Mittwoch, 24. März 2021

Internationales Symposium zum Sperbergeier im Mittelmeerraum – Session I

Heute fand ein ganz besonderes Highlight statt: Ein internationales Online-Symposium zum Sperbergeier im Mittelmeerraum! 

Den hübsch gescheckten Sperbergeier kenne ich bisher nur aus Zoos und konnte auch noch in keinem meiner vielen Geiereinsätze mit ihm arbeiten. Daher hat es mich umso mehr gefreut die Gelegenheit zu bekommen, an diesem Symposium teilzunehmen und mehr über diese Geierart zu erfahren. Außerdem war es die perfekte Möglichkeit zumindest wieder einigen Geierexperten und Freunden lauschen zu können, wenn schon eigene Geiereinsätze noch immer auf unbestimmte Zeit unmöglich erscheinen.

Hintergrund des Symposiums ist die Betrachtung der Auswirkung des Klimawandels auf Tierarten wie den Sperbergeier. Wissenschaftliche Untersuchungen haben nämlich bewiesen, dass vor allem auf der Nordhalbkugel eine Verschiebung der Verbreitungsgebiete südlicher Arten Richtung Norden erfolgt. Dies stellt nicht nur die Tierarten, sondern auch die Artenschützer vor neue Herausforderungen. Auch der Sperbergeier, eigentlich eine afrikanische Geierart, wird seit Jahren immer häufiger auch in Europa, im Mittelmeerraum, beobachtet.

Das 3,5 stündige Symposium wurde organisiert durch das IUCN Centre for Mediterranean Cooperation mit Unterstützung durch die MAVA Foundation und die regionale Regierung von Andalusien (Junta de Andalucía).

Als erstes stellte André Botha den globalen Status des Sperbergeiers vor. Leider wird er mittlerweile auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten als weltweit kritisch vom Aussterben bedroht gelistet. 

Gab es 1992 laut Peter Mundy noch gut 22.000 erwachsene Individuen, so haben die Sperbergeier in den letzten 30 Jahren einen dramatischen Rückgang um gut 97 % erlitten, vorwiegend in Westafrika. Zu den größten Bedrohungen zählen Vergiftungen (61 %), Verfolgung für traditionelle Medizin (29 %) sowie Stromschläge bzw. Kollisionen mit Stromleitungen (9 %). 

André stellte zudem einige Sichtungen in unterschiedlichen Ländern vor, darunter zwei Sichtungen in Israel. Bei einer Sichtung konnte ein Sperbergeier bestätigt werden, die andere Sichtung in Israel war vermutlich ein Hybrid (Kreuzung aus Sperbergeier und Gänsegeier).


Als nächstes stellte Iñigo Fajardo den Status des Sperbergeiers in (Süd-)Europa vor. Der Sperbergeier wurde in Europa erstmalig 1990 gesichtet und ist seit 1992 regelmäßiger Besucher in Spanien, Portugal, Frankreich und Italien. Es handelt sich dabei vorwiegend um junge Tiere und seit 2004 konnten bereits 10 mögliche Brutversuche in Europa beobachtet werden. 


2019 wurde der Sperbergeier schließlich in die Liste des Geierschutzprogrammes in Andalusien für heimische, bedrohte Tierarten aufgenommen und gilt somit als 5. Europäische Geierart nach dem Gänsegeier, dem Schmutzgeier, dem Bartgeier und dem Mönchsgeier. In enger Zusammenarbeit tauschen sich die Geierschützer aus Andalusien mit der Vulture Conservation Foundation, der IUCN Vulture Specialist Group, Kollegen aus Marokko und weiteren aus, um alle Sichtungen genauestens zu dokumentieren. Dabei wurde festgestellt, dass 96 % aller Sperbergeier in Europa vorher durch Andalusien geflogen sind. Es ist zudem auffällig, dass die meisterwach sene Geier zwar auf dem Hinflug nach Europa gesehen werden, aber scheinbar nicht wieder zurückkehren. Dies könnte bedeuten, dass sie sich in Europa ansiedeln. Aktuell gibt es in Andalusien mindestens 20 erwachsene Dauergäste und 50-150 Individuen. 


Die meisten Sichtungen erfolgen in Gänsegeierkolonien, wo vereinzelt auch Brutversuche mit Gänsegeiern erfolgten. Da nicht alle Kolonien regelmäßig beobachtet werden können, könnte die Zahl der Sperbergeier in Andalusien auch deutlich höher sein. Vermutlich gibt es bereits Hybriden, da einige Geier weder komplett wie Gänsegeier noch wie Sperbergeier aussehen. 

Weitere Beobachtungen und Untersuchungen werden hoffentlich künftig zeigen, ob sich die beiden Geierarten tatsächlich vermischen.


Jose Rafael Garrido López referierte über den Status der Sperbergeier in Nordafrika. Jugendliche Sperbergeier migrieren häufig mit Gänsegeiern durch Marokko und Algerien, so dass jährlich etwa 50 Individuen, gemischt mit Gänsegeiern, nahe der Straße von Gibraltar in Marokko gesichtet werden. 



Seit 2017 gelten Sperbergeier in Algerien als ausgestorben. Vermutlich gibt es aber noch eine sehr geringe Population von maximal 20 Individuen.


Zu den stärksten Bedrohungen in Marokko zählen (unbeabsichtigte) Vergiftungen – in Algerien sind keine Vorfälle dokumentiert. Es kommt zu Kollisionen mit elektrischer Infrastruktur und in Marokko ertrinken leider immer wieder einige Geier in künstlichen Wasserbecken. Außerdem stellen Nahrungsmangel sowie Inzucht und ggfs. Verpaarung mit Gänsegeier weitere Bedrohungen dar. 

In Marokko werden Sperbergeier nun im nationalen Schutz-Programm beobachtet und Bedrohungen identifiziert/beseitigt. In Nord-Marokko wurden zudem eine Auffangstation errichtet sowie eine Futterstelle für wilde Geier. Außerdem wurden einige Geier mit GPS ausgestattet, um ihre Flugroute zu analysieren.

Als letzter Referent vor der Pause berichtete Violeta Barrios über den Status der Sperbergeier in der Sahel-Zone. Der Sahara Conservation Fund (SCF) existiert seit 2004 und beobachtet Geier seit 2007. Im Vergleich zu allen anderen afrikanischen Geierarten leben in der Sahel-Zone vorwiegend Sperbergeier und es gibt viele Dokumentationen im Tschad und Niger.


Sperbergeier brüten in geschützten wie auch in ungeschützten Gebieten. Eigentlich sind die Klippenbrüter, aber werden mittlerweile immer häufiger auch in Bäumen brütend gesichtet. Dabei kann es auch mal zu Interaktionen mit Ohrengeiern kommen. Ein großes Problem ist die Dürre und das dramatische Voranschreiten der Wüstengebiete. Außerdem können Sperbergeier, die von Klippen auf Bäume wechseln, leichter durch Jäger erreicht und getötet werden. Dies geschieht leider nicht selten aufgrund ihres vermeintlichen Nutzens in der traditionellen Medizin.

In der kargen Sahel-Zone halten sich die Geier meist nahe von Nutztieren auf, um auf ein leckeres Aas zu warten. Wenn sich dort dann etwas ändert, zum Beispiel aufgrund der Desertifikation Farmer ihre Grundstücke aufgeben müssen, hat dies auch Auswirkungen auf die Geier-Population. Immerhin gab es in dem beobachteten Gebiet bisher keine Kollisionen mit Stromleitungen. Die SCF betreibt viel Aufklärungsarbeit in der lokalen Bevölkerung und auf Märkten mit illegalem Verkauf von Geierkörperteilen. Außerdem werden Dronen zur besseren Beobachtung genutzt, die Zusammenarbeit mit Schulen gestärkt, Exkursionen durchgeführt und Geier mit GPS zur Analyse ihrer saisonalen Bewegungen bereitgestellt. Außerdem gibt es das LIFE Egyptian Vulture Projekt sowie das Egyptian Vulture New LIFE Projekt, bei dem auch der Schutz von Sperbergeiern fokussiert wird.

Im Anschluss an die vier Vorträge erfolgte eine kurze Fragerunde mit anschließender Pause. Zeit die vielen Eindrücke zu verarbeiten und die Notizen zu vervollständigen.

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