem Arbeiter vorwirft. Daraufhin erzählt der Chef uns ernsthaft, dass der Geier von wilden Hunden angefallen wurde und sein Arbeiter den Geier gerettet hat. Er wollte ihn nur in seiner Hütte gesund pflegen. Is klar! Interessant, dass der Geier keine Bissspuren hat, sondern eindeutig Verletzungen aus Gefangenschaft. Und wenn derjenige sich schon traut den Geier einzufangen, um ihn zu pflegen: Warum hat er dann nicht unsere Kontaktdaten auf der Flügelmarkierung gesehen und uns informiert. Angeblich können die meisten der Arbeiter weder Lesen noch Schreiben. Jaja, aber jeder von ihnen hat ein Handy in der Hand und ist fleißig am Tippen. Der Chef würde sich ja sein Leben lang mit seiner Farm für Wildtiere einsetzen, aber da ja über 200 Geier regelmäßig an seiner Futterstelle auftauchen, können die Geier ja gar nicht vom aussterben bedroht sein. Prima Logik. Die meiste Zeit hat er in Afrikaans geflucht, aber indem er drohend, laut aber sehr langsam sprach, konnte ich das meiste verstehen. Witzigerweise hat dann aber einer der schwarzen Polizist ihn gebeten Englisch zu sprechen, damit er alles verstehen können. Von da an ging es alle paar Minuten zwischen den Sprachen hin und her, aber es wurden sowieso nur Ausflüchte gesucht oder dreist gelogen, um zu überspielen, dass der Arbeiter aus Zimbabwe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar keine Arbeitserlaubnis hat und illegal beschäftigt ist. Jedenfalls gingen die Diskussionen zwei Stunden lang weiter, bis klar war, dass der Typ nicht zurückkommt - falls er sich überhaupt jemals wieder dort blicken lässt. Und in der ganzen Stadt dürfte sich in Null komma nix rumgesprochen haben, dass 13 Polizisten im Einsatz waren, um einem Geier zu helfen. Hehe, hoffentlich rührt in dieser Gegend so schnell niemand mehr einen Geier an. Natürlich hat der Chef der Farm überall anders die Schuldigen gesucht, wollte den Geier gegen seine Leoparden aufwiegen, die auch von Wilderern bedroht sind und kam von Hölzchen auf Stöckchen. Jedenfalls einigten wir uns, dass wir einen Info-Tag in der Schule der Farmarbeiterkinder organisieren werden und dazu alle 600 Kinder und ihre Eltern über die Wichtigkeit von Geiern und deren Bedrohung aufklären werden. Außerdem hat die Polizei versprochen weiterhin nach dem Arbeiter zu suchen.
Später wollte der Kollege vom Chef bei mir ablästern und hat erzählt, dass regelmäßig Diebe unterwegs sind, aber die Polizei nichts macht. Einmal haben sich Leute gegenseitig umgebracht, aber nichts ist passiert. Dann wird ein Geier festgehalten und auf einmal rücken 13 Polizisten aus. Genau richtig so!!! Auch wenn der Täter nicht gefasst worden ist, wir sind restlos begeistert, dass die Polizei so bereitwillig ein Zeichen gesetzt hat und sich ohne Vorurteile oder Tuscheleien alles angehört hat und den Fall sehr ernst genommen hat. Kapgeier sind nunmal kritisch bedrohte Tiere und stehen unter Naturschutz. Bei gewilderten Nashörnern und Elefanten ist das Geschrei immer direkt ganz groß, aber um Geier kümmert sich sonst niemand. Lichtenburg wird diesen Tag so schnell nicht vergessen!!!
Mittlerweile ist der arme Geier wieder zurück an seinem Geburtsort und wird vorläufig im Hospital Camp überwacht. Gegen Abend hin war er direkt bissiger und nicht mehr ganz so apathisch. Wir haben ihm sofort ein lecker Ferkel gebracht, damit er endlich was Vernünftiges zu futtern bekommt.
Seine Flügel scheinen in Ordnung zu sein, aber wir wissen nicht, was ihm alles angetan worden ist. Es wird sich zeigen, ob er überhaupt nochmal freigelassen werden kann. Wenn nicht, dann ist ein weiterer mühsam großgezogener Junggeier, der einmal für den Bestand seiner Art sorgen sollte, vom Himmel Südafrikas verschwunden :-(
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen