Nach dem tollen Conference Dinner und der Party bis Mitternacht, ging es heute früh direkt weiter mit dem dritten Tag der European Vulture Conference.
Die morgendliche Session wurde von Hans Pohlmann angekündigt, seit 01.10.2019 auch Mitglied der Vulture Conservation Foundation (VCF).
Den ersten Vortrag hielt Steffen Oppel über Bedrohungen von migrierenden Geiern wie den Schmutzgeiern aus dem Balkan.
1980 gab es im Balkan noch über 500 Schmutzgeierpaare. In 2012 wurden nicht einmal mehr 60 Brutpaare dort gezählt. Die Hauptursachen hierfür sind Gift, Kollisionen mit Stromleitungen und Stromschläge. Mittlerweile versucht mal Stromleitungen zu sichern, Schmutzgeier-Nester zu bewachen und Giftspürhunde gegen Giftköder einzusetzen. Aber reichen diese Maßnahmen wirklich aus, um migrierende Vogelarten zu schützen? Nein! Entlang der Flugroute, die sich über tausende Kilometer bis in viele Länder in Afrika erstreckt, gibt es zahllose Gefahren für unsere Schützlinge!
In Nigeria zum Beispiel gibt es kaum noch ganzjährig angesiedelte Geier, da sie hier hauptsächlich wegen traditioneller Medizin (Muthi) verfolgt und getötet werden. Über 65 % der Geierverluste in Nigeria sind hierauf zurückzuführen. Eine Studie bei zahlreichen Markverkäufern ergab, dass jeder Schmutzgeier verkaufen würde. Dies ist zwar illegal, aber es interessiert keinen.
In Äthiopien gibt es zahllose Stromleitungen mit ungesicherten Masten. Nicht selten werden bis zu 40 Geier auf einem Strommast gesichtet. Die Zahl der Verluste durch Stromschlag und Kollisionen ist enorm. Es gibt aber noch eine andere Bedrohung, die mir noch gar nicht bewusst war und sehr interessant ist: In Äthiopien breitet sich seit vielen Jahren ein giftiger Mesquitenbusch aus, den die Nutztiere nicht mögen. Da er nicht abgefressen wird, verbreitet er sich immer weiter und bietet somit ein gutes Versteck für Raubtiere, die wiederum leichter die Nutztiere angreifen können. Was das mit Geiern zu tun hat? Ganz einfach: Je mehr Raubtiere die Nutztiere bedrohen, desto mehr Giftköder werden ausgelegt, die wiederum lebensgefährlich für die Geier sind.
Auch wenn weiterhin Geierküken im Balkan ausgewildert werden, so besteht ein großes Risiko, dass Schmutzgeier bis 2035 ausgestorben sein werden, wenn die gesamte Migrationsroute der Geier nicht wesentlich sicherer wird!
Nächster Redner war Ron Efrat, der über die Überlebenschancen ausgewilderter Gänsegeier in Israel berichtete.
Früher gab es in Israel fünf Geierarten, von denen mittlerweile drei Arten in Israel ausgestorben sind. Im 19. Jahrhundert habe es zum Beispiel noch hunderte Paare von Gänsegeiern, bis es Mitte des 20. Jahrhunderts einen dramatischen Rückgang gab. Es starteten große Geierschutzprojekte und seit 1993 wurden über 150 Geier in zwei Regionen (Golan und Carmel) ausgewildert, aber die Zahlen gehen leider weiterhin bergab, so dass es heute nur noch weniger als 50 Paare in Israel gibt.
Die ausgewilderten Geier sind entweder Handaufzuchten oder wurden durch Geiereltern großgezogen. Aufzucht durch Geiereltern erhöht natürlich die Chancen auf Überleben in freier Natur. Je später die Geier ausgewildert werden, desto größer ist ihre Überlebenschance. Allerdings kostet eine längere Betreuung der Küken auch mehr Geld, das selten ausreichend vorhanden ist. Die Gegend um Carmel ist hierbei wesentlich sicherer als die Golan Höhen, wo erst vor wenigen Monaten viele Geier durch Gift starben. Es hat sich erwiesen, dass die beste Auswilderungszeit der Sommer ist, wenn die Thermik am geierfreundlichsten ist.
Kurze Fragerunde und dann ging's weiter zu den nächsten Vorträgen.
Die zweite Vortragsrunde startete mit einem Vortrag von Alvaro Camina über den Einfluss von Windkraftanlagen auf Geier.
In Spanien sind bisher schon sechs verschiedene Geierarten mit Windkraftanlagen kollidiert. Insgesamt sterben auf diese grausame Weise ca. 735-935 Geier in Spanien pro Jahr. Geier sind somit die am meisten durch Windkraftanlagen bedrohte Art von Raubvögeln.
Auch Stromleitungen und Strommasten sind ein riesiges Problem, vor allem wenn die Stromleitungen in mehreren Etagen übereinander verlaufen. Auf diese Weise wird das Kollisionsrisiko deutlich größer.
Auch Simon Potier fokussierte seine Forschungen auf Kollisionen.
Hierzu untersuchte er gezielt das Sehvermögen unterschiedlicher Raubvogel- und Geierarten, stellte die verschieden großen Blickwinkel vor (Geier haben nur einen Blickwinkel von 60 Grad und können nicht nach vorne schauen) und erklärte, dass Raubvögel und Geier bis zu 20 % weniger Kontraste sehen als Menschen. Es ist daher naheliegend, dass vor allem an bewölkten Tagen Geier die weißen Rotoren der Windkraftanlagen vor weißen Wolken nicht erkennen können.
Der nächste Vortrag zum Thema Windkraftanlagen von Ricardo Tomé war für mich ein weiteres Highlight der Konferenz.
Er stellte vor, wie an einer großen Windfarm in Portugal bereits gezielt Windkraftanlagen heruntergefahren werden können, sobald sich ein Schwarm von Geiern nähert. Hierzu gibt es eine Radaranlage nahe der Windfarm und verschiedene Beobachtungspunkte. Fliegt nun ein Geierschwarm auf die Windfarm zu, so wird er von dem Radar geortet und dieser gibt ein Signal an die Windkraftanlagen, um diese herunterzufahren. Bis zum Stillstand dauert es dann nur ca. 30 Sekunden. Aber auch einzelne Tiere werden geortet und führen zum Shut-down. In 80 % der Fällen wir der Shut-down durch Gänsegeier getriggert. Die Ortung erfolgt auf eine Entfernung von 6 km bei Schmutzgeier bis zu 20 km bei Gänsegeiern. Ich wusste gar nicht, dass eine solche Technologie zum Vogelschutz bereits eingesetzt wird! Wirklich beeindruckend!
Früher waren hauptsächlich Gänsegeier, aber auch Schmutzgeier, Mönchsgeier und Sperbergeier betroffen. Seit Start des Projektes in 2010 gab es keine Geierverluste mehr. Es ist auch interessant, dass 2010 insgesamt 80x eine Windkraftanlage stillgesetzt werden musste, 2018 nur noch 20x. Das kann einerseits daran liegen, dass die Geier gelernt haben und um die Windfarm herumfliegen. Aber auch die Radarortung und die Kriterien für eine Abschaltung wurden verbessert, so dass es weniger Fehlalarme mehr gibt.
Im Südwesten Portugals starben auf der Nachbar-Windfarm, die noch kein Ortungssystem hat, über 50 Geier in 12 Jahren. Leider ist der Radar mit gut 20.000 € recht teuer und es müssen zudem Beobachtungsposten eingestellt und trainiert werden, um die unterschiedlichen Vogelarten zu identifizieren. Zum Glück gibt es bereits weitere Windfarmen, die derzeit ein Ortungssystem einführen. Hoffentlich ziehen alle anderen Windfarmen entlang der Hauptmigrationsrouten auch mit!
Mit diesem spannenden Vortrag ging es in die Kaffeepause. Anschließend fanden wieder Parallelvorträge in zwei Besprechungsräumen statt. Ich entschied mich zunächst für den kleineren Raum, wo ich mir die drei Vorträge bis zur nächsten Fragerunde anschaute.
Den ersten Vortrag hielt Elena-Kmetova -Biro über die Wiederansiedlung großer Geierarten in Bulgarien.
Im Rahmen des 7-jähigen Wiederansiedlungsprojektes werden 48 Mönchsgeier und 60 Gänsegeier in Bulgarien ausgewildert. Dabei kamen ursprünglich mehrere Auswilderungsorte in Betracht. Da sich einige allerdings als zu gefährlich erwiesen, fokussiert sich die Auswilderung nun auf zwei Orte.
Die Überwachungskamera einer Futterstelle zeichnete erst gestern insgesamt 86 Gänsegeier und 6 Mönchsgeier auf in einer Gegend, in der es vor 10 Jahren keinen einigen Geier mehr gab. Ein toller Erfolg!
Den nächsten Vortrag hielt Raphael Néouze, den ich bereits seit 2014 durch meine Teilnahme an einer Bartgeierauswilderung in Grands Causses und von den Bartgeierkonferenzen her kenne.
Das LIFE Gypconnect Projekt läuft von 2015 bis 2011 und hat zum Ziel die Bartgeierpopulationen in den Alpen mit den Populationen in den Pyrenäen zu verbinden, um eine bessere genetische Vielfalt zu ermöglichen. Hierzu werden jährlich sechs Bartgeier in speziellen Übergangsgebieten ausgewildert. Außerdem werden weitere Futterstellen entlang des Korridors eingerichtet und Stromleitungen gesichert. Um weitere Gefahren zu erkennen und zu vermeiden, wurden u. a. 104 tote Gänsegeier obduziert.
Der dritte Vortrag kam von Alexandra Howard, Mitarbeiterin von VulPro in Südafrika.
Zunächst stellte sie kurz das 2007 gegründete Geierprogramm vor
Bei ihrem Vortrag stand die medizinische Betreuung von den Geierpatienten von VulPro im Vordergrund. Von den 865 behandelten Geiern konnten insgesamt 436 Geier wieder aufgepäppelt und freigelassen werden. 62 weitere Geier konnten zwar nicht mehr freigelassen werden, leben aber im Brutprogramm bei VulPro glücklich weiter.
Anschließend gab es Statistiken zu den unterschiedlichen Verletzungsursachen von Kapgeiern, Weißrückengeiern und Ohrengeiern. Bei Kollisionen mit Stromleitungen ist die Chance zur Genesung am geringste, weil sich die Geier in den meisten Fällen einen oder beide Flügel brechen und diese anschließend amputiert werden müssen.
Nach diesem Vortrag flitze ich schnell rüber ins Auditorium und hörte mir den Vortrag von meinem Bekannten Volan Arkumarev über Gänsegeier in Bulgarien an.
Während es 1987 nur noch 10 Gänsegeier-Brutpaare in Bulgarien gab, konnte durch Geierschutzprojekte und Auswilderungen die Anzahl auf ca. 100 Brutpaare in 2019 aufgestockt werden. Im Rahmen der Studie wurden 11 Gänsegeier mit GPS besendert und eineinhalb Jahre ihr Flug- und Fressverhalten untersucht. Eine Auswertung ergab, dass nur etwa die Hälfte aller Futterstellen von den Geiern genutzt wurden, fünf in Bulgarien und eine in Griechenland. Im Winter wurden die Futterstellen häufiger genutzt, um Energie zu sparen. Im Sommer fanden die Geier offenbar meist eigenständig Futter - vermutlich größtenteils in Griechenland.
Der letzte Vortrag vor der Mittagspause kam von einem meiner größten Geieridole, Corinne Kendall. Ich war richtig aufgeregt sie nach all den Jahren endlich live kennen zu lernen und ich kann nur sagen, dass sie live genauso nett ist wie in ihren E-Mails!
In ihrer Studie untersuchte sie das Verhalten von Sperbergeiern, Kapgeiern und Weißrückengeiern in Tansania. Die Afrikanische Geierkrise ist ein enormes Problem, da sich die einzelnen Geierarten auf Nahrungssuche über riesige Gebiete bewegen und dabei viele Länder besuchen. GPS-besenderte Geier zeigen deutlich, dass zum Beispiel ein Geier allein über 2.000 km von Tansania bis Südafrika zurücklegte. Unterwegs lauern viele Gefahren.
Nach dem Asiatischen Vorbild werden auch in Afrika Geierschutzgebiete (Vulture Safe Zones) eingerichtet, was sich aber anhand der riesigen Ausbreitungsgebiete als maximal schwierig erweist. So fliegen Geier in der Regenzeit zum Beispiel größere Distanzen als in der Trockenzeit.
Im Rahmen der Studie wurden 157 Geier mit GPS ausgestattet, darunter 75 Weißrückengeier, 56 Kapgeier und 26 Sperbergeier. Nur 52 GPS-Transmitter hielten länger als ein Jahr! Auswertungen ergaben, dass sich Sperbergeier und Kapgeier insgesamt mehr bewegen als Weißrückengeier und die Weißrückengeier fliegen mehr in Südafrika herum als in Ostafrika.
Anschließend ging es in die Mittagspause und ich wurde bereits richtig wehmütig, dass bis heute Abend die letzten Vorträge der Konferenz gehalten werden würden. Ich könnte noch viele weitere Tage den spannenden Untersuchungen und Forschungsberichten lauschen!
Donnerstag, 3. Oktober 2019
3.Tag der European Vulture Conference - 1/2
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