Infos über den Zustand und die Entwicklung unserer jungen
Bartgeier
von David Schuhwerk, 24.06.2021
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Die gut erkennbare Flügelmarkierung von Wally auf der
rechten Seite © D.Schuhwerk LBV |
Ein wichtiger Bestandteil des Auswilderungsprojekts ist das
lückenlose Monitoring vor Ort. Hierbei werden die ausgewilderten Jungvögel rund
um die Uhr beobachtet und sämtliche Aktivitäten nach einem international
standardisierten Aufnahmeprotokoll aufgenommen. So kann die Entwicklung und das
Verhalten begleitet und dokumentiert werden. Außerdem kann etwaigen
Fehlentwicklungen entgegengewirkt und Probleme können frühzeitig erkannt
werden. Unsere Beobachtungen wollen wir natürlich auch mit Euch teilen und werden
in Zukunft etwa einmal die Woche neue Informationen an dieser Stelle
veröffentlichen.
Nun sind unsere beiden jungen Bartgeierdamen tatsächlich
schon zwei Wochen in ihrer Felsnische im Nationalpark Berchtesgaden und
es ist Zeit für ein kleines Fazit. Grundsätzlich: Die beiden scheinen wirklich
„angekommen“ zu sein und es geht ihnen sehr gut.
Nahrungsaufnahme: Hervorragend
Die beiden haben einen großen Appetit und verbringen einen
Großteil ihrer Zeit mit der Nahrungsaufnahme oder dem spielerischen Erlernen
des Zerkleinerns und Bearbeiten dieser. Neben der Aufnahme von den frischeren
fleischigen Anteilen probieren sie sich auch schon an größeren und sperrigen
Teilen. Wally konnte schon erfolgreich längliche Knochenteile, wie z.B.
Rippenbögen o.ä. verschlucken, während Bavaria teilweise sehr große und
kompakte Stücke herunterwürgt. Dabei kommen den beiden die hervorragenden Anpassungen
der Bartgeier zur Aufnahme dieser Nahrung zugute.
Sie üben auch fleißig den Einsatz ihres Schnabels, als
wichtiges Werkzeug zum Zerkleinern und Bearbeiten der Aasstücke. Die beiden
nehmen derzeit mehr als 500g Nahrung pro Tag zu sich, also deutlich mehr als
erwachsene Bartgeier.
Auch die kreideweißen Ausscheidungen werden sehr regelmäßig
ausgestoßen – übrigens dem angeborenen Verhalten nach meist in Richtung
Nischenausgang. Im Gegensatz zu - sich beinahe ausschließlich nur noch von
Knochen ernährenden - erwachsenen Bartgeiern ist diese aber meist noch eher von
flüssiger Konsistenz.
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Geschickt rupfen unsere beiden jungen Bartgeierdamen die
Nahrungsstücke auseinander © D. Schuhwerk LBV |
Training der Flugmuskulatur: Anfangs überschaubar – nun
deutlich zunehmend
In den ersten Tagen war von beiden nur eine geringe Anzahl
von echten Flügelschlägen zu verzeichnen. Dies nimmt aber jetzt vermehrt zu, so
dass wir einerseits schon längere Serien von 10-20 kräftigen Schlägen am Stück
verzeichnen konnten, aber auch insgesamt schon eine Steigerung der Gesamtsumme
eines Tages: Bavaria hat hier schon die Anzahl von mehr als 100 Schlägen pro
Tag deutlich geknackt.
Wir rechnen aber weiterhin mit einem ersten Ausflug
frühestens in der ersten oder zweiten Juliwoche, denn die Raten schwanken im
Wochenverlauf noch erheblich und auch die Wiederholungen innerhalb einer Serie
sind häufig noch relativ gering. Im Durchschnitt probieren die Jungvögel einen
ersten Flugversuch im Alter von 120 Tagen, unsere beiden Schützlinge sind heute
(24.06.) exakt 102 (Wally) bzw. 105 (Bavaria) Tage alt.
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Unsere jungen Bartgeier trainieren schon fleißig ihre
Flugmuskulatur © D. Schuhwerk LBV |
Interaktion: Erst einseitige Dominanz – nun ausgewogener
und gemeinschaftlicheres Verhalten
Bavaria war von Anfang an die deutlich dominantere und
zeigte häufiger aggressives Verdrängungsverhalten gegenüber Wally, das sich mit
harmlosem, aber anhaltenden Schnabelpicken äußerte. Beide hielten anfangs
körperliche Nähe schlecht aus. Dies ging meist mit schrillen Lautäußerungen
einher. Wally schien in den ersten Tagen von diesem Verhalten ihr gegenüber
eingeschüchtert, zeigte kaum Gegenwehr und ließ sich sowohl von ihren
jeweiligen Aufenthaltsorten vertreiben als auch ansprechende Futterstücke
abjagen.
Inzwischen hat sich die Situation aber deutlich verändert:
Einerseits scheinen sich die beiden aneinander gewöhnt und die jeweiligen
Gegenüber als Mitbewohnerin der Felsnische akzeptiert zu haben. Nähe löst bei
weitem nicht mehr zwingend ein aggressives Verhalten aus, teilweise konnten wir
sogar Körperkontakt beim nebeneinander schlafen oder einträchtiges Futterpicken
beobachten.
Kommt es doch noch mal zu (inzwischen deutlich kürzeren)
Streitereien, so zeigt sich nun, dass Wally durchaus wehrhaft sein kann und
nicht mehr zwangsläufig zurückweicht.
Alles in allem wurde uns von den erfahrenen Kolleg*innen
langjähriger Wiederansiedlungsprojekte aus der Schweiz und Österreich
mitgeteilt, handelt es sich bei unseren beiden jungen Bartgeiern um eine im
Vergleich mit vielen anderen Wiederansiedlungen sehr harmonische und relativ
entspannte Beziehung.
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Inzwischen schlafen die beiden Bartgeier Damen auch recht
gerne direkt nebeneinander © Jochen Grab NP BGD |
Raumnutzung und Bewegung: Anfangs verhalten – inzwischen
wird auch geklettert
In den ersten Tagen nach der Auswilderung beschränkte sich
der Bewegungsradius auf den oberen Teil der Felsnische. Mit zunehmender Dauer
(und der Tatsache, dass beim Füttern das meiste Material im unteren Teil landet)
weiteten sie dies aus und haben sich nun den Hauptteil der Nische erschlossen.
Dabei zeigen sich nun bestimmte Vorlieben und Muster: Beispielsweise finden
beide einen Platz am Zaun der nordwestlichen Ecke über dem steilen Abhang
besonders interessant, wohl weil sich von dort der beste Ausblick über die
Umgebung bietet. Leider ist ausgerechnet dieser von unserer Hauptwebcam, die
ansonsten die komplette Felsnische überblickt, nicht einsehbar. Dort halten sie
sich aber auch ganz gerne zum Schlafen auf. Dies tun sie übrigens auch
ausgiebig und ein ein- bis zweistündiges Nickerchen wird auch gerne mal mitten
am Tag gehalten. Besonders begehrt zum Ausruhen ist auch die quasi
entgegengesetzte Ecke (hinter der kleinen Wasserstelle): Dort findet sich
bereits am Morgen ein schattiges Plätzchen in der insgesamt ostseitig
ausgerichteten Felsnische.
Wally zeigte sich in den letzten Tagen besonders
erkundungsfreudig und hat begonnen die steileren Bereiche im unteren Teil der
Nische, die nicht vom Zaun umschlossen sind, zu beklettern. Dort liegen öfter
mal Futterteile, die ein paar Meter aus dem flacheren Hauptteil hinunter
gerollt sind.
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Wally beginnt auch die steileren Bereich der Felsnische zu
erklettern © Toni Wegscheider LBV |
Komfortverhalten: Gründlich und regelmäßig
Unter Komfortverhalten versteht man sämtliche Tätigkeiten,
die der Körperpflege zugeordnet werden können. Dies ist auch meist ein guter
Indikator für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere. Die beiden erledigen
das sehr gründlich und intensiv. Dazu gehört ein ausschweifendes Durchkämmen
des Brustgefieders oder auch ein Kratzen an den Ansätzen der Schwungfedern, die
teilweise nur durch artistische Verrenkungen erreicht werden.
Wir konnten auch schon beobachten, dass sich die beiden
offensichtlich schon gut an das Tragen des 50g leichten Senders gewöhnt haben:
Die Antenne vom Sender wird mittlerweile wie ein Federkiel mit geputzt!
Mit freundlicher Genehmigung des LBV. Weitere spannende
Infos findet ihr im Bartgeier-Blog
des LBV!