Freitag, 4. Oktober 2019

4.Tag der European Vulture Conference - Exkursion

Am vierten Tag der European Vulture Conference fanden Exkursionen in die schöne Natur Portugals statt. Ursprünglich wurden zwei Exkursionen an die Küste angeboten (südwestlichster Zipfel Portugals und Küstensumpfland nahe Faro), eine in die Steppe (mit Gänsegeiern) und eine sehr lange Exkursion zu den Mönchsgeiern. Aufgrund der geringen Voranmeldungen wurde allerdings die Exkursion zum Küstensumpfland nahe Faro gestrichen. Auch wenn sich die Steppen-Exkursion toll anhörte und viele meiner Bekannten dort angemeldet waren, hatte ich mich für die weite Fahrt zu den Mönchsgeiern entschieden, da ich diese tollen Geier bisher nur zweimal aus weiter Ferne in freier Natur gesehen hatte.
Für meine Gruppe ging es um 7 Uhr morgens los und erst nach 3 Stunden Richtung Nord-Osten erreichten wir das Jagdgebiet Contenda an der spanischen Grenze. Dort wurden wir in 3er-Gruppen auf eine ganze Reihe Geländefahrzeuge aufgeteilt und über das savannenähnliche Gebiet gefahren.
Erster Stopp war in einem Vorführraum, wo uns ein Video über Contenda gezeigt wurde und wir alle Verantwortlichen kennenlernten.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Gegend viel Geld für die Wiederaufforstung bekommen. Allein auf 3000 Hektar wurden Pinien gepflanzt und auf 1000 Hektar weiteres Gehölz. Die Verantwortlichen bemühen sich Forstwirtschaft, Naturschutz und Jagd als Einnahmequelle in Einklang zu bringen.
Mönchsgeier waren hier lange Zeit verschwunden und Gänsegeier brüten nur in den Bergen jenseits der Grenze in Spanien. Vor einigen Jahren wurden ein paar künstliche Nester für Mönchsgeier sowie Futterstellen für wilde Geier angelegt. Mit Erfolg, denn bereits 2010 wurden dadurch die ersten Mönchsgeier angelockt. 2015 gelang den Mönchsgeiern die erste erfolgreiche Brut. Seitdem brüten die Mönchsgeier jedes Jahr und aktuell gibt es 10 Brutpaare. Acht Paare brüten in künstlichen Nestern, zwei sogar in eigenen. Von den sechs Gelegen in 2019 wurden vier gesunde Küken flügge.
Als wir endlich auf Geierpirsch gingen, entdeckten wir schon bald den ersten Mönchsgeier am Himmel kreisen.
Leider war es sehr bewölkt und diesig, was man an der Qualität der Bilder leider erkennen kann. Aber Hauptsache wir haben überhaupt Geier kreisen sehen!
In der Ferne kreiste ein ganzer Schwarm Gänsegeier auf Futtersuche. Später sahen wir sogar einen Schwarm mit gut 40 Geiern, aber viel zu weit weg für Fotos.
Geier-Paparazzi.
In einem Baum in der Ferne entdeckten wir zwei Mönchsgeier und einen Gänsegeier beim Rasten.
Sie beobachteten sicherlich die Futterstelle, an der heute früh extra viel Aas ausgelegt wurde. Immer, wenn Aas anfällt (ob bei der Jagd oder auf natürlich Weise), werden die Verantwortlichen informiert, sammeln das Aas ein und bringen es zu einer der 10 Futterstellen.
Mönchsgeier im Überflug.
Gänsegeier.
Nach einer Weile entdeckten wir einen Gänsegeier an der Futterstelle, der schnell durch elendiges Humpeln auffiel. Mit letzter Kraft schleppte er sich über den Boden, wobei seine Flügel mehr zum Laufen dienten als seine Beine. Er ließ sich zwischen zwei Aasbrocken ins Gras fallen und wirkte sehr geschwächt. Am liebsten wäre ich sofort hingefahren, um nach dem Rechten zu schauen. Ich verstehe nicht, warum Dutzende Geierschützer vereint sind und dann der Zeitplan der Besichtigungstour und das Mittagessen offenbar wichtiger waren als der Geier :-( Ich hatte direkt angeboten auf den Rest zu verzichten, wenn wir nur sofort zum Geier fahren und im helfen. Aber das wurde aus verschiedenen Gründen auf später verschoben. Der Geier war heute früh bei der Aasablage noch nicht dort gewesen, so dass die Besorgnis offenbar nicht allzu groß war.
Mit Kloß im Hals ging es also weiter zu einem Mönchsgeiernest, das von dem Brutpaar selber gebaut worden war (der helle Fleck in der Mitte des Bildes unterhalb des grünen Baumes). Im Nest saßen ein Altvogel und ein Jungvogel. Leider waren auch diese Geier nur aus weiter Ferne zu beobachten.
Nächster Stopp war ein künstlich angelegtes Mönchsgeiernest, das derzeit nicht von den Geiern genutzt wurde.
Hin und wieder kreisten noch ein paar Gänsegeier oder andere Greifvögel am Himmel, aber in Gedanken war ich nur bei dem armen, verletzten Gänsegeier.
Das Mittagessen gabs etwas verspätet und es blieb wieder viel Zeit am letzten Tag noch ein paar unbekannte Gesichter kennen zu lernen. Auch wenn wir tatsächlich Mönchsgeier in freier Natur gesehen haben, so hätte ich gedacht, dass wir näher herankommen, zumindest an die Futterstelle. Die Landschaft war ganz nett und erinnerte mich an die Südafrikanische Savanne. Allerdings tauchten hier nicht Giraffen und Zebras auf, sondern nur etwas Rotwild und Nutztiere und ein vermeintliches Warzenschwein entpuppte sich als Fuchs. Insgesamt hätte ich einfach mit mehr Bewegung gerechnet und nicht, dass wir nach der langen Busfahrt auch noch die ganze Zeit mit den Geländewagen umherfahren.
Erst um kurz vor 20 Uhr kamen wir zurück ins Hotel und erhielten direkt die Info, dass der Gänsegeier eingesammelt und in eine Auffangstation nahe Albufeira gebracht wird. Da hätten wir ihn auch direkt mitnehmen können! Mittlerweile bekamen wir alle eine ausführliche E-Mail aus Contenda mit Details zur Geierrettung. Beide Beine waren verletzt, so dass der Geier nicht mehr abheben konnte und leicht einzufangen war. Die Untersuchung in der Auffangstation ergab, dass der Geier vermutlich bereits vor einer Woche einen Stromschlag erlitten hat, indem der Strom in ein Bein ging und am anderen wieder austrat. In einem Bein waren sämtliche Nerven zerstört und auch das andere Bein wäre nicht mehr zu retten gewesen. Beide Beine hätten amputiert werden müssen, was natürlich keinen Sinn macht. Daher musste leider die Entscheidung getroffen werden das arme Tier sofort zu erlösen und einzuschläfern. Hätte sich der Pechvogel nicht noch zu der Futterstelle geschleppt, so hätte niemand bemerkt, dass die Stromleitungen und geierschädlichen Strommasten ein weiteres Todesopfer gefordert haben. Wer weiß, wie viele arme Geier dieses schreckliche Schicksal erleiden müssen, ohne dass jemand davon Notiz nimmt.
Nach der Exkursion standen große Abschiede vor der Tür, da viele Teilnehmer nicht im Konferenzhotel übernachten und abends in ihre eigenen Hotels gehen wollten. Andere würde ich zwar abends nicht mehr sehen, aber Samstagmorgen im gleichen Transfer nach Lissabon. Abschiede von Geierfreunden sind einfach traurig und hinterlassen eine gewisse Leere, weil ich nie weiß, ob sich unsere Wege irgendwo nochmal kreuzen. Aber mit einer tollen Gruppe aus gut 20 Leuten ging es gemeinsam in ein Restaurant, wo wir auf einer schönen Terrasse den letzten gemeinsamen Abend ausklingen lassen konnten.

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