Donnerstag, 25. März 2021

Geier-Webinar: Afrikanische Geier-Krise

Heute fand ein Geier-Webinar statt, bei dem André Botha zur Afrikanischen Geier-Krise referiert:

Er begann seinen Vortrag mit einem erschreckenden Video, das bereits auf der European Vulture Conference der Vulture Conservation Foundation (VCF) 2019 in Portugal vorgestellt wurde. Dort wird der dramatische Rückgang der afrikanischen Geierarten sehr anschaulich dargestellt. Von 11 Geierarten, die in Afrika leben, sind 7 akut vom Aussterben bedroht. 6 Geierarten kommen weltweit nur in Afrika vor.

Geier fliegen legen täglich große Distanzen zurück, teilweise über viele Länder, wo sie durch ihre spezielle Ernährung massenhaft Kadaver und Müll entsorgen und somit die Ausbreitung von Krankheiten verhindern. Verschwinden Geier aus einer Gegend, so breiten sich dort andere Raubtiere wie streunende Hunde aus, die teilweise Nutztiere angreifen und Krankheiten auf den Menschen übertragen können.

Altweltgeier sind mittlerweile eine der am meisten bedrohten Vogelarten weltweit. In wenigen Jahren wurde ein erschreckender Rückgang der Population über riesige Gebiete, Länder und sogar Kontinente verzeichnet mit dem Ergebnis, dass Kappengeier, Weißrückengeier, Wollkopfgeier und Sperbergeier kritisch vom Aussterben bedroht sind, Kapgeier, Schmutzgeier und Ohrengeier sind stark bedroht und Bartgeier und Mönchsgeier gefährdet (wobei der Bartgeier in einigen Regionen als kritisch vom Aussterben bedroht gilt). Deutlich besser geht es Palmgeiern und Gänsegeiern.

Schuld für den Rückgang der Geier aus großen Teilen Afrikas sind folgende Bedrohungen: 61 % Vergiftung, 29 % Verfolgung, 9 % Elektrische Infrastruktur, 1 % Sonstiges (allerdings erfolgen viele Fälle von „Verfolgung“ zwecks Handel mit Geierkörperteilen auch mit Gift).

Bei den Vergiftungsvorfällen wird in 3 Kategorien unterschieden:

Versehentliche Vergiftung: Im Konflikt zwischen Raubtieren und Nutztieren wollen Farmer ihre Nutztiere schützen und legen Giftköder aus. Leider sterben dadurch neben den Raubtieren auch viele Geier. Es gab z.B. einen Fall, bei dem in Namibia 3 Löwen über 50 Schafe und Ziegen in einem Gehege getötet haben. Die Farmer hatten nicht viel Geld, also war es für sie ein riesiger Verlust. In einem ähnlichen Beispiel haben Elefanten ein großes Feld zerstört und die gesamte Ernte ruiniert. Hier muss man Verständnis haben, wenn sie die Raubtiere/Schädlinge töten wollen und dabei erstmal nicht an Geier denken. 

Bewusstes Vergiften: Die erfolgt oft durch Elfenbeinjäger, die bewusst Geier ausrotten wollen, um nach erfolgreichem Beutezug genug Zeit zu haben das Elfenbein vom Kadaver zu schneiden. Seit Corona werden auch häufig Tiere des Fleisches wegen getötet, weil die Menschen hungern. Auch hier waren Geier oft „im Weg“ und wurden getötet. Allein in den letzten Jahren waren über 3.000 Geier betroffen, dabei u.a. 2019 in Botswana über 500 Geier (6 unterschiedliche Arten) in einem Event.


Traditionelle Nutzung: Der illegale Verkauf von Geierkörperteilen, um in die Zukunft schauen zu können (z.B. Sportveranstaltungen, Lotterie), boomt vor allem in weiten Teilen Westafrikas (Nigeria). Sehr häufig werden die Geier-Köpfe verkauft, um z.B. getrocknetes Geierhirn zu rauchen. Um die steigende Nachfrage zu decken, werden immer mehr Geier getötet, meist durch Gift. Gespräche mit Händlern zeigen, dass ihnen nicht bewusst ist, wie gefährlich es ist vergiftete Geier(körperteile) zu verkaufen und dann zu konsumieren – abgesehen davon, dass dies illegal ist. In Guinea-Bissau wurden zwischen Februar und März 2020 über 2.000 Kappengeier getötet. Trauriger Hintergrund: Der Besitz eines Geierkopfes schützt angeblich vor Schicksalsschlägen (wie Covid), so dass zu Beginn der Pandemie in kurzer Zeit zahllose Geier getötet wurden. Erst vor zwei Wochen gab es einen weiteren Vorfall dort mit über 50 getöteten Geiern.

 

Eine weitere Bedrohung ist die elektrische Infrastruktur: Durch Stromschlag und Kollisionen mit Stromleitungen oder Windkraftanlagen sterben viele Geier und andere große Vögel. Leider werden noch immer viele Gebiete in Afrika nicht genau untersucht und Verluste nicht dokumentiert. Ein Problem ist, dass Erneuerbare Energien fortschreiten und immer mehr Windkraftanlagen gebaut werden, dabei aber selten beachtet wird, welche Gegenden wichtig für Vögel und deren Migration ist.

2017 wurde der Multi-species Action Plan to Conserve African-Eurasian Vultures (Vulture MsAP) verabschiedet, um das große Geiersterben zu stoppen. Hierbei wurden mit Fokus auf Afrika, Europa und Asien insgesamt 12 Bedrohungen mit definierten Maßnahmen zu den deren Bekämpfung definiert, Stakeholder-Analysen durchgeführt, ein 12-Jahres-Plan erstellt und die kritischen Maßnahmen hoch priorisiert. 

 
 

Zum Gelingen den Projektes ist es am Wichtigsten, dass jedes Land seinen eigenen nationalen Plan einführt, um sich am Schutz der Geier zu beteiligen. Viele finden zwar die Idee gut, aber wenn es um die Handlung geht, müssen Finanzen, Personal etc. bereitgestellt werden, was viele Länder dann nicht umsetzen wollen. Einen abgestimmten, nationalen Vulture Action Plan gibt es bereits in Simbabwe. In Südafrika, Botswana, Kenia, Sambia, Nigeria, Ghana und Cabo Verde liegen ähnliche Pläne im Entwurf vor.


Es wurde eine Landkarte aller Bedrohungen und kritischen Gegenden in Afrika erstellt. Außerdem gibt es ein Trainingsprogramm für Wildlife Poisoning, bei dem seit 2017 fast 2.800 Personen in 13 afrikanischen Ländern geschult wurden. Außerdem gibt es ein Handbuch für Wildlife Poisoning mit entsprechendem Protokoll. Bei der Umsetzung der ambitionierten Pläne ist die Zusammenarbeit mit vielen Partnern und Organisationen sehr wichtig. So wurde die Zusammenarbeit mit der VCF intensiviert und ein enger Austausch geführt. Außerdem wurde zur Sicherung der elektrischen Infrastruktur die Zusammenarbeit zwischen dem Endangered Wildlife Trust (EWT) und ESKOM, dem größten Stromanbieter Afrikas, verstärkt.

Um die lokale Bevölkerung zu involvieren, wird viel Aufklärungsarbeit geleistet, z.B. in Mozambique, Sambia, Malawi, Uganda und Angola. Der International Vulture Awareness Day wurde 2020 von 55 Länder gefeiert – ein super Zeichen, dass der Geierschutz weltweit als wichtig erachtet wird. Sehr aktiv sind auch Botswana, Namibia, Kenia, Tansania und weitere. Da Geier riesige Gegenden überfliegen und keine Grenzen kennen, ist eine länderübergreifende Zusammenarbeit wichtiger denn je.


Es gibt aber auch gute Nachrichten im Geierschutz zu verzeichnen:

Im gestrigen Sperbergeier-Symposium wurde darauf hingewiesen, dass der Sperbergeier südlich der Sahara die am häufigsten beobachtete Geierart ist und sich langsam Richtung Europa ausbreitet. Die Kapgeier-Brutpaare in der Blouberg Kolonie in Südafrika verzeichnen einen deutlichen Anstieg von 800 Paaren in 2006, über nur noch 500 Paare in 2009 bis wieder hin zu 1.500 Paare in 2018.


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