Samstag, 19. Oktober 2019

Geier mit GPS-Sender für Spion gehalten

Schon seit einigen Jahren wollte ich einen Extra-Artikel über Geier schreiben, die durch ihre GPS-Sender für Spione gehalten und festgenommen werden. Aber wie bei so vielen anderen Themen sammelten sich die recherchierten Artikel in einem Ordner und wurden dann doch wieder durch andere Themen verdrängt. Leider ist das Thema jetzt wieder brandaktuell aufgepoppt!
Von einem Geierschützer aus Israel erfuhr ich, dass sein entwickeltes Geier-GPS-Alarmsystem bei einem jugendlichen Schmutzgeier Alarm geschlagen hat, der sich zur Zeit auf Migration im Sudan befindet. Der Geier schlüpfte dieses Jahr im letzten verbliebenen Nest im israelischen Galiläa und wurde im Rahmen einer Studie gemeinsam mit der Israel Nature and Park Authority mit einem GPS-Sender ausgestattet. Dank des GPS konnte nachvollzogen werden, dass der Geier in Kutum im sudanesischen Bundesstaat Nord-Darfur landete und von dort über Al-Fashir in die Hauptstadt Khartum gebracht wurde. Aufgrund trauriger Erfahrungen aus den letzten 10 Jahren liegt die Vermutung nahe, dass der Geier entweder bereits tot ist oder als "israelischer Spion" festgenommen wurde.
Bei meiner Recherche stieß ich auf zahllose GPS-besenderte Geier und andere Tierarten, die aufgrund Spionageverdachts verfeindeter Nationen festgenommen oder sogar getötet wurden. Hier nur einige traurige Highlights:
Anfang 2011 las ich zum ersten Mal, dass in Saudi-Arabien ein Gänsegeier festgenommen wurde, da er verdächtigt wurde ein israelischer Spion zu sein. Der Geier trug einen GPS-Sender der Universität von Tel Aviv. Sofort schaltete sich die Israel Nature and Park Authority ein und versicherte, dass der GPS-Sender nur die Flugposition, Flughöhe und Geschwindigkeit des Geiers aufzeichnet. Diese Daten sollten genutzt werden, um das Verhalten einer bedrohten Tierart besser verstehen zu lernen. Das saudi-arabische Rechtssystem ist sehr streng und die Sorge um den armen Pechvogel war sehr groß. Zum Glück wurde er später wieder freigelassen.
Ende 2012 stand ein Gänsegeier im Sudan in Verdacht ein Spion zu sein und als "Drone" Bilder nach Israel zu senden. Der Geier trug einen GPS-Sender und einen Krallenring mit Hinweis auf die Hebrew University, Jerusalem. Ursprünglich kam der Geier aus dem Balkan, wurde aber während seiner Migration im Rahmen einer Studie in Israel mit GPS und Ring ausgestattet. Natürlich war auch dieser Geier kein Spion und auch nicht mit einer Kamera ausgestattet. Selbst wenn er eine Kamera tragen würde, so könnte niemand einem Geier vorschreiben, in welche Richtung er zu fliegen und was genau er zu filmen hat. Die Innereien eines Kadavers wären wohl kaum zu Spionagezwecken verwertbar. Dank des GPS fanden die Geierforscher jedoch heraus, dass der Geier gelandet war und sich plötzlich genau entlang einer Straße bewegte. Nach Aussage der Geierforscher befand sich auf dem GPS-Sender die E-Mail-Adresse der Forscher, aber sie wurden nie kontaktiert. Es ist besonders kritisch zu betrachten, wenn Spionage-Unterstellungen nicht offiziell vom Ankläger richtiggestellt werden. So ist die Gefahr groß, dass die Öffentlichkeit verunsichert wird und demnächst GPS-besenderte Tiere lieber abschießt statt sie "nur" zu verhaften.
Im September 2013 wurde ein Weißstorch von der ägyptischen Polizei verhaftet, ebenfalls im Verdacht ein israelischer Storch zu sein. Nach Ermittlung des Besitzers des GPS-Senders und einiger Diskussionen wurde der Storch in einem Naturschutzgebiet im Süden Ägyptens freigelassen. Leider konnte er seine wiedergewonnene Freiheit nicht lange genießen, da er sich entschied auf einer Insel im Nil zu landen, wo er getötet und verspeist wurde. Offenbar stehen Weißstörche seit tausenden von Jahren auf dem Speiseplan der einheimischen Bevölkerung.
Anfang 2016 war mal wieder ein Gänsegeier an der Reihe, diesmal im Libanon. Er flog aus einem israelischen Schutzgebiet über die Grenze nach Libanon, wo sein GPS-Sender Misstrauen erweckte, was zu einer Festnahme des Geiers führte. Der Geier stammte aus Spanien und wurde 2015 im Gamla Nature Reserve auf den Golan-Höhen freigelassen. Beringt und mit GPS ausgestattet wurde er von der Universität Tel Aviv. Die israelischen Geierschützer wurden auf den Fall aufmerksam, als schreckliche Bilder von dem gefesselten Geier in den Sozialen Medien auftauchten. In einer gemeinsamen Operation mit Libanesen und UN-Kräften gelang es der Israel Nature and Park Authority den Geier zu befreien. Der arme Geier war sehr schwach und gestresst, so dass er erstmal aufgepäppelt wurde, bevor er freigelassen werden konnte.
Auch im April 2019 machte ein Gänsegeier traurige Schlagzeilen, zur Abwechslung im Jemen. Der jugendliche Gänsegeier schlüpfte 2018 und wurde mit einem GPS-Sender an der Kralle ausgestattet im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojektes im November 2018 in Bulgarien freigelassen. Als er von Bulgarien über die Türkei in den Jemen flog, wurde er dort als iranischer Spion gefangen genommen. Schnell machten schreckliche Bilder die Runde, wo der gefesselte Geier in seinem engen Gefängnis gezeigt wurde. Ein trauriger Anblick! Obwohl es der einheimischen Bevölkerung sehr schlecht geht, zeigten sich viele solidarisch mit dem unschuldigen Geier und schickten zahllose Nachrichten an Naturschützer im Jemen und in Bulgarien, um sich für den Geier einzusetzen. Schnell bekam er den Namen "Nelson". Interessanterweise wurde zunächst der GPS-Sender als ungefährlich eingestuft und nach Bulgarien zurückgeschickt. Der Geier blieb in Gefangenschaft. Es sieht also so aus, als wäre der vermeintliche Spion gefährlicher als das eigentliche Spionage-Equipment. Immerhin wurde ein Naturschützer nach einer gefährlichen Reise und vielen Gesprächen zum Geier vorgelassen und durfte ihn füttern und pflegen. Gleichzeitig belagerten Naturschützer die Botschaften Jemens in  Bulgarien, Frankreich und Irland, um für die Freilassung von Nelson zu plädieren. Der große Einsatz wurde belohnt und der Geier an den Naturschützer übergeben. Leider war der arme Pechvogel in schlimmer Verfassung: Er hatte viele gebrochene Flugfedern, eine Halsverletzung und war extrem stark abgemagert. Seine Krallen waren aufgeschürft und seine Knöchel durch die Fesseln verletzt, so dass er gut 2 Monate lang versorgt und beobachtet werden muss.
Neben Geiern und Störchen standen bereits auch Haie, Delfine, Pelikane, Eichhörnchen und viele andere Tiere mit GPS-Sendern unter Spionage-Verdacht. Und wer weiß, wie viele Tiere bereits als vermeintlicher Spion getötet wurden, bevor Naturschützer auf sie aufmerksam wurden und eine Chance hatten sie zu retten. Dieser Irrsinn muss aufhören!!!

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