Freitag, 23. April 2021

Geier-Webinar: Geierschutz in Europa

Heute fand endlich wieder ein Geier-Webinar statt. Hans Pohlmann aus den Niederlanden, Vorsitzender der Vulture Conservation Foundation (VCF), stellte den aktuellen Stand des Geierschutzes in Europa vor.

Trotz weltweit stark rückläufiger Zahlen gibt in Europa ganz klar die Devise: „Yes, we can!“ Hier konnte nämlich in weiten Teilen die beinahe verschwundene Geierpopulation stabilisiert und sogar stark zurückgeholt werden. Damit gilt mittlerweile Europa als DER Kontinent für Geier!


Zum Vergleich: Vor 40 Jahren war Asien der Geier-Kontinent schlechthin, aber durch den Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin starben in den 90er-Jahren rund 99,99 % der asiatischen Geier aus. Vor 20 Jahren sprach man daher von Afrika als Geier-Kontinent. Dort stehen die Geier mittlerweile allerdings durch vermehrte Massenvergiftungen durch Wilderer kurz vor dem Aussterben. Von den 11 Geierarten Afrikas stehen 7 bereits kurz vor der Ausrottung. In Europa hingegen feierten die Geier Dank der VCF und vieler Partnerorganisationen vielerorts ein Comeback. Vor allem in Spanien, Portugal und Frankreich können alle vier europäischen Geierarten bewundert werden (Bartgeier, Gänsegeier, Schmutzgeier und Mönchsgeier). Auch der eigentlich aus Afrika stammende Sperbergeier ist mittlerweile regelmäßiger Gast auf der iberischen Halbinsel.

Bartgeier

Bartgeier sind nicht nur die Lieblingsgeier von Hans, sondern auch das Aushängeschild der VCF. In den frühen 1900er-Jahren gab es in vielen Gebieten Europas nur noch wenige Exemplare und um 1980 war er dort fast ausgestorben. 


Die damaligen Vorläufer der VCF wollten den Verlust dieser wunderschönen Tierart nicht einfach hinnehmen und starteten ein umfangreiches Zuchtprogramm in Kooperation mit Zoos, Organisationen und Privatleuten. Auf diese Weise konnte 1986 der erste junge Bartgeier in den Alpen ausgewildert werden und viele weitere folgten. Da Bartgeier etwa 10 Jahre brauchen, bis sie geschlechtsreif sind, konnte 1997 der erste Bruterfolg in freier Natur beobachtet werden.

Bei der Auswilderung werden junge Bartgeier in einer Felsnische ausgesetzt, bevor sie flügge sind. Über einige Wochen werden sie ohne visuellen Kontakt zu Menschen gefüttert und rund um die Uhr beobachtet, bis sie schließlich ausfliegen.

2015 hatte Hans einen schwachen Bartgeier zurück in die Alpen gebracht, der entkräftet in den Niederlanden gefunden wurde. Dies war sein erster Kontakt mit der VCF. Damals war der Geier keine 3 Jahre alt. 2021 wurde er nun zum ersten Mal bei einem Brutversuch beobachtet. Insgesamt hat Hans in den Niederlanden bisher 4 Bartgeier gesehen, 3 davon mit GPS. 3 kehrten wieder in ihre Heimat zurück, aber einer starb leider nach einer Kollision mit einer Stromleitung in Nord-Deutschland.


Im Rahmen des Zuchtprogramms gibt es mehrere Brutcentren, die zwischen 1978 und 2019 insgesamt 595 Küken hervorbrachten. Über 200 wurden in den Alpen ausgewildert. Auch in Andalusien werden jetzt mehr und mehr Bartgeier ausgewildert, um die europäische und afrikanische Population zu verbinden. In Grands Causses (Frankreich) werden zudem Geier ausgewildert, um die Pyrenäen- und die Alpen-Population zu verbinden. Aufgrund der vielen Giftvorfälle keine auf Sardinien aktuell keine Bartgeier mehr freigelassen, aber es gibt noch Auswilderungen auf Korsika und in Maestrazgo. Rund um die Freilassungsorte gibt es Brutterritorien. Dazwischen gibt es aber größere Lücken, z.B. in Österreich. Dort haben sich nach den Freilassungen bisher kaum Geier angesiedelt im Gegensatz zur Schweiz und zu Frankreich.


Bei den Auswilderungen werden die lokalen Gemeinden immer mit involviert und es gibt häufig ein großes Event. Die Geier werden den Menschen dabei nur sehr kurz gezeigt, damit die Geier nicht zu sehr gestresst werden. Im zweiten oder dritten Jahr fliegen Bartgeier häufig kreuz und quer durch Europa. Viele Flugrouten können dank GPS-Sendern aufgezeichnet werden.

Gänsegeier

In den 80er-Jahren gab es nur noch etwa 5.000 Gänsegeier in Europa. 

Durch den erhöhten Schutz von Geiern und die Wiederansiedlungsprojekte gibt es heutzutage allein in Spanien wieder über 30.000 Brutpaare. In Grands Causses stiegen die Zahlen in 20-30 Jahren von 0 auf 2.000 Paare. Es ist leicht zu erkennen, dass sich Gänsegeier sprunghaft vermehren, sobald die Bedingungen geierfreundlich sind.


Auf Sardinien gibt es leider noch viele Giftvorfälle, die immer wieder zu Opfern unter den Geier führen. Zum Glück gibt es dort mittlerweile lokale Partner, die die Wiederansiedlung der Gänsegeier unterstützen. Wenn sich die Gänsegeier dort erholen und die Bedrohungen erfolgreich bekämpft werden, dann können auch künftig wieder Bartgeier dort angesiedelt werden.

Zum Teil kommen übrigens auch Nachzuchten aus dem Zoo ARTIS Amsterdam nach Sardinien.

Mönchsgeier

Zwischenzeitlich gab es Mönchsgeier fast nur noch in geringer Anzahl in Spanien. 

Nachdem Bedrohungen wie Gift und Störungen durch den Menschen erfolgreich bekämpft wurden, konnten Mönchsgeier wiederangesiedelt und ihre Zahlen von 250 Brutpaaren (1980) in Spanien auf rund 2.068 Brutpaare (2011) erhöht werden. 


Zur Unterstützung der Bruterfolge in freier Natur werden den Mönchsgeiern häufig künstliche Brutplattformen zur Verfügung gestellt, die sie gerne nutzen. In Spanien, Frankreich und Griechenland nehmen die Brutpaare mittlerweile stark zu. Bisher wurden in Frankreich gut 140 junge Mönchgeier in 3 Gebieten freigelassen. Zwischen 2018 und 2021 folgen 50 weitere in Bulgarien.

Schmutzgeier

Schmutzgeier in Europa noch immer sehr stark bedroht. Viele Populationen nehmen nach wie vor ab oder sind maximal stabil.

Da Schmutzgeier jedes Jahr nach Afrika migrieren, liegen die Gefahren nicht nur in Europa sondern vor allem entlang der Migrationsroute in Afrika. Um die Gefahren besser analysieren zu können, werden mehr und mehr Schmutzgeier mit GPS-Sendern ausgestattet.



Eine häufige Todesursache ist Ertrinken beim Überqueren des Mittelmeeres, wenn unerfahrene Schmutzgeier die lange Route wählen und dann auch noch Regen oder Gegenwind hinzukommen. Um das Wiederansiedlungsprogramm voran zu treiben, gibt es Brutprogramme, vor allem in Italien. Außerdem wurden verschiedene Auswilderungsmethoden getestet, um einen möglichst guten Erfolg zu erzielen.

Zusammenfassung

Da sich die Geierpopulationen in vielen Bereichen Europas wie Spanien und Frankreich erholen, wird die VCF ihren Fokus künftig verstärkt auf den Balkan legen. Dort ist der Trend leider noch immer negativ, vor allem aufgrund von Giftködern gegen Raubtiere, die Nutztiere gefährden. Auch Kollisionen mit Stromleitungen und Stromschlag durch schlecht isolierte Leitungen sind ebenfalls ein großes Problem.

Fragerunde

Gibt es in Europa auch Probleme mit Diclofenac und ein Verbot Kadaver auf den Feldern liegen zu lassen?

Vor 2 Wochen wurde eine Pressemitteilung über den ersten nachweislich an Diclofenac gestorbenen Geier in Europa veröffentlicht. Seit Jahren kämpft die VCF gegen den Einsatz von tiermedizinischem Diclofenac in Europa, aber erfolglos, da es bisher keine toten Geier durch Diclofenac gab. In weiten Teilen Europas dürfen Kadaver nicht ausgelegt werden, aber mittlerweile wieder in einigen Gebieten in Spanien, Frankreich und im Balkan.

Welchen Einfluss haben Windfarmen auf Geier?

Windfarmen sind eine große Bedrohung für Geier in vielen Gebieten. Die VCF strebt eine enge Zusammenarbeit mit Regierungen und Windfarm-Betreibern an, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien möglichst geierfreundlich zu gestalten. Gute Möglichkeiten sind z.B. Detektoren mit automatischem Shutdown, wenn Geier in die Nähe kommen.

Wie werden Bartgeier-Küken ausgebrütet und ausgewildert?

Bartgeier legen meistens 1-2 Eier pro Saison. Die Eier werden im Inkubator ausgebrütet und durch künstliche Eier im Nest getauscht. Wenn die Küken schlüpfen, werden sie händisch für 2 Wochen großgezogen, bevor sie zu ihren Eltern zurück ins Nest gelegt werden. Innerhalb der ersten 2 Wochen tritt eine Prägung auf den Menschen weniger häufig auf. Einige Wochen bevor die Geier flügge werden, werden sie den Eltern wieder weggenommen, um sie in einer Felsnische auszuwildern.

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