Donnerstag, 3. Oktober 2019

3.Tag der European Vulture Conference - 2/2

In der Mittagspause der European Vulture Conference hatte ich die Gelegenheit mich mit einigen Geierleuten zu unterhalten, die ich bisher in den anderen Pausen noch nicht erwischt hatte. Aber dennoch habe ich das Gefühl in den drei Tagen nur einen Bruchteil aller Teilnehmer kennengelernt zu haben.
Nach der Pause leitete José Tavares, Direktor der Vulture Conservation Foundation (VCF) die letzte Reihe von Vorträgen ein.
In der ersten Stunde fand eine Vorstellung und Diskussion zum Multi-species Action Plan (MsAP) statt, der sich dem Schutz der 15 Altweltgeierarten widmet und insgesamt 12 Ziele mit 124 Aktionen umfasst. Eine tolle internationale Zusammenarbeit, die drei Kontinente umfasst!
Nick P. Williams moderierte das Gremium,...
...das aus André Botha, Jovan Andevski,...
...Chris Bowden und Mohammed Shobrak bestand.
André repräsentierte die Region Afrika und stellte verschiedene Aktionen und Zusammenkünfte von Geierexperten aus Afrika vor. Hierbei entdeckte ich sogar meine Freunde Kerri und Maggie auf einem Gruppenfoto einer Konferenz im Senegal in 2016. Er lobte die Bereitschaft der verschiedenen Projekte nun endlich enger und besser miteinander zusammen zu arbeiten und Daten zu teilen.
Jovan stellte die Aktivitäten der Region Europa vor.
Hierzu zählen die Generierung von Aktionsplänen auf nationaler Ebene, neue Geierschutzprojekte und die Kommunikationsarbeit der VCF.
Chris repräsentierte die Region Asien, in der sich vor allem das Geierprojekt SAVE sehr stark für den Geierschutz engagiert.
Er wies auf die Richtlinie zum Erhalt der stark bedrohten Asiatischen Gyps-Geierarten hin, die online als Download zur Verfügung gestellt wurde und auch für die Afrikanische Geier-Krise hilfreich sein kann.
Als letzter kam Mohammed für die Region Mittlerer Osten zu Wort.
Die Arbeiten dieser Region befinden sich derzeit noch im Aufbau, sollen aber den Vorbildern aus Afrika, Europa und Asien folgen.
Nach einer kurzen Fragerunde hielt Patricia Mateo-Tomás einem Vortrag über die Herausforderung Futterstellen zu managen und geierverträglicher Kadaver bereitzustellen.
Nach vielen BSE-Vorfällen in Europa wurde 2000 das Auslegen von Kadavern für hungrige Geier verboten. Zwischen 2002 und 2005 durften unter hohen Auflagen einzelne Futterstellen betrieben werden.
In 2009 wurde eine EU-weite Hygienevorschrift für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte entwickelt und in 2011 verabschiedet. Hiernach dürfen unter geregelten Voraussetzungen Futterstellen für Geier betrieben werden. Allerdings wird diese Richtlinie in vielen Ländern leider noch immer nicht umgesetzt.
Paula Martin Díaz sprach über die Renaturierung im Mittelmeerraum.
Im Dezember 2014 wurden 30 Gänsegeier mit GPS ausgestattet und ihre Flugrouten sowie ihre Futtersuche untersucht. Im Sommer flogen die Geier weitere Strecken und kamen dabei auch in vom Menschen besiedelte Gebiete. Dies ist auf den erhöhten Nahrungsbedarf für die Küken in der Brutsaison zurückzuführen. Im Winter flogen die Geier weniger weite Strecken, u. a. da die Tage deutlich kürzer und die Thermik schlechter ist und weil sie Kraftreserven für die Brutsaison anlegen müssen.
In der letzten Kaffeepause wurden bereits viele Exponate aus dem Aufenthaltsraum abgebaut und die tollen Geierfiguren durften für die letzten Vorträge auf die große Bühne umziehen. Hier unsere europäischen Hauptakteure: Schmutzgeier, Bartgeier,...
Mönchsgeier und Gänsegeier.
Nach der Pause ging es weiter mit Ainara Cortés-Avizanda und dem Thema Geier-Ökologie.
Grundlage ihre Studie ist das Buch "Principles of Conservation Ecology". Sie weißt darauf hin, wie wichtig Langzeitstudien sind, um das Verhalten von Geiern besser beurteilen zu können.
Anschließend berichtete Fátima Domínguez Gigante über die Rolle der Farmer bei der Einhaltung der Hygienevorschriften zum Kadavermanagement.
Während Spanien die EU-Hygienerichtlinie bereits umsetzt und wilde Geier zufüttert, wird dies in großen Teilen Portugals noch nicht getan. Portugiesische Farmer haben bei einer Umfrage erklärt, dass sie Geier als natürliche Müllbeseitigung sehr schätzen und mögen, während spanische Farmer meist glauben, dass Geier ihre Nutztiere angreifen. Die EU-Richtlinie kennen nur 10 % der 109 befragten Farmer, obwohl sie deren Tagesgeschäft regelt. Um den Geierschutz zu stärken, müssen dringend grenzübergreifende Aktionen gestartet werden und alle am gleichen Strang ziehen.
Den letzten Vortrag - und meiner Meinung nach sogar den Besten der Konferenz - hielt Jovan Andevski von der VCF über den Status der europäischen Geierarten im Balkan und die Maßnahmen gegen den starken Gifteinsatz dort.
Der Status der europäischen Geierarten ist erschreckend! Der Gänsegeier ist in Albanien seit 1996 und in Bosnien und Herzegowina seit 1991 ausgestorben. Insgesamt sind im Balkan nur noch gut 767 Brutpaare übrig. Der Schmutzgeier ist bereits in drei Ländern des Balkans ausgestorben: In Bosnien und Herzegowina seit 1995, in Kroatien seit 1987 und in Serbien seit 2005. Vermutlich sind nur noch 57 Brutpaare übrig. Schlechter geht es dem Mönchsgeier, der aktuell nur noch mit ca. 35 Brutpaaren in Griechenland vorkommt. Am Traurigsten steht es um den Bartgeier, von dem es nur noch 6-7 Paare in Griechenland gibt.
Hauptursache für das Geiersterben ist der Einsatz von Giftködern. Das ist jetzt zwar nichts Neues, aber was den Vortrag für mich so besonders gemacht hat, waren die Emotionen, die Jovan deutlich übermittelt hat - und die bei der sehr wissenschaftlichen Konferenz teils etwas zu kurz kamen. Er sprach deutlich an, dass Geierschützer gesunde Geier in freier Natur sehen und nicht tagtäglich mit toten Geiern beschäftigt sein wollen. Die Geierschützer, die den illegalen Gifteinsatz bekämpfen, müssen aber fast täglich rausfahren, egal ob an Wochenenden oder Feiertagen, und tote Geier einsammeln. Je länger ein Giftköder oder ein vergifteter Geier in der freien Natur herumliegt, desto mehr andere Geier können vom Gift fressen und ebenfalls sterben. Daher ist es für die Giftbekämpfer sehr wichtig möglichst schnell rauszufahren, egal zu welcher Uhrzeit. Ein wirklich schwerer und trauriger Job, der ganz besonderer, leidenschaftlicher Menschen bedarf.
Ich fand es auch klasse, dass Jovan sich auf einer internationalen Konferenz getraut hat auszusprechen, dass viele europäische Länder und auch Naturschutzorganisationen noch immer nichts vom Gift-Problem in ihren Ländern wissen wollen. Hier ist die klare Botschaft: Wenn du nicht nach dem Gift suchst, findest du auch nichts. Das heißt aber nicht, dass es nicht da ist!
Um das Gift-Problem zu bekämpfen gibt es die Balkan Vulture Poison Study und viele Workshops auf nationaler Ebene in sechs Ländern. Es ist wichtig sensibel zu sein und herauszufinden welche Motivation hinter dem Auslegen von Giftködern steckt, um anschließend gemeinsam nach alternativen Lösungen zu suchen.
Kurzum: Ein schreckliches Thema, aber durch diesen hervorragenden Redner klar verständlich zusammen gefasst. Wenn er seine vielen Anti-poison-Workshops nur halb so überzeugend durchführt wie diese Präsentation, dann wage ich zu hoffen, dass die letzten Geier am Balkan noch immer eine Chance zu Überleben haben!
Mit diesem aufwühlenden, emotionalen Vortrag ging der offizielle Teil der Konferenz zu Ende und es fand eine letzte kurze Fragerunde statt.
In der Zwischenzeit wurde das tolle Geierwandbild, das ein sympathischer Künstler über die gesamte Zeit der Konferenz angefertigt hatte, auf die Bühne gebracht.
Als Ausklang der Konferenz fasste José die Highlights der Konferenz zusammen und stellte noch einmal die genialen Arbeiten der verschiedenen Künstler vor. Die tollen Sketche von Cirenia habe ich ja bereits in meinen Blogartikeln integriert, aber den anderen Künstlern widme ich noch einen Extra-Bericht.
Das Wandbild soll an einem ganz besonderen Ort ausgestellt werden, wo vielen Leuten die Schönheit der vier europäischen Geierarten nähergebracht werden können. Alle Teilnehmer dürfen sich mit guten Vorschlägen hierum bewerben.
Insgesamt gab es bei der European Vulture Conference 56 Vorträge zwischen 15 und 30 Minuten. Außerdem 16 Kurzvorträge a 5 Minuten und 8 Symposien bzw. Diskussionsrunden und Workshops.
Im Aufenthaltsraum wurden 34 Poster zu Forschungsarbeiten ausgestellt und 5 Künstler malten tolle Geierbilder und Geiersketche, gaben Zeichenunterricht oder führten Workshops zum Geiergeschichtenerzählen, Geier-Poetry oder Musik an. Da diese Angebote parallel zu den Nachmittagsvorträgen lagen, konnte ich von diesen Angeboten leider nicht Gebrauch machen.
Es gab eine Fotoausstellung von den Besten der im Vorfeld zur Verfügung gestellten Geierbildern und eine stille Auktion mit verschiedenen Geierexponaten.
Über 200 Teilnehmer (66 % männlich, 33 % weiblich) bekamen während 6 Kaffeepausen, 3 Mittagessen und einer großen Dinnerparty die Gelegenheit sich kennenzulernen und auszutauschen.
Außerdem wurden drei Exkursionen in die schöne Natur Portugals angeboten.
Der Geierschutz steigt und fällt mit seinen Leuten und ich bin sehr stolz, dass ich hier so viele tolle Geierschützer kennenlernen konnte. Wir alle verfolgen das gleiche Ziel und haben uns für den Schutz dieser wunderschönen Tierart verschrieben. Ich bin mir sicher, dass diese Konferenz ein großer Meilenstein war, um den länderübergreifenden Geierschutz zu verstärken und den Austausch von Daten und Wissen zu intensivieren. Die Asiatische und Afrikanische Geierkrise sollte uns eine Lehre sein eine Europäische Geierkrise durch gute Zusammenarbeit im Keim zu ersticken!
Leider habe ich mal wieder viel zu wenige Bilder der tollen Leute rund um die Konferenz gemacht, aber ich wollte auch nicht aufdringlich sein. Nur weil also viele Gesichter in meinem Blog fehlen, heißt es nicht, dass ich das Kennenlernen und die vielen spannenden Gespräche nicht sehr genossen habe!
Meinen herzlichen Glückwunsch an alle Mitglieder der VCF für die hervorragende Organisation! Auch wenn ihr mehr als genug Stress hattet, ihr habt immer für jeden ein offenes Ohr und nette Worte gehabt und die ganze Zeit die Freude an der Arbeit ausgestrahlt. Ein tolles Team! Together for Vultures!
Natürlich drücke ich meinen Landsleuten jetzt fest die Daumen, dass es mit der Wiederansiedlung der Bartgeier in Bayern klappt und hoffe, dass wir in Kontakt bleiben!
Hehe, nachdem ich jetzt ein paar Tage in einem Hotel voller Geierdeko gewohnt hatte, steigen nun meine Ansprüche an alle weiteren Hotels ;-)
Nach den Abschlussworten gingen viele von uns an den Strand, wo aufgepeitschte Wellen den Strand überrollten. Hinzu kam ein wahnsinns Farbspiel am Himmel während des Sonnenunterganges. Gemeinsam mit dem VCF-Team und einigen anderen Konferenzteilnehmern aßen wir abends gemütlich im Strandrestaurant. Fotos hierzu folgen in einem anderen Bericht.

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