Donnerstag, 10. Juni 2021

Bartgeier-Auswilderung in Berchtesgaden - der große Empfang

Nach einer vor Aufregung fast schlaflosen Nacht war es heute endlich so weit: Bartgeier-Auswilderungstag!!!

Um 10 Uhr sollte der große Empfang am Infohaus des Nationalpark Berchtesgadens neben dem Wanderparkplatz am Klausbachtal beginnen. Die Kollegen von der Vulture Conservation Foundation (VCF) wollten gegen 9 Uhr da sein, so dass ich ebenfalls diese Zeit anpeilte. Natürlich war ich eher da, aber die anderen trafen praktisch zeitgleich mit mir ein! Ein tolles Wiedersehen!!! Das große Team des Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) sowie das Team des Nationalparks waren bereits anwesend. Zwar kannte ich zunächst niemanden von ihnen, aber alle waren sehr freundlich und hießen mich sofort in der Runde der Geierfreunde willkommen.

In diesen Transportkisten wurden die Geier später in die Berge gebracht. Offenbar zeigte sich hier deutscher Perfektionismus in Sachen Handwerk, denn die guten Stücke wogen je 20 kg. Mit den kostbaren Passagieren an Bord und einigen Büscheln feinster Edelwolle zur Polsterung, mussten die Träger somit stolze 27 kg je Kiste die steile Felswand hochwuchten.
So leer wie auf dem nächsten Bild blieb der Ort des Empfanges nicht lange. Schon bald hatten sich geschätzt 150-200 Leute auf der Wiese und dem Wanderweg Richtung Nationalpark versammelt. Um die Versammlung möglichst Corona-konform zu gestalten, blieben Wanderer, Praktikanten des LBV und andere hinter dem Zaun auf dem Wanderweg. Die ganzen Geierleute, einige Politiker, Ehrengäste, Kamerateams zahlreicher TV-Sender und die Presse durften in die "erste" Reihe. Zum Glück zählten auch Barty und ich dazu.
Um etwa 10:15 Uhr kam dann der große Moment: Der Geiertransporter aus dem Tiergarten Nürnberg erreichte endlich sein Ziel und alles stürmte her, um einen Blick auf die beiden Geier zu erhaschen.
Auch wenn der Geier auf dem Bild nur zu erahnen ist, konnte ich ihn für einen kurzen Moment sehen und das Geieradrenalin schoss in die Höhe! Allerdings wurden die beiden Stars sofort in ein sicheres Holzhäuschen gebracht, um sie noch ein wenig nach der langen Fahrt geschützt zur Ruhe kommen zu lassen.
Während des ganzen Trubels blieb aber genug Zeit alle Geierfreunde zu begrüßen. Von einigen wusste ich ja bereits, dass sie herkommen. Bei anderen war es eine tolle Überraschung. Franziska Lörcher von der VCF und der Stiftung Pro Bartgeier durfte natürlich nicht fehlen. Sie war bereits gestern im Tiergarten Nürnberg dabei, als die beiden Geier beringt wurden und einige Federn zur besseren Identifikation gebleicht wurden. Außerdem hat sie den Geiern den GPS-Sender angepasst. Damit sie sich während des Weitertransportes nach Berchtesgaden und später hoch in die Berge nicht verletzen, wurden die Sender jedoch wieder entfernt und erst später in der Auswilderungsnische angebracht.
Auch dabei waren u.a. meine Bekannten Hans Pohlmann und José Tavares von der VCF, Hans und Sigrid Frey von der EGS Haringsee, dem großen Bartgeier-Brutcenter bei Wien, Ferdinand Laier und Michael Knollseisen aus Hohen Tauern, Top-Photograph Hansruedi Weyrich und natürlich Hauptakteur Toni Wegscheider vom LBV.
Barty wollte nichts verpassen, so dass ich ihn letztendlich die ganze Zeit auf dem Arm herum trug. Dabei wurde er ratzfatz zum Publikumsliebling und ich kam mit vielen netten Leuten ins Gespräch. Außerdem ertappt ich immer wieder Kameraleute, die ihn mehr oder weniger auffällig mit ihren Riesen-Kameras in Visier nahmen.
Irgendwann wurden dann alle Leute zusammen gerufen und die Reden konnten beginnen. Dabei wurde natürlich auf Abstand geachtet, schließlich war sogar die Polizei anwesend. Vermutlich wäre ohne Corona das ganze Event noch viel größer organisiert worden, aber noch mehr war aktuell leider nicht möglich.
Bevor die Geier gezeigt und ihre Namen verkündet wurden, gab es zunächst einige Reden wichtiger Projektbeteiligter, wie Umweltminister Thorsten Glauber, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Nationalparkleiter Dr. Roland Baier und LBV-Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer. Die Redner sprühten vor Begeisterung über dieses Projekt und schwärmten von der tollen Zusammenarbeit untereinander. Wie schon Ende April bei einem online-Infotermin zu den Bartgeiern, riss mich am meisten Dr. Norbert Schäffer mit seiner Rede mit. Seine Worte, gemischt mit diesem genialen Moment und der sonnigen, aufgeregten Atmosphäre, hätten bei mir fast ein paar Tränchen der Ergriffenheit hervorgelockt!
Eigentlich war richtig mieses Wetter angesagt, aber während der Reden strahlte die Sonne mit den beigesterten Geierfans um die Wette. Vor allem, als Toni Wegscheider und seine Kollegen vom LBV endlich die Stars des heutigen Tages auf die Bühne holten. Was für entzückende, junge Bartgeierchen!!!
Bartgeierküken sind meistens sehr ängstlich, so dass man ihren Kopf wie bei anderen Geierarten gar nicht festhalten braucht. Sie hutzeln sich lieber klein zusammen, statt um sich zu hacken.
Während der Vorstellung der beiden etwa 90 Tage jungen Bartgeier-Mädchen, wurden auch die Namen enthüllt: Ein Geier wurde von Schüler'innen des Gymnasiums Berchtesgaden "Bavaria" genannt. Der andere Geier bekam seinen Namen "Wally" durch die Leser'innen der Süddeutschen Zeitung.
Damit die Leute den Geiern nicht zu nah kamen, war ein Sicherheitsabstand zur "Bühne" auf dem Boden markiert. Als die Bartgeier aber über die Wiese zum Zaun getragen wurden, damit auch die Zuschauer auf dem Wanderweg einen Blick auf sie erhaschen konnten, ging das Gerangel um die besten Bilder los. Ich hatte bereits vorher praktisch in der ersten Reihe gestanden, nur hin und wieder verdrängt von einigen übereifrigen Kameraleuten, so dass ich mich aus dem Gewühl lieber zurück zog.
Ein paarmal erwischte ich die beiden Süßen aber noch, die sich immer kleiner einhuzelten. Ich wette sie wären am liebsten unter Tonis T-Shirt gekrochen, um sich zu verstecken. Natürlich ist es wichtig, dass alle Leute sehen, wie süß die beiden Geier sind, um sie endgültig ins Herz zu schließen und sich noch mehr für ihren Schutz einzusetzen. Aber dennoch wurde der Presseauftritt der beiden so kurz wie möglich gehalten, damit sie sich erst gar nicht an den Menschen gewöhnen.
Bei jeder Auswilderung bekommen Bartgeier nicht nur einen Krallenring und einen GPS-Sender, sondern es werden auch einige Federn gebleicht. Auf diese Weise können sie in den nächsten 2-3 Jahren, bis zur ersten Mauser, gut im Flug identifiziert werden.
Nachdem die meisten genug Bilder von den Bartgeiern im Kasten hatten, stand plötzlich wieder Barty im Fokus. Eine besonders nette Reporterin von Servus TV sprach mich zunächst auf Barty an und wollte wissen, inwiefern ich mit diesem Projekt zu tun haben. Scheinbar schien ihr zu gefallen, dass ich extra Urlaub genommen hatte und aus 800 km angereist bin, nur um bei dem großen Geiertag dabei zu sein. Sie fragte nämlich, ob wir das Gespräch noch einmal vor der Kamera wiederholen könnten. Ich bin mir nicht sicher, ob das folgende Bild, dass ich online entdeckte, während des Interviews von einem anderen Reporter gemacht wurde. Jedenfalls könnte Verlegenheitsröte dazu passen. Ich fand das Gespräch aber sehr nett und habe mich sehr über den Zusammenschnitt bei "Servus am Abend" gefreut. Vor allem, dass der Bericht praktisch mit einer Einstellung auf Barty beginnt! ;-)
(c) Facebook-Seite von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber
Kaum war das Interview im Kasten, wurden auch schon die Geier in die Transportkisten gepackt und der Weg in die Berge begann. Mehr dazu im nächsten Artikel!

1 Kommentar:

  1. Tolle Sache!

    Und der arme Jochen durfte die 20kg+ die Felswand hochschleppen... ;-)

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