Auch heute Nachmittag gab es ein spannendes Geier-Webinar aus Südafrika, an dem ich teilnehmen konnte. Diesmal wurde es vorgetragen von Danielle du Toit vom Endangered Wildlife Trust (EWT).
Sie stellte das Karoo Vulture Safe Zone Project vor, in dem es darum geht ein großes Schutzgebiet für den vom Aussterben bedrohten Kapgeier in Great Karoo zu erschließen. Der Kapgeier taucht seit 2015 auf der IUCN Liste der bedrohten Tierarten auf und es sind schätzungsweise nur noch 8.000 Exemplare übrig. Seit den 90er-Jahren wurde ein Verlust von gut 70 % verzeichnet. Das Schutzgebiet soll sich über weite Teile von Karoo, Camdeboo, Mountain Zebra National Park und Mountain Zebra Camdeboo Protected Environment erstrecken. Dieses 23.000 km2 große Gebiet ist zu über 90 % in Privatbesitz von 400 Landbesitzern und Farmern und beinhaltet eine historische Kapgeier-Kolonie. Da die Bevölkerungsdichte und die Bebauung dort sehr gering sind, eignet sich diese Gegend sehr gut als Schutzgebiet.
(c) Danielle du Toit |
Abgeleitet wurde das Vorhaben übrigens aus dem Multi-species Action Plan to Conserve African-Eurasian Vultures (Vulture MsAP), einem Meisterwerk des Geierschutzes, erstellt durch CMS Raptors MOU, EWT, die Vulture Conservation Foundation (VCF), die IUCN Vulture Specialist Group und BirdLife International.
Ziele des Karoo Vulture Safe Zone Projektes sind die Vermeidung von Gifteinsatz und bleihaltiger Munition, die geiersichere Gestaltung landwirtschaftlicher und elektrischer Infrastruktur (Wassertanks, Stromleitungen, Strommasten, Windkraftanlagen, etc.), Bereitstellung von ausreichend Futter sowie Schutz der Brutplätze und genaue Dokumentation und Analyse aller Verluste. Wo genau die Gefahren für Geier liegen und welche konkreten Maßnahmen umgesetzt werden sollen, wurde im Folgenden vorgestellt.
Sicherung von Stromleitungen: Aktuell gibt es noch sehr viele Verluste durch ungesicherte Strommasten und Kollisionen mit Stromleitungen. Findet ein Farmer einen verletzten Geier, so soll er direkt die Geierschützer informieren. Diese setzen sich mit ESKOM (Südafrika größtem Stromversorger) in Kontakt und schauen sich die Unglücksstelle an. Gemeinsam wird dann beschlossen, wie die Infrastruktur gesichert werden kann. Um Kollisionen mit für Geier im Flug unsichtbaren Stromleitungen zu vermeiden, können so genannte „Flapper“ in regelmäßigen Abständen an der Stromleitung befestigt werden, ähnlich wie kugelförmige oder ähnliche Markierungen an Stromleitungen nahe Flugplätzen. Wenn Geier auf Strommasten landen, kann es leicht passieren, dass sie zwei Stromleitungen gleichzeitig berühren und durch elektrischen Schlag sterben. Hier können zum Beispiel die Stromleitungen nahe der Masten mit einem Isolierrohr ummantelt werden, so dass die Geier die Stromleitungen nicht mehr berühren können. Irritierend war nur die Aussage, dass Geier häufig auf den Strommasten sitzen, um auf Beutetiere zu lauern. Das ist natürlich Quatsch, da Geier keine Beutejäger sind, sondern sich von Aas ernähren. Sie landen auf den Strommasten, da dies häufig die höchsten Erhebungen der Umgebung sind und einen guten Platz zum Rasten bieten. Auch finde ich sehr schade, dass im Rahmen des Projektes weiterhin nur die reaktive Sicherung der Stromleitungen-/masten erfolgt und nicht die proaktive. Natürlich kostet eine Sicherung der Infrastruktur Zeit und Geld, aber mittlerweile sind durch viel zu viele Vorfälle die Schwachstellen klar identifiziert und Umbaumaßnahmen etabliert. Warum möchte man also trotz sämtlicher vorhandenen Erkenntnisse darauf warten, dass weitere Geier sterben, um erst dann einzuschreiten???
Sicherung von Wasserstellen: In landwirtschaftlich genutzten Gebieten gibt es häufig große, offene Wasserbecken und -tanks, aus denen unter anderem das Trinkwasser für das Nutzvieh abgeleitet wird. Viele Tiere nutzen diese Wasserbecken ebenfalls, um sich zu stärken. Leider kommt es dabei nicht selten vor, dass Geier und andere Tiere darin ertrinken, weil sich ihre Federn voll Wasser saugen und sie nicht mehr aus dem Becken herausklettern können. Eine einfache Möglichkeit ist die Wasserbecken mit schrägen Baumstämmen oder Leitern auszustatten, damit Tiere eine Chance haben herauszuklettern, wenn sie es aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Die Becken könnten auch mit Netzen abgedeckt werden. Leider wurde hierbei nicht darauf hingewiesen, dass auch dadurch unter Umständen Gefahren für Tiere entstehen, wenn die Netze aus schlechter Qualität sind und sich Tiere darin verheddern.
Vermeidung von Vergiftungen: Im Grunde gibt es drei Hauptmotive, weshalb Geier vergiftet werden: Die bewusste Vergiftung durch Elfenbeinjäger, die gezielt Geier ausrotten wollen, damit diese durch ihren kreisenden Flug über einem Kadaver Parkranger nicht auf das Verbrechen aufmerksam machen. Die bewusste Vergiftung, um Geierkörperteile für die Anwendung in der traditionellen Medizin (Muthi) zu verkaufen. Und die unbewusste Vergiftung, wenn Giftköder gegen Raubtiere ausgelegt werden, um Nutzvieh zu schützen. Dabei ist vielen Farmern entweder nicht klar, welche Auswirkungen diese Giftköder auch auf andere Tiere wie Geier haben können oder es interessiert sie einfach nicht. Hier sind ausgiebige Aufklärungskampagnen und enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung gefragt.
Vermeidung von Bleivergiftung: Viele Geier sterben an Bleivergiftung, nachdem sie von bleihaltiger Munition getroffen wurden oder nach dem Verzehr von Munitionsrückständen in Kadavern. Auch kann es passieren, dass Farmer kranke Nutztiere erschießen und dann gut gemeint die Kadaver für die Geier auslegen, aber leider vergessen die Kugel(n) zu entfernen. Auch hier gilt es die Menschen zu sensibilisieren. Warum verzichtet der Mensch auf bleihaltige Gebrauchsgegenstände, Farben, etc., kontrolliert ganz bewusst, dass kein Blei in seinem Essen ist, aber bei Geiern ist es ihm egal!?
Sicherung von Windkraftanlagen: Um dem Klimawandel entgegen zu wirken, wird viel auf Erneuerbare Energien wie Windenergie gesetzt. Leider bergen Windkraftanlagen große Gefahren für Vögel und Fledermäuse. Windfarmen sollten daher nicht in Schutzgebieten und entlang von Migrationsrouten gebaut werden. Zudem haben Erfahrungen in Europa gezeigt, dass viele Kollisionen vermieden werden können, wenn ein Rotor schwarz angestrichen wird. Im Rahmen des Projektes werden High Risk Gebiete identifiziert, in dem keine Windfarmen gebaut werden dürfen. Bei der Ausführung hat mich allerdings sehr irritiert, dass im Schnitt nur zwei Vögel (allgemein, nicht nur auf Geier bezogen) pro Windkraftanlage pro Jahr getötet werden. Da kenne ich ganz andere Zahlen. Auch schien mir die Aussage, dass Windfarmen abgebaut werden müssen, wenn sie in einer später identifizierten High Risk Zone stehen, sehr unrealistisch. Bisher kenne ich nur Fälle, wo der Bau einer neuen Windfarm durch Proteste von Naturschützern und negativ ausfallende Umweltverträglichkeitsstudien verhindert werden konnte. Ein Rückbau der Natur zuliebe wäre toll, aber würde mich doch sehr wundern!
Nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAID): Wie das Geiermassensterben in Asien gezeigt hat, sind NSAID extrem tödlich für Geier. Um die Geier zu schützen und spätere Kadaver nicht zu kontaminieren, sollte nur noch der geiersichere Wirkstoff Meloxicam in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Lässt sich dieser Einsatz nicht vermeiden, so sollen Farmer die Kadaver später behandeln, als wären sie vergiftet worden, und sie fachgerecht entsorgen. Hier wurde die freudige Aussage getroffen, dass Diclofenac mittlerweile in Südafrika verboten wurde. Jetzt war ich ja bereits das ein oder andere Mal in Südafrika und eine Rückmeldung hat meine Vermutung bestätigt, dass Diclofenac in Südafrika bisher eigentlich gar nicht eingesetzt wurde!?
Stand heute sind bereits 21 % der Karoo Vulture Safe Zone geiersicher.
Für Geierneulinge war der Vortrag mit Sicherheit eine gute Zusammenfassung über Bedrohungen und Gegenmaßnahmen sowie den Aufbau eines neuen, großen Schutzgebietes. Aber leider waren einige Aussagen sehr pauschal und teilweise einfach nicht korrekt. Während des Vortrages wurden vorwiegend Fotos mit wenig Beschreibung gezeigt. Zu jeder der oben genannten Bedrohungen für Geier wurden auch Statistiken genannt, wie viele Todesopfer auf die Bedrohungen zurückzuführen sind. Vor allem in Anbetracht des sehr schnellen Redetempos fand ich es sehr schade, dass diese Zahlen und Kernaussagen nicht auf den Folien auftauchten, um sie zu verinnerlichen – zumal mir einige davon absolut nicht realistisch erschienen und ich sie gerne weiter recherchiert hätte. Auch anderen Zuhörern waren Unstimmigkeiten aufgefallen, so dass in der Fragerunde anschließend einige Dinge direkt angesprochen wurden.
Insgesamt finde ich es aber sehr gut, dass es öffentliche Webinare zu Geiern gibt, die einem die Möglichkeit geben neue Geierschützer und -projekte kennen zu lernen und Fragen zu stellen. Für neue Infos, Zahlen, Daten und Fakten bin ich immer dankbar!
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