Freitag, 22. Mai 2020

Rabengeierküken aus dem Zoo Dortmund

Am 31.03. und 02.04.2020 pellten sich zwei winzige Rabengeierküken im Zoo Dortmund mühsam aus ihrem Ei und erblickten das Licht der Welt.
Sie waren vom Zoo-Team in einem Inkubator ausgebrütet worden, da ihre Geiereltern in der Vergangenheit bereits einige Male ihr Gelege beschädigt und noch kein gesundes Jungtier aufgezogen hatten. Diesmal wollte der Zoo auf Nummer sicher gehen und tauschte die Eier gegen Dummy-Eier aus. Rabengeier bauen keine Nester, sondern legen ihre Eier einfach auf dem Boden oder einem Felsvorsprung ab. Da sie ihre Gelege auch nicht sonderlich gut verteidigen, gehen in freier Natur immer wieder Eier durch Raubtiere verloren.
Bevor die Eier in den Inkubator gelegt wurden, wurden sie mit „Rabengeier 1“ und „Rabengeier 2“ beschriftet. Außerdem wurden zwei Pfeile mit dem Hinweis „vorwärts“ und „rückwärts“ draufgezeichnet.
Im Inkubator werden die Eier nämlich täglich dreimal ein Stück vorwärts gedreht, am nächsten Tag dreimal ein Stück rückwärts und am Tag darauf wieder dreimal vorwärts usw. In der Natur drehen Vögel ihre Eier ebenfalls mehrfach täglich im Nest hin und her, um die Entwicklung des Embryos zu unterstützen.
Während die Eier also im Inkubator ausgebrütet wurden, durften die Geiereltern Dummy-Eier bebrüten. Irgendwann schienen sie aber zu bemerken, dass die Eier unfruchtbar sind und verließen das Gelege. Dies ist ein ganz normales Verhalten in freier Natur, wo auch immer wieder unfruchtbare Eier gelegt werden. Die Dummy-Eier wurden daraufhin wieder entfernt.
Die kleinen Rabengeierküken wurden 4-5x pro Tag mit einem Aaspüree aus Mäusen, Hühnern oder Rind gefüttert, das ihnen mit einer Pinzette direkt in den Schnabel gelegt wurde. In freier Natur würden die Eltern ihre Küken mit vorverdautem, hochgewürgtem Aas aus ihrem Kropf versorgen, in dem das Futter mit Verdauungsenzymen versehen wurde. Um dies möglichst naturgetreu nachzuempfinden, wurde das Aaspüree vor der Fütterung einige Minuten in ein in Wasser aufgelöstes, unter anderem mit dem Verdauungsenzym Pepsin angereichertes Gemisch gelegt. Dieses Enzym ist bei Wirbeltieren für den Abbau von mit der Nahrung aufgenommenen Proteinen zuständig.
In einem Gelege mit zwei Küken würde sich das stärkere, erstgeborene Küken bei seinen Eltern in den Vordergrund drängen und den Großteil des Aasbreis erbeuten. Damit sich beide Küken gleichgut entwickeln, wurden die Küken während der Fütterung durch die Tierpfleger getrennt. In einem Video der Zoo Dortmund ist gut zu erkennen, mit welch großem Appetit die kleinen Geierküken ihre Aasportion verschlingen. Am 24.04.2020 brachten beide Küken daher bereits je 700 Gramm auf die Waage. Ausgewachsen können sie bis zu 2 kg schwer werden, womit sie allerdings eher zu den Fliegengewichten der Geier zählen.
Damit sich die flauschigen Rabengeierküken gut entwickeln, wurden sie durch die Tierpfleger immer wieder auf die Wiese im Vogelpark gesetzt, damit sie herumlaufen oder Sonnenbaden können. Natürliches Sonnenlicht ist bei der Entwicklung eines Geierkükens nämlich sehr wichtig. Auch hierzu wurde ein entzückendes Video auf der Facebook-Seite des Zoo Dortmund geteilt. Außerdem zeigten die Geierküken ein großes Interesse an Kameras.
Ende April wurde schließlich verkündet, dass die beiden Rabengeierküken in die Adlerwarte Berlebeck in Detmold umgezogen sind. Das auf Greifvögel spezialisierte Team übernimmt nun die weitere Aufzucht der beiden Jungvögel und wird sie in einem Geschwisterverband mit anderen jungen Neu- und Altweltgeiern heranwachsen lassen. Während ihrer Jugendzeit werden sie im Rahmen von Flugshows zur Aufklärungsarbeit über ihre wilden Verwandten beitragen. Sobald sie geschlechtsreif sind, werden sie mit einem Partner zusammengeführt, mit dem sie normalerweise ein Leben lang zusammenbleiben und kleine, flauschige Küken großziehen können.
Sind die beiden Dortmunder Rabengeierküken erstmal ausgewachsen, werden sie den flauschigen Flaum verlieren und wie ihre Eltern komplett schwarzes Gefieder haben.
Die Adlerwarte Berlebeck unterstützt seit 1998 den Parque Cóndor in Ecuador, einen Greifvogelpark bei Otavalo, der eine Auffang-, Zucht- und Auswilderungsstation für Greifvögel und Eulen beinhaltet. Dort bin ich Mitte November 2012 im Rahmen meines Geierjahres sogar gewesen, als ich ebenfalls ein Andenkondor-Projekt in Ecuador unterstützt hatte.
Der Parque Cóndor befasst sich vor allem mit der Zucht von Andenkondoren und Harpyien, wobei sie immer wieder durch die Adlerwarte Berlebeck mit Fachwissen unterstützt werden. Immerhin konnte die Adlerwarte 1989 erstmals europaweit ein brütendes Andenkondor-Paar verzeichnen. In Ecuador ist der Andenkondor leider vom Aussterben bedroht. Derzeit gibt es nur noch gut 60 Exemplare, wovon die Hälfte allerdings in menschlicher Obhut lebt. Umso wichtiger sind Zucht- und Auswilderungsprogramme vor Ort.
Der Andenkondor ist übrigens nicht nur das Wappentier von Ecuador, sondern auch von Bolivien, Chile und Kolumbien. Außerdem ziert er viele weitere Wappen von Bezirken, Luftstreitkräften u.ä. Dennoch ist er aufgrund menschlicher Verfolgung, vor allem Vergiftung, vom Aussterben bedroht, da noch immer viele Menschen fälschlicherweise glauben, dass er lebendes Vieh anfällt und tötet.
Vielen Dank an das Zoo Dortmund Team rund um Marcel Stawinoga (Der Zoolotse), Frauke Wichmann Fotografie, Isabel Hartmann, Stella Gehrmann und Daniel Herken sowie das Team der Adlerwarte Berlebeck um Klaus Hansen für die Erlaubnis diese tollen Bilder und Informationen für meinen Geierblog zusammenfassen und nutzen zu dürfen!!!
Wie es den beiden flauschigen Schätzchen in der Adlerwarte Berlebeck mittlerweile ergeht, zeige ich im nächsten Blogartikel!

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