Montag, 31. Juli 2017

Operationstag

Heute fand der große Operationstag von VulPro statt. Alle drei Kapgeier-Patienten wurden dafür morgens eingefangen und sicher in Transportboxen verpackt in die Uni-Tierklinik von Pretoria gefahren.
Unter den Patienten waren die beiden Geier mit "Bumble Foot"...
...und unser Neuankömmling mit Flügelbruch.
Beim Tierarzt hieß es erstmal warten, aber dann kam ein Geier nach dem anderen an die Reihe.
Leider gibt es neue Bestimmungen, dass Operationsbilder nicht ins Internet gestellt werden dürfen. Schade und ein bisschen unverständlich, aber ich werde mich natürlich dran halten. Geier-Operationen tun mir jedesmal in der Seele weh, dass die Geier trotz Narkose Schmerzen erleiden und der Anblick auf dem OP-Tisch einfach jämmerlich ist.
Zur Zeit hält sich Neil Forbes in Südafrika auf, ein weltweit bekannter Tierarzt mit Spezialgebiet Greifvögel. Es wird gesagt, dass er sogar weltweit der Beste auf seinem Gebiet sei. Umso größer die Ehre ihn nun endlich persönlich kennen zu lernen. Ein absolut sympathischer Mensch mit dem Herz am rechten Fleck und interessanten Antworten auf sämtliche Fragen parat. Er übernahm heute die beiden Operationen der "Bumble Foot" Patienten, da diese Behandlung hier noch Neuland ist. Es sind allerdings für Ende des Jahres bzw. Anfang nächsten Jahres drei Workshops für Tierärzte und Interessierte in Pretoria, Durban und Kapstadt angesetzt, wo er sein Wissen über die Behandlung von Geiern hierzulande teilen möchte.
Als erstes wurde der Kapgeier mit der kleineren "Bumble Foot" Ausprägung operiert. Ohne lange zu Fackeln kommandierte Neil die Tierarzt-Assistenten höflich herum und viele Assistenten und Studenten nahmen die Chance wahr diesem Experten bei der Arbeit zuschauen zu können. Die Wucherung lang nahe am Zeh, so dass er aufpassen musste nicht den Nerv zu erwischen. Nachdem der Geier unter Narkose und am Tropf angeschlossen war, wurde seine Kralle gründlich mit Seifenlauge geschrubbt und desinfiziert. Dann wurden sterile OP-Tücher auf dem Geier ausgebreitet und die betroffene Kralle durch ein Loch gefädelt, so dass nur noch diese Kralle vom Geier zu sehen war. Mit Skalpel und Schere wurde die Wucherung mit gezielten Schnitten entfernt und die Wunde anschließend ordentlich zugenäht. Danach konnte der Geier aus der Narkose erweckt werden. Wir legten das erschöpfte Tier in die Transportbox und betteten seinen Kopf auf ein Handtuch, damit der Kopf oberhalb des Kropfes liegt. Das ist besser für das Tier, wenn es vollständig aus der Narkose erwacht. Ein traurig-süßer Anblick, wie dieses wunderschöne Tier abgeschwächelt in der Box liegt. Nach einigen Minuten hörten wir zum Glück wieder Gepolter in der Box.
Neil Forbes hatte eine tolle Technik, um den Fußpatienten das Laufen nach der Operation zu erleichtern: Er schnitt eine Yoga-Matte (ca. 1 cm dickes Moosgummi) in Krallenform und sparte zusätzlich dort ein Loch aus, wo die frische Naht ist. Dadurch wird die Wunde beim Laufen möglichst wenig belastet. Befestigt wurde die Moosgummi-Schicht mit einem blauen Klettband und anschließend zusätzlich mit Tape fixiert, damit der Geier die Geh-Hilfe nicht ratzfatz aufgeknabbert bekommt. Im Grunde simpel und wesentlich besser als unsere vorherige Polsterung mit dicken Wattebauschen.
Nach dem vermeintlich leichteren Patienten wurde der Geier mit dem Riesengeschwür an der Kralle operiert. Allerdings zeigte sich schnell, dass die Wucherung weit genug vom Knochen entfernt war, so dass sie ganz einfach weggeschnitten und zugenäht werden konnte. Es sah zwar alles deutlich gruseliger aus, war für den Geier aber sichtlich weniger schmerzhaft als für seinen armen Kollegen. auch er bekam eine tolle Geh-Hilfe gebastelt. Um die beiden Geier zu schonen, nahm Kerri die beiden Patienten direkt mit nach Hause, während wir noch die Operation vom dritten Pechvogel abwarten wollten.
Eine Flügelamputation ist keine schöne Sache! Ich hatte es einmal miterlebt und kriege noch immer bei dem Gedanken daran eine Gänsehaut. Jetzt fand die OP zwar bei einem anderen Tierarzt statt, aber sie würde nicht weniger traurig werden. Neil musste sich leider verabschieden, so dass Dorianne die OP übernahm. Sie hat sehr viel Erfahrung, da sie schon zahllose Geierflügel für VulPro amputieren musste. Der Flügelbruch war ganz weit oben am "Schultergelenk", so dass der ganze Flügel entfernt werden musste. Um einen Flügel zu amputieren, muss die Schnittstelle großflächig Feder-frei sein. Was das bedeutet, ist gruselig und eine Qual für den armen Geier: Es müssen sämtliche Federn ausgerissen werden, auch die feinen Flaumfedern. Geierfedern sitzen aber mächtig fest, zu dass man mit roher Gewalt dran reißen muss. Mir tat es ja schon leid, wenn ich einem Geier für Federtests ein paar Flaumfedern aus der Brust rausrupfen musste, aber am Flügel ist es bestimmt noch wesentlich schmerzhafter. Während zwei Assistenten gleichzeitig rupften, füllte sich schon bald ein ganzer Eimer mit Geierfedern. Anschließend wurde der Flügel mit einem Handstaubsauger von Federresten gereinigt. Mit jedem Rupf hat mir das Herz geschmerzt, weil der arme Geier trotz Narkose bestimmt tierisch leiden musste. Damit bei der OP keine Federn in die Wunde kommen, wurde zudem der Flügel komplett mit breitem Klebeband abgeklebt. Das sah grausam aus - aber den Flügel würde der Geier ja sowieso verlieren. Als alles vorbereitet war, trennte Dorianne mit Skalpell und Schere die verbliebene nackte Haut und klemmte die wenigen Venen ab. Anschließend wurde der Flügelknochen mit einer kleinen Handsäge durchgesägt. Diese schrecklichen Geräusche haben sich direkt ins Trommelfell eingebrannt. Wichtig ist bei einer Flügelamputation, dass mehr Knochen entfernt wird als Haut und Muskeln, damit diese später ordentlichen um den Knochen herum vernäht werden können. Wird zu viel Haut entfernt und die Haut anschließend zu straff vernäht, so spannt die Haut über den abgesägten Knochen und wird immer wieder wund bzw. könnte sogar reißen. Mit einem Flügel weniger brachten wir den erschöpften Geier anschließend zurück nach VulPro.
Er brauchte etwas Überredungskunst, um ihn aus der Transportbox herauszulocken. Aber seine OP-Kollegen warteten bereits auf ihn. Die armen Geier hockten sich ganz eng aneinander und wirkten noch immer sehr mitgenommen. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht zu sehr unter Wundschmerz leiden. Sie bekommen jetzt noch einige Tage Antibiotika, aber viel mehr helfen können wir ihnen jetzt nicht. Ich hoffe, dass sie sich gut erholen und die Operationswunden gut verheilen.
Die neuen Geh-Hilfen machen sich ganz gut. Heute haben sich die Geier nicht mehr viel bewegt, aber ich werde sie morgen genau im Auge behalten.
Rechts im Bild ist der Geier mit seinem wunden Flügelstumpf zu sehen.
Seine genähte Wunde wurde mit einem desinfizierenden, schützenden Klebestreifen fixiert. Hoffentlich rupf sich der Geier diesen nicht schnell wieder runter und knabbert an den Nähten.
Bei den beiden "Bumble Foot" Geiern kann man vielleicht noch sagen, dass sie einfach nur Pech hatten und in irgendwas getreten sind, dass zu der Wucherung geführt hat. Aber bei dem Geier mit Flügelbruch hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Mensch seine Finger im Spiel. Flügelbrüche geschehen nämlich fast immer durch Kollisionen mit Stromleitungen, Windkraftanlagen oder Zäunen. Eigentlich sollte daher jeder mal an einer Flügelamputation teilnehmen, um zu sehen, was wir diesen wunderschönen Kreaturen durch Ignoranz oder Leichtsinnigkeit antun. Mir schnürt es auch jetzt abends noch die Kehle zu, wenn ich an die heutigen Operationen denke und ich merke einmal mehr, wie wichtig es ist sich für diese prachtvollen Tiere einzusetzen! Von Menschen gesteuerte Schicksale sollten tunlichst unterbunden werden, denn Geier verdienen unseren Respekt und unsere Wertschätzung!!!

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