Mittwoch, 8. Februar 2012

Wie fange ich einen Geier?

Heute Morgen haben wir zuerst hoch motiviert unser Regal-Kunstwerk zusammen geschustert, damit die vielen Geiercenter-Broschüren von VulPro eine würdige Unterkunft finden. Nunja, vielleicht nicht ganz so stabil wie IKEA, aber wir haben das Beste draus gemacht. Außerdem haben wir den Konferenz- und Schulungssaal so gut es geht für die nächste Konferenz Anfang März hergerichtet. Bis dahin müssen aber noch einige Feinheiten erledigt werden.
Danach musste der halbblinde Ohrengeier als Übungsobjekt meiner Geierfangkünste dienen. Ist für den Einstieg etwas leichter, weil er ja auf einem Auge blind ist und ich mich dann dieser Seite her anschleichen kann. Rechte Hand schnell kurz unterm Kopf um den Hals, halb auf den Geier draufsetzen und die Flügel mit den Oberschenkeln fixieren, danach den linken Arm in sicherer Entfernung zu den Krallen rund um den Körper und vorsichtig aufstehen. Wenn alles richtig gemacht wird, befindet sich der Geier in einer kuscheligen Umarmung und sollte nicht nach hinten aushacken können ;-) Hat für den Einstieg sogar recht gut geklappt. Alle Finger noch dran! Das arme Kerlchen bekommt jeden Tag zweimal Augentropfen, so dass ich ihn nachmittags direkt noch einmal einfangen konnte. Kaum zu glauben, aber ohne sperrige Handschuhe ist das wesentlich einfacher.
Den Großteil des Tages verbrachten wir damit die Sitzbalken in den Volieren zu erneuern. Sowohl die Geier als auch die anderen Greifvögel müssen Gelegenheit bekommen ihre Krallen zu nutzen, abzuwetzen, das Greifen zu üben und das alles am besten auf rauen Baumstämmen mit viel Rinde. Haben die Baumstämme und Äste ihre Rinde verloren und sind somit zu blank geworden, dann können die Vögel auch nicht mehr vernünftig auf ihnen landen, ohne abzurutschen. Daher mussten neue Sitzmöglichkeiten her. Also quer durch einen großen Haufen Äste wühlen, die passenden Balken raussuchen und was nicht passt, das wird eben passend gemacht. Alte Drähte durchschneiden, Balken entfernen, neue Drähte rumwickeln und das alles unter den Argusaugen der Volieren-Insassen. Die kleineren Volieren haben wir heute geschafft, die großen Volieren mit den Kapgeiern und Weißrückengeiern sowie die Voliere mit dem aggressiven Andenkondor und den beiden Palmgeiern folgen bald.
Neben aller Arbeit dürfen natürlich die vielen Rundgänge um die Volieren nicht zu kurz kommen.Zwischendurch habe ich einen kleinen Abstecher Richtung Geierrestaurant gemacht, weil sich dort mehr als 30 wilde Geier auf der Wiese angesammelt hatten. Leider war ihre Suche nach Aas vergeblich, denn uns geht hier gerade leider das Fressen aus :-( Eine Weile später hauten die Geier zwar ab, kreisten aber in sehr weiter Höhe über uns am Himmel…
Viele Geier, die in dieses Center kommen, werden getagged, also mit jeweils einer gelben Markierung an jedem Flügel versehen, damit man sie aus weiter Ferne anhand der Nummer identifizieren kann. Im Moment besteht die Markierung aus einem „B“ und 3 Zahlen. Auf die Rückseite wird die Telefonnummer des Centers geschrieben, falls mal ein Geier irgendwo gefunden wird. Unser Patient aus der Krankenvoliere, ein fünf Monate junger Kapgeier, der halb verhungert gerettet wurde, wurde heute Nachmittag nun auch markiert. Dazu wurde er eingefangen und ich durfte ihn halten. Zunächst wurden einige Untersuchungen mit ihm angestellt und er bekam einen Ring um die Kralle. Danach wurde er mit vereinten Kräften auf den Boden gedrückt, wobei ich seinen Kopf festhalten musste, damit er nicht um sich hackt. Die Prozedur der Markierung ist nämlich leider ziemlich schmerzhaft für ihn :-( Zunächst wird der Flügel ausgebreitet, die Stelle mit der tiefsten „Einschnürung“ gesucht und dann etwa 5 cm unterhalb der Flügeloberkante die Markierung gestochen. Dabei muss man natürlich aufpassen möglichst wenig Nerven zu treffen. Dem Armen gefiel das alles gar nicht, vor allem als der zweite Flügel dann auch noch durchstochen wurde. Als kleine Entschädigung durfte ich ihn anschließend jedoch in die große Voliere tragen und bei seinen Artgenossen aussetzen. So ist er wenigstens nicht mehr allein. Beim Absetzen hockt man sich vorsichtig auf den Boden und versucht den Geier so zu halten, dass er mit seinen Krallen den Boden berühren kann. Danach schnell Arme lösen und einen Satz nach hinten machen – normalerweise sollte er sich dann nicht umdrehen und zuhacken, sondern nach vorne flüchten ;-) Hat der Gute auch gemacht!!! Im Gegensatz dazu kam unser Vorzeigegeier „Cody“ (?) brav angehoppelt. Er ist wirklich lieb und wird bei Besuchen von Schulklassen immer gerne vorgezeigt. Wirklich ein Geier zum Anfassen… dachte ich jedenfalls, bis er bei meinem Streichelversuch zugehackt hat! Wieder rechte Hand, diesmal der Zeigefinger, leichter Kratzer ;-) Noch mehr Stoff für spannende Geschichten… Aber ich muss die Geier echt in Schutz nehmen, wenn eine Katze richtig zulangt, dann würde das wesentlich mehr wehtun!!! Vielleicht ist das ja nur ihre Art zu spielen!? So sehr ich über diese Hackattacken auch schmunzeln musste, auf einen richtig kräftigen Biss kann ich gut verzichten. Daher sollte man beim Einfangen der wilden Geier auch in jedem Fall Augenschutz tragen, zumindest eine Sonnenbrille. Handschuhe halten zwar den gröbsten Biss ab, sind aber unpraktisch beim Festhalten der Geier – da bestünde viel mehr die Gefahr, dass man ihn nicht richtig halten kann und der Geier ungemütlich wird. Da steckt schon ordentlich Kraft hinter, wenn man den Geier im Arm hat und er auf einmal versucht seine Flügel zu entfalten, während er gleichzeitig seinen Hals ruckartig bewegt, um den Kopf nach hinten zu drehen. Hm, aber wenn ich sehe, wie lieb Cody sich von seinen Besitzern streicheln lässt und wie anschmiegsam er ist, dann würde ich einen treuen Hausgeier tausendmal mehr einem Hund vorziehen!!!Das weitere Austauschen der Geier-Sitzbalken wurde zu späterer Stunde durch einen kurzen Regenschauer unterbrochen. Er dauerte nicht wirklich lang, aber nach zwei Regentropfen mit einem gefühlten Durchmesser von je 10 Zentimetern war man patschnass. Also wird der Rest morgen oder die Tage erledigt. Zeit, um die Bilder des Tages zu bewundern, vorzusortieren und vielleicht bald endlich nachzutragen.

1 Kommentar:

  1. Hehe... wie schoen. Habe mich schon auf deinen naechsten Bericht gefreut.

    Man stelle sich vor, wie gruselig das fuer den Ohrengeier ist, wenn auf einmal von der Seite wo das Auge nichts sieht jemand nach dem Hals greift... also jammere mal nicht rum! :)

    Auf welchem Material sind denn die Markierungen, Plastik? Wie wird sichergestellt, dass es zu keinen Infektionen kommt?

    Habe gesehen, dass dein FB Foto neu ist... warte gespannt auf Fotos!

    Liebe Gruesse aus dem herrlich kalten Europa,
    Katja

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