Nach einer kurzen Pause wurde das internationale Online-Symposium zum Sperbergeier im Mittelmeerraum fortgesetzt.
Rachid El Khamlichi berichtete über den Sperbergeier in Marokko. Zuerst wurde im Süden Marokkos im Jahr 2002 ein Sperbergeier entdeckt und bis 2020 stieg die Anzahl der Sichtungen auf 55. Die Geier kamen vorwiegend aus dem Senegal und aus Mali. Einige wurden mit GPS-Sender ausgestattet, so dass beobachtet werden konnte, wie sie die Straße von Gibraltar queren wollten. Allerdings drehten sie ab und flogen zurück in die Sub-Sahara. Dabei nahmen 3 Geier mit GPS jeweils unterschiedliche Routen durch Marokko. Mittlerweile sind 26 Geier besendert.
Eine Folie zeigt die Verluste von Sperbergeiern aufgeschlüsselt nach Ländern. Die größten Bedrohungen sind Schwächungen, Stromschlag aber auch weitere, bisher nicht identifizierte Gründe. Leider erfolgte die synchrone Übersetzung aus dem Französischen ins Englischen nur sehr schleppend, so dass ich einen Großteil des Vortrages nicht verstehen konnte.
Der Status des Sperbergeiers in Algerien wurde von Haféda Benmammar Hasnaoui vorgestellt. Offiziell gibt es in Algerien 5 Geierarten: Mönchsgeier, Gänsegeier, Ohrengeier, Schmutzgeier und Bartgeier. Der Sperbergeier zählt nicht dazu, da er in Algerien als ausgestorben gilt. Somit steht er auch nicht auf der Liste der geschützten Tierarten des Landes. Obwohl Algerien das größte Land des afrikanischen Kontinents mit vielen Nachbarländern ist, gibt es dort kaum Sichtungen von Sperbergeiern.
Zwischen 2002 und 2004 wurde allerdings Brutverhalten beobachtet. Außerdem wurden 2 verletzte bzw. geschwächte Geier in eine Auffangstation gebracht und dort als Sperbergeier identifiziert. In Anlehnung an die Schmutzgeierprojekte LIFE Egyptian Vulture bzw. Egyptian Vulture New LIFE ist eine nationale Initiative zum Schutz von Geiern geplant. Leider war auch bei dieser Präsentation die Technik und die Sprachbarriere ein klein wenig problematisch.
Der Status des Sperbergeiers in Algerien wurde ergänzt durch Informationen von Amina Fellous-Djardini und Lahouari Djardini. Der erste der beiden geretteten Sperbergeier wurde im November 2006 in einer Bergregion zwischen Marokko und Tunesien eingesammelt, wo es keine Wälder gibt. Der zweite Sperbergeier wurde in der Zentral-Sahara in einer offenen Landschaft gefunden, wo er im Wasserloch einer Farm fast ertrunken wäre. In Gefangenschaft wurde in Kreuzung mit einem Gänsegeier ein Ei gelegt, aus dem allerdings kein Küken schlüpfte.
Im Westen des Landes gibt es zwei Flugwege durch die Sahara-Region, eine weitere Flugroute im Osten. Vor allem im Norden entlang der Küste steigen mittlerweile die Sichtungen von Sperbergeiern. Zu Vergiftungen und Stromschlägen kommt es eher selten. Es könnte ebenfalls zu illegalem Verkauf auf lokalen Märkten kommen.
Alejandro Onrubia befasste sich in seinem Vortrag mit der Fragestellung, ob Gänsegeier die Vertretung für Sperbergeier im Norden Afrikas sowie im Süden Spaniens sind – Infos von der Straße von Gibraltar. Während Sperbergeier kritisch vom Aussterben bedroht sind und in Afrika ein sehr starker Rückgang zu verzeichnen ist, geht es der Gänsegeier-Population im Süden Europas besser denn je.
Nachdem es bis in die 1970er-Jahre keine Sichtungen von Sperbergeiern gab, wurden sie anschließend häufiger. Seit 1999 gibt es Sichtungen von Brutversuchen, allerdings nicht von Sperbergeiern untereinander, sondern immer in Kreuzung mit Gänsegeiern. Über 85 % de gesichteten Sperbergeier sind Junggeier oder fast-erwachsene. Europäische Gänsegeier gehen in ihrer Jugend auf Reisen und fliegen über die Iberische Halbinsel bis nach Nordafrika. Scheinbar schließen sich auf ihrem Rückweg immer häufiger Sperbergeier an und kommen dadurch von der Sub-Sahara immer weiter nach Norden. Viele Gänsegeier sind mit GPS besendert, so dass viele Flugrouten zwischen Europa und der Sahel-Zone bekannt sind.
Da Gänsegeier und Sperbergeier sehr gesellig sind, tauchen sie oft in großer Zahl gemeinsam auf. Jährlich überfliegen etwa 20-90 Sperbergeier die Straße von Gibraltar, wobei der Durchschnitt im letzten Jahrzehnt auf ca. 77 pro Jahr gestiegen ist, davor nur ca. 47. Im Vergleich hierzu werden an der Straße von Gibraltar jährlich 6.000-12.000 Gänsegeier beobachtet.
80 % der Sperbergeier fliegen im Frühling über Gibraltar (Ende März bis Anfang Juni), im Herbst 80 % zwischen Ende August und Anfang Oktober). Der jährliche Anstieg von migrierenden Sperbergeiern beträgt ca. 22 %.
Offenbar wurden sogar bereits Weißrückengeier an der Straße von Gibraltar gesichtet. Der Austausch der Geier ist rege: Es kommen immer mehr Sperbergeier nach Spanien, während immer mehr Gänsegeier in der Sahel-Zone gesichtet werden. Ein wirklich spannender Vortrag!
Auch José Tavares von der Vulture Conservation Foundation (VCF) referierte beim Sperbergeier-Symposium über den Geierschutz im Mittelmeerraum. Nach einer kurzen Vorstellung der bedrohten Altweltgeier-Arten betonte er, dass die meisten Geierarten in Europa aufgrund der guten Geierschutzmaßnahmen wieder zunehmen.
In West-Europa ist sogar ein enormer Zuwachs zu verzeichnen, während er in Ost-Europa noch eher schleppend ist. Die Schmutzgeier-Population im Balkan nimmt allerdings weiterhin ab. Mit Hilfe einer großen europäischen Datenbank werden die Bedrohungen ausgewertet. Nummer 1 ist dabei ganz klar Gift – gefolgt von Stromschlag/Kollisionen und Futtermangel.
In Sachen Aufklärung von Wildtier-Kriminalfällen ist Andalusien weltweiter Vorreiter. Daher erfolgt nun mit dem Projekt BalkanDetox LIFE ein Roll-Out der spanischen Erfolge in den Balkan.
Hierzu zählt u.a. das Sichern von Stromleitungen, eine bessere Planung von Windkraftanlagen und das Einrichten von Futterstellen für wilde Geier. In Spanien gibt es bereits fast 200, während Futterstellen z.B. in Portugal nicht erlaubt sind. Zu schade, dass die Zeit des Symposiums bereits sehr fortgeschritten war, so dass José seinen spannenden Vortrag leider sehr abkürzen musste. Wie immer hätte ich ihm noch Stunden zuhören können!
Der letzte Vortrag kam von José Rafael Garrido López zur Fragestellung, ob der Mittelmeerraum Vorreiter im weltweiten Sperbergeier-Schutz ist. Nach dem heutigen Symposium wurde ja deutlich, dass sich die Sperbergeier immer weiter nach Marokko, evtl. Algerien und sogar auf die Iberische Halbinsel ausbreiten. Dies scheint eine Folge der anhaltenden Ausbreitung der Sahara und somit des Verschwindens des Lebensraumes der Geier zu sein.
Im Moment gibt es zum Verhalten der Sperbergeier mehr Fragen als Antworten und es ist wichtig, dass länderübergreifend an ihrem Schutz gearbeitet wird.
So wurde der Sperbergeier bereits in das Schutzprogramm in Andalusien aufgenommen und eine Fachgruppe für den Schutz der Sperbergeiers im Mittelmeerraum gegründet. Außerdem sollen Beobachtungen und Dokumentationen des tatsächlichen Brutverhaltens intensiviert werden. Auch die Generierung eines Aktionsplanes für Andalusien, Marokko und Algerien ist derzeit im Gespräch.
Bei der abschließenden Fragerunde kam heraus, dass sogar Peter Mundy aus Simbabwe zugeschaltet war – einer der größten Geierforscher überhaupt! Er wollte wissen, wann Diclofenac endlich in Europa verboten wird. José Tavares versicherte, dass die VCF seit Jahren für ein Verbot in Europa kämpft. Allerdings müssen Beweise vorliegen, dass tatsächlich Geier durch Diclofenac gefährdet sind, was in Europa bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Im Gegensatz zu Asien scheint in Europa Diclofenac noch nicht in der Nahrungskette von Geiern angekommen zu sein, aber die Untersuchungen werden unermüdlich fortgesetzt.
Ich bin wirklich begeistert, wie viele Informationen in die kurze Zeit gepackt wurden. Von mir aus hätte es noch ein paar Tage so weitergehen können! Natürlich ätzt es mich an, dass Corona seit über einem Jahr meine ganzen Geier-Aktivitäten und Reisepläne zunichtemacht. Um in dem ganzen Ärger aber zumindest etwas Positives zu finden, möchte ich mich ganz herzlich dafür bedanken, dass jetzt weltweit immer mal wieder online Geiervorträge und Konferenzen angeboten werden, an denen Interessierte problemlos teilnehmen können!!! Gerne mehr davon!!!
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