Bereits nach wenigen Minuten sah ich zwei Gänsegeier in weiter Entfernung kreisen, allerdings genau in Labyrinth-Richtung. Natürlich waren die beiden schon lange weg, als ich das Labyrinth erreichte. Vom Wanderweg auf schlägt man sich an einer gekennzeichneten Stelle in die Büsche und klettert eine Böschung runter.
Wenige Meter später öffnet sich dann eine große Lichtung auf einer Art Plateau, auf dem sich zwei kleine und ein großes Stein-Labyrinth befinden. Das große Labyrinth ist rechteckig und von Anfang bis zur Mitte und wieder hinaus ist man gut 1,5 Kilometer unterwegs!
Aus meditativen Gründen, um die Natur mit ganzem Körper zu spüren, sollte man barfuß durch das Labyrinth laufen und alle weltlichen Dinge wie Kameras und Armbanduhren außerhalb des Labyrinthes lassen. Aufgrund der noch recht frischen Temperaturen habe ich meine Schuhe und Socken besser angelassen und auch von der Kamera wollte ich mich nicht so recht trennen. Das war auch sehr gut so, wie sich schon bald herausstellte…
Ich lief gemütlich den Weg durch das Labyrinth, während bei jedem Schritt kleine Salamander und Eidechsen aufschreckten und neben mir herliefen. Es war menschenleer, so dass ich viele schöne Geräusche aus der Natur wahrnehmen konnte. Am besten klang das Plöppen der Eicheln, die sich im Wind lösten und dann Zweige und Stamm hinunter hoppelten, bis sie unten im Laub auf der Wiese auftrafen. Während ich also noch diesen Geräuschen lausche, taucht plötzlich ein riesiger Gänsegeier über den Baumwipfeln der Lichtung auf. Er flog relativ niedrig, so dass ich ihn in seiner ganzen Pracht bewundern konnte. Vor allem die unterschiedlichen Arten seiner Federhaltung waren schön anzusehen. Wenn er den Aufwind nutzen wollte, spreizte er die großen Schwungfedern voneinander ab.
Sobald er in der Luft aber wieder „absackte“, um Geschwindigkeit aufzunehmen, legte er seine Federn ordentlich an, um die Luft auf diese Weise zu „durchschneiden“.
Während er den Kopf nach rechts und links reckte, flog er in großen Kreisen über die Lichtung hinweg… Wie gut, dass ich meine Kamera NICHT außerhalb des Labyrinthes gelassen hatte!!! Die ganze Atmosphäre der Lichtung, des Labyrinthes, der Ruhe und dazu die Erscheinung dieses tollen Geschöpfes, ein wirklich wunderbarer Moment!!!
Als der Geier wieder verschwunden war, blieben weitere Überraschungen aber nicht aus: Nur wenig später kam eine riesige, grüne Libelle angeflogen und setzte sich nur zwei Meter von mir entfernt in die große Eiche.
Die Sonne stieg immer weiter auf und die morgendliche Kälte war bald verflogen. Also genoss ich weiterhin die Ruhe und hätte mich in der Mitte des Labyrinthes beinahe in einen kleinen Ameisenhügel gesetzt. Der war im Sommer aber noch nicht da gewesen!?
Als zwei große Vögel am Himmel auftauchten, hatte ich mir für einen Moment zu früh gefreut… es waren „nur“ Bussarde, keine Geier.
Einige Zeit später schaute ich mir das kleine Labyrinth an, das auf einer versteckten Neben-Lichtung verborgen war.
Dort wurde ich direkt von einer kleinen Schafherde erschreckt, die wie aus dem Nichts plötzlich auftauchte und sich in Bewegung setzte – unter lautstarkem Gemäääähe, das irgendwie an üble Magenschmerzen erinnerte.
Knapp zwei Stunden konnte ich mich von diesem schönen Labyrinth-Plateau nicht losreißen, immer in der stillen Hoffnung, dass der Gänsegeier vielleicht noch einmal zurückkommen würde. Schweren Herzens machte ich mich dann aber doch auf den Heimweg, nicht ohne weiterhin auf Fotomotiv-Suche zu gehen.
Während ich am Wegesrand gerade versuche halbwegs vernünftige Bilder von einigen Pilzen zu machen, fliegt plötzlich ein großer Schatten (durch das Blätterdach hindurch) über mich hinweg. Habe ich mich getäuscht oder war da wirklich was? Als ich mich gerade wieder den Pilzen widmen möchte, kommt der Schatten wieder zurück und diesmal sehe ich ihn genau! Keine Einbildung! Und durch das Blätterdach hindurch sehe ich sie wieder: Zwei große, am Himmel kreisende Gänsegeier…
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