2009 wurde die Idee schließlich wieder aufgewärmt und Rainer Herrmann, Kriminalhauptkommissar vom Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes (LKA) in Hannover, nahm sich dieses Spezial-Projektes an. Er wandte sich an Tiertrainer German Alonso, der im Weltvogelpark Walsrode den aus dem Prager Zoo stammenden Truthahngeier Sherlock für die Vogel-Flugshow trainiert.
Truthahngeier werden etwa 70 cm groß, bis zu 2 kg schwer und erreichen eine Flügelspannweite bis zu 1,80 m. Ihr Gefieder ist braun-schwarz glänzend und der Kopf ist wie bei einem Truthahn klein, nackt, rot und faltig. Als Neuweltgeier leben sie in weiten Teilen Nord- und Südamerikas und ernähren sich von Aas.
German Alonso war an dem Projekt sofort interessiert und nach knapp zwei Monaten Sondertrainings spürte Sherlock auf einem 30 Quadratmeter großen Rasenstück auf Kommando eine Leichenattrappe auf.
Das Training wurde intensiviert und das Aufspüren von Leichenattrappen mit einer Erfolgsquote von mittlerweile 99 % wurde bald fester Bestandteil der Vogel-Flugshow in Walsrode! Sherlock wird auf mehrere Schlüsselreize konditioniert: So werden entweder Stücke von Leichentüchern in Rasenlöchern versteckt oder in gelben Plastikbechern, die mit einer Beutetier-Attrappe beklebt sind. Als Belohnung bekommt Sherlock ein Stück Rinderherz.
Einziges Problem: Meistens läuft Sherlock auf der Suche nach den Leichentüchern nur über den Rasen, anstatt die Suche aus der Luft aufzunehmen.
In einem echten Kriminalfall würde die Leichensuche dadurch natürlich viel zu lange dauern. Einzelne Truthahngeier sind normalerweise eher „Schissgeier“ was das Fliegen betrifft. Sie brauchen große Gruppen von Artgenossen, um sich gegenseitig beim in-die-Lüfte-Schwingen zu unterstützen. Einmal in der Luft sind sie dann aber umso effektiver, wenn sie in Schwärmen – immer in Sichtkontakt – auf Aas-Suche gehen.
Aus diesem Grunde wurde nach weiteren zahmen Truthahngeiern Ausschau gehalten. Da diese Geier-Art in Zoos aber sehr selten gehalten wird, erwies sich die Suche als sehr schwierig. Letztendlich war es der österreichische Vogelpark Turnersee, der im Juli 2010 zwei weiße, flauschige Truthahngeier-Küken in die Obhut des Weltvogelparks Walsrode übergab. Damit wurde der Grundstein für die „Flugstaffel Walsrode“ gelegt. Zusammen mit Leitvogel Sherlock nehmen die Junggeier das Polizei-Training auf und werden hoffentlich schon bald genau so fit wie ihr Anführer sein. Wann die Truthahngeier-Staffel wirklich für die Leichensuche einsatzbereit ist und ob die Polizei tatsächlich auf ihre Hilfe zurückgreifen wird steht noch nicht definitiv fest. Bis dahin müssen noch einige Dinge erforscht und geklärt werden. Zum Beispiel die Frage, ob Geier tatsächlich Menschenleichen von Tierleichen am Geruch unterscheiden können. Nicht, dass sie nachher über jedem totgefahrenen Tier ihre Kreise ziehen. Sollten die Geier jedoch zum Einsatz kommen, so werden sie mit GPS-Sendern ausgestattet und können in kürzerer Zeit wesentlich größere Suchgebiete überfliegen als Polizeihunde vom Boden aus durchsuchen könnten.
© Thorsten Rieck - www.zweiweltenbummler.de
Natürlich hätte es mich interessiert Sherlock persönlich kennenlernen zu können. Aus der Presseabteilung des Weltvogelparks Walsrode erhielt ich Anfang September jedoch folgenden Antwort: „Sherlock ist derzeit leider nicht vor den Kulissen zu sehen. Normalerweise ist er fester Bestandteil der Flugshow, und es wird täglich mit ihm geübt. Aufgrund der vielen Drehtermine etc. in letzter Zeit, gönnen wir ihm derzeit eine Pause. Er wird voraussichtlich erst wieder zum Start der kommenden Saison Mitte März zu sehen sein.“ Hehe, soviel Ruhm sei ihm gegönnt!!!
Ich werde meinen ersten Besuch in Walsrode also auf das Frühjahr 2011 verschieben müssen. Bis dahin werde ich die Entwicklung der Aas- Patrouille hoffentlich auch aus der Ferne weiter verfolgen können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen