Nach der Kaffeepausen mussten wir uns wieder für einen der beiden Besprechungsräume entscheiden. Ich blieb diesmal im Auditorium, wo der erste Vortrag von Philippe Helsen über genetische Untersuchungen zur Verbesserung der Nachzuchten von Mönchsgeiern gehalten wurde.
Bereits gestern Abend hatte ich einiges über die gute Arbeit im Zoo Antwerpen und Tierpark Planckendael erfahren. Von möglichst vielen ausgewilderten und wilden Mönchsgeiern wird die DNA untersucht, um zu erfahren, wie sich die Geier vermischen und auf welche Weise sie ihre Partner finden.
Auch im nächsten Vortrag von Franziska Lörcher ging es um genetische Untersuchungen, diesmal vorwiegend anhand von Federn und Federhüllen von Bartgeiern.
Freigelassene Bartgeier werden praktisch immer mit Krallenring, GPS und gebleichten Federn ausgestattet. Außerdem werden ihnen vorher Blut- und Federproben zur DNA-Analyse entnommen. Diese Informationen kann man in freier Natur aber auch durch Federn aus Nestern oder von Futterstellen sammeln. Auch die dünnen Federhüllen, feine Schutzhäutchen, die neue Federn ummanteln und beim Wachsen von alleine abfallen, enthalten DNA. Zwischen 1998 und 2018 konnten insgesamt 2.291 solcher Proben gesammelt werden, 1.101 davon wurden bereits analysiert und 720 Identifizierungen von Individuen waren möglich (65 %).
Anschließend erzählte Orr Spiegel vom Flugverhalten auf der Nahrungssuche von drei Geierarten.
Hierzu wurden in Israel 47 Gänsegeier mit GPS ausgestattet und Ohrengeier sowie Weißrückengeier in Namibia untersucht. Die Gänsegeier in Israel legen häufig weite Strecken in kurzer Zeit zurück, bleiben dann etwas in der fremden Gegend und fliegen schnell wieder zurück. Die Weibchen bewegen sich hierbei deutlich mehr als die Männchen, vermutlich auf Partnersuche?
Bereits in der Kaffeepause hatte ich das Glück Chandra David von den Kalifornischen Kondoren wiederzusehen. Wir hatten uns bereits auf der Bartgeierkonferenz 2017 in Passy in Frankreich kennengelernt - ein weiteres wunderschönes Wiedersehen und der Beweis, wie gut Geier die Menschen vereinen!
Passend zum Wiedersehen gab es heute auch einen Vortrag über Kalifornische Kondore von Dave Meyer.
Er fasste das tolle Comeback der Kondore zusammen, von denen es in den 80er-Jahren nur noch 22 Exemplare weltweit gab. 1987 wurde auch der letzte Kondor eingefangen, um ein Brutprogramm zu starten mit ersten Auswilderungen Anfang der 90er-Jahre. Heute gibt es weltweit wieder gut 500 Kalifornische Kondore, davon knapp die Hälfte in freier Natur.
Zwischenzeitlich waren die Gelege-Verluste sehr stark angestiegen. Zwischen 2001 und 2009 konnten 70 % der Kükenverluste auf Mikroplastik zurückgeführt werden. Insgesamt wurden sogar in 82 % aller Küken Rückstände davon gefunden. Vermutlich halten die Geiereltern den Mikromüll für Knochensplitter und füttern ihr Küken damit. Um die wertvollen Küken besser zu schützen, wurde ein Nestüberwachungsprogramm gestartet. Dabei wurden die Nester entweder mit installierten Kameras oder aus der Ferne überwacht. Die Küken wurden in regelmäßigen Abständen untersucht und in Notfällen wurde sofort eingegriffen. Damit konnte die Kükenüberlebensrate von 12,5 % auf über 50 % verbessert werden.
Anschließend berichtete Enrico Bassi über verschieden Arten ausgewilderte Bartgeier zu beobachten. Auch wir kennen uns bereits seit vielen Jahren von diversen Bartgeieraktivitäten und er ist immer für seine gute Laune bekannt.
Die Krallenringe von Bartgeiern sind meistens sehr schwer zu lesen, da die Geier dicht befiederte Beinchen haben. Daher fokussiert sich Enrico auf unverwechselbare Merkmale im Gefieder, um die einzelnen Individuen auseinander zu halten.
Der letzte Vortrag vor dem Mittagessen kam von Campbell Murn. Er berichtete, wie wichtig es ist Geiergebiete regelmäßig zu begehen, um nach dem Rechten zu schauen und von den Geiern zu lernen. Hierzu wurden 17 Brut-Territorien von Wollkopfgeiern im Kruger National Park begangen.
In der Mittagspause nutzte ich die Gelegenheit mich lange mit der netten Geier-Sketch-Künstlerin zu unterhalten. Eine wirklich sehr, sehr nette und lebensfrohe Person!
Nach dem Mittagessen fanden nun zwei verschiedene Symposien über Geier-Futterstellen und geiersichere Energie-Infrastruktur sowie ein Workshop über Geier-Brutzentren parallel statt. Eine wirklich schwere Entscheidung! Da ich unter anderem durch meine vielen Einsätze bei VulPro bereits einiges über Futterstellen und Brutprogramme weiß, habe ich mich für die Energie-Infrastruktur entschieden.
Moderator war mein Bekannter Alvaro Camina, den ich vor drei Jahren zufällig in Südafrika getroffen hatte und einen Tag auf Safari in den Marakele National Park gefahren bin.
Die übrigens Redner des Symposiums waren Violeta Barrios, José Rafael Garrido, Juan Jiménez, Miguel Mascarenhas und Antón Hernandez Albá.
Aktuell stehen 284 Arten auf der Roten Liste der bedrohten Arten, darunter 227 Tiere, 66 Pflanzen und 1 Pilz. Unter den 227 Tierarten sind 88 Vogelarten vertreten und natürlich viele Geierarten. Durch Windenergie sind insgesamt 108 Tierarten bedroht, 71 % davon Vögel.
Zwischen 2007 und 2018 wurden allein in Andalusien 6.250 tote Vögel untersucht. 54 % starben durch Windparks, 39 % durch Stromschlag und 3 % durch Stromleitungen.
Es folgte eine Auswertung nach Geierarten und Haupttodesursachen:
1.979 tote Gänsegeier (90 % durch Windkraftanlagen, 6 % Stromschlag), 33 tote Mönchsgeier (67 % Gift, 15 % Stromschlag, 15 % Stromleitungen), 20 tote Schmutzgeier (50 Windkraftanlagen, 30 % Gift, 15 % Stromschlag), 5 tote Bartgeier (100 % Gift).
In Spanien sterben jedes Jahr mehr als 33.000 Raubvögel pro Jahr durch Stromschlag, das entspricht 1,02 Vögel pro Strommast pro Jahr.
Pro Kilometer Stromleitungen kollidieren je nach Gegend 5-48 Vögel je Jahr mit einer Stromleitung.
Strommasten zu sichern ist sehr aufwendig, weil natürlich erst der Strom abgeschaltet und alles gesichert werden muss. In 2018 wurden in der Valencia-Region 500 Pole gesichert, in 2019 vermutlich 1000.
In Andalusien wurden seit 2000 ca. 3.500 Stromschläge und 200 Kollisionen verzeichnet. Daher müssen alle neuen Stromleitungen vogelsicher gebaut werden. Alte Stromleitungen müssen nachgerüstet werden, wenn sie sich in einer der Sicherheitszonen befinden. Hilfreich sind vor allem "flapper" in den gefährdeten Gebieten, kleine Fähnchen oder ähnliches, die entlang der Leitung installiert werden, damit Vögel die Leitungen im Flug erkennen können.
Teilweise werden Drohnen in Vogelform eingesetzt, um das Flugverhalten anderer Vögel nahe Windkraftanlagen und Stromleitungen zu untersuchen. Allerdings werden diese Drohnen manchmal von anderen Raubvögeln angegriffen, wenn sie sich im Nahrungs- oder Brutgebiet befindet.
In Portugal gibt es zwei Konfliktzonen, in denen viele Windfarmen angesiedelt sind. Hier werden derzeit Richtlinien zum sicheren Umgang mit der Natur entwickelt.
Wiedersehen mit Alvaro und Bekanntmachung mit Alex von VulPro.
Nach einer weiteren Kaffeepause stand die nächste schwere Entscheidung an: Parallel fanden zwei Symposien zu Futterstellen in Portugal oder Geierbeobachtung im Balkan statt, außerdem eine Diskussionsrunde der IUCN Vulture Specialist Group sowie eine Geierkunstpräsentation. Ich entschied mich für die Diskussionsrunder der IUCN Vulture Specialist Group (VSG), die von André Botha, Chris Bowden und Campbell Murn durchgeführt wurde.
Aktuell hat die VSG weltweit 105 Mitglieder und ich wäre natürlich sehr gerne eines davon. Vor allem, da ich seit Jahren begeistert die "Vulture News" lese, das einzige Geiermagazin weltweit. In einer Ausgabe hatte einst Peter Mundy persönlich eine Buchempfehlung zu unserem Geierkinderbuch veröffentlicht.
Nachdem die VSG vorgestellt wurde, wurde gemeinsam diskutiert, was von den Mitgliedern erwartet wird, aber auch was Mitglieder von der VSG erwarten dürfen.
Nach dem Ende des heutigen Konferenztages hatten wir gerade noch Zeit kurz an den Strand zu gehen, bevor wir uns für das große Conference Dinner fertig machen mussten. Mehr dazu aber in einem anderen Artikel.
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