Mittwoch, 3. Oktober 2018

Frühstücksaas mit Sehnchen

Als mitten in der Nacht plötzlich mein Handywecker krähte, bin ich fast vom Glauben abgefallen. Die erste Nacht hier bei VulPro hatte sich nämlich sehr kurz angefühlt, gar nicht wie zehn Stunden. Schlaftrunken auf den Wecker geschielt: 3:30 Uhr... aber das Krähen ging weiter. Nein, ich hatte nicht meinen Wecker falsch gestellt, sondern so ein Witzbold von Hahn hat sämtliche VulPro-Frühkräh-Rekorde gebrochen!!! Rocky hatte mir damals immerhin eine Stunde länger Schlaf gelassen. Jedenfalls hat der Hahn Heimvorteil und ich warte erstmal ein paar Nächte ab. Vielleicht hatte er ja nur einen Albtraum? Macht er das aber jede Nacht, dann stelle ich mir den Wecker auf 2 Uhr früh, schleich mich zu seinem Schlafplatz und krähe das Vieh ebenfalls wach! ;-)
Die Temperaturen sind diesmal wirklich perfekt! Oktober muss ich mir definitiv merken! Schon morgens T-Shirt-Wetter und bei leichtem Wind auch tagsüber gut auszuhalten. Leider ist es trotzdem heiß genug, um das Aas in der Kühlkammer zum Verwesen zu bringen, wenn die Kühlfunktion ausfällt. Ich habe hier ja schon so einiges an muffigem Aas zubereitet oder aus den Volieren entsorgt. Aber kein Kadaver der Welt könnte bei mir so einen Würgreflex auslösen wie ahnungslos die Tür zur Kühlkammer zu öffnen und plötzlich mitten in Verwesungshitze von gefühlt 40 Grad zu stehen und diesen unerträglichen Geruch zu riechen. Ehrlich, dass ist ein ordinäres Aas nichts dagegen!!! Wie gut, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte!!!
Halb benebelte schaffte ich es irgendwie ein paar halb verweste, mit Maden übersähte Stinkeferkel zu greifen, um ein paar der Geier füttern zu können. Puh, bin ich froh, dass ich nur meine Hände und nicht meinen "Schnabel" da reinstecken muss... Unserem jungen Königsgeier schien es dennoch gut zu schmecken.
Wie schon vor 5 Monaten konnte ich auch diesmal beobachten, wie sein Schnabel während des Fressens immer rötlich-glänzender wurde. Ich muss unbedingt noch rausfinden woran das liegt.
Der Rabengeier pickte mit seinem Minischnäbelchen ebenfalls im Aas herum, war aber viel mehr interessiert, wer ihn da so neugierig beobachtet.
Die Ohrengeier hatten ganz besonders viel Spaß an ihrem Aas. Der eine zerrte sich ein leckeres Sehnchen raus, der andere rupfte lieber ein Stück Haut ab. Ein Festmahl für einen hungrigen Ohrengeier.
Häufig ist zu beobachten, dass die Ohrengeier ihr Aas quer durch die Voliere ziehen. Dabei machen sie auch vor einem Ferkel am Stück nicht Halt.
Manchmal zerren sie das Aas zu ihrem Partner und manchmal bedecken sie das Aas sogar mit Nistmaterial.
Wohl bekommts!
Schon am Morgen kreisten die ersten wilden Kapgeier über VulPro.
Das Weißrückengeier-Jungtier lag heute früh einsam und verlassen im Nest. Der Kleine schien sich dabei nicht sehr wohl zu fühlen.
Zum Glück kam schon bald ein Elterngeier zurückgeflogen und setzte sich schützend neben seinen süßen Nachwuchs.
Der Wollkopfgeier schien noch nicht ganz wach zu sein. Bestimmt ist er auch vom Hahn wachgekräht worden und überlegt sich gerade, wie gut rohe Chicken Wings wohl schmecken.
Um 10:30 Uhr war plötzlich Hochbetrieb im Geierrestaurant. Dafür habe ich das Geierpool-Schrubben doch gerne unterbrochen und bin schnell zum Beobachtungshaus geeilt. Interessanterweise konnte ich bereits nach wenigen Minuten gut 180 Geier im Geierrestaurant, auf dessen Zaun und auf der umliegenden Wiese zählen, aber nur sehr wenige mit Flügelmarkierungen. Unsere Futterstelle scheint sich unter den wilden Geier gut rumgesprochen zu haben!
Das Aas ist schon ein paar Tage alt, aber ein Teil wurde angeknabbert.
Insgesamt waren zwar viele Geier da, aber der große Ansturm aufs Aas blieb komischerweise aus.
Viele Geier wirkten auch nervös und flatterten schnell weiter auf eines der Volierendächer oder zurück auf die Wiese.
Der Kollege hier hatte sich den Kropf aber ordentlich vollgefressen und machte eine Verdauungspause auf dem Zaun des Geierrestaurants.
Nachdem alle Geierpools geschrubbt waren, säuberten wir die kleine Holzvoliere, in der wir sonst Eulen oder kleinere Greifvögel unterbringen, bis sie freigelassen werden können oder abgegeben werden. Außerdem bekamen die beiden Volieren neue Sitzstangen eingebaut. Unterstützung hatte ich dabei von Jen, einer netten Amerikanerin, die gestern Abend angereist ist und 6 Monate hier leben wird. Nachmittags reiste John aus England an. Ihn kannte ich schon knapp zwei Jahre über Facebook, ist nun zum zweiten Mal nach VulPro gereist und bleibt für 3 Monate. Ich finde es immer wieder klasse, wenn ich Facebook-Geierbekanntschaften auch im richtigen Leben endlich mal treffe! Ich glaube wir drei werden super zusammenarbeiten. Natürlich auch mit den anderen Angestellten hier, die ich bereits lange Jahre kenne.
Heute Abend sind bereits ein paar kurze Regenschauer runtergekommen und es grollt draußen vor sich hin. Wir hätten alle nichts dagegen, wenn es über Nacht richtig plästern würde. In den umliegenden Magaliesbergen hat es bis vor Kurzem viele Buschbrände gegeben. Heute wurde mir erklärt, dass einige der verbrannten Stellen nur wenig Regen brauchen, um sofort saftig grün zu werden. Ich bin schon gespannt, ob ich morgen einen Unterschied erkennen werde.

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