Donnerstag, 29. April 2021

Geier-Webinar: Gelingt die Rückkehr des Bartgeiers?

Heute Abend fand eine einstündige online-Infoveranstaltung zur geplanten Wiederansiedlung des Bartgeiers in Berchtesgaden statt. Die Beschreibung der Veranstaltung las sich schon sehr spannend:

 

Luchs und Wolf sind schon zurück, und seit einiger Zeit streift wieder heimlich ein Braunbär durch die bayerischen Alpen. Mehr als 100 Jahre nach seiner Ausrottung soll neben diesen „großen Drei“ der europäischen Beutegreifer auch der größte europäische Greifvogel in die alte Heimat zurückkehren: der Bartgeier. Nach Wiederansiedlungsprogrammen in anderen Alpen-Ländern wollen Vogelschützer im Nationalpark Berchtesgaden in diesem Sommer die ersten Geier zurück in den Himmel über Deutschland bringen.

Das Vorhaben ist Teil eines internationalen Projekts, dem Bartgeier die Wiederbesiedlung seines gesamten ursprünglichen Lebensraums zu ermöglichen. Bis zu seiner Ausrottung durch menschliche Verfolgung kamen Bartgeier flächendeckend von Marokko über Europa bis nach Zentralasien vor. Als reine Aasfresser spielen sie eine wichtige Rolle im Ökosystem, beispielsweise verhindern sie die Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen über tote Tiere.

Wie laufen die Vorbereitungen für das wohl spektakulärste Biodiversitäts-Projekt in Deutschland im Jahr der Welt-Naturschutzkonferenz? Welche Bedeutung hat die Rückkehr des Bartgeiers für das Ökosystem Alpen? Was hat sich im Verhältnis zwischen Mensch und Geier seit der Ausrottung des Bartgeiers als vermeintlicher Viehdieb und Kinderräuber verändert? Und natürlich: Wann können wir den ersten Bartgeier im Himmel über den bayerischen Alpen kreisen sehen?

Diese und weitere Fragen unserer Zuschauerïnnen beantworten im RiffReporter-Talk Franziska Lörcher, Biologin und Koordinatorin des internationalen Bartgeierschutzes der Vulture Conservation Foundation (VCF), der Initiator des deutschen Projekts und Vorsitzende des Landesbund für Vogelschutz (LBV), Norbert Schäffer, und der Biologe und Autor einer Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung in Deutschland, Toni Wegscheider. Moderiert wird die Veranstaltung von Thomas Krumenacker von den RiffReporter-Projekten Die Flugbegleiter und Countdown Natur.

Da ich Franziska Lörcher und Toni Wegscheider persönlich kenne, wollte ich mir den Vortrag natürlich nicht entgehen lassen.

Zunächst stellte Franziska allgemeine Infos zur Ausrottung der Bartgeier in den Alpen vor. Dort wurde nämlich 1913 der letzte Bartgeier im italienischen Aosta-Tal abgeschossen. Bis in die 1980er-Jahre gab es in Europa nur noch weniger als 70 Brutpaare (siehe rote Bereiche auf dem Bild).

In den 1970er-Jahren startete das internationale Bartgeier-Zuchtprogramm, bei dem Bartgeier aus Zoos und von privaten Züchtern verpaart wurden, um den Nachwuchs in den Alpen auswildern zu können. Bis heute wurden im Rahmen des Zuchtprogrammes gut 600 Küken erfolgreich aufgezogen.

1986 wurde schließlich der erste Bartgeier in Österreich ausgewildert und 1997 kam es zur ersten Geburt eines Bartgeierkükens in freier Natur (in Frankreich). Da die meisten ausgewilderten Bartgeier auf wenige Dutzend Bruttiere zurückgehen, ist die genetische Vielfalt nicht sichergestellt. Es müssen daher neue Bartgeier verpaart und neue Brutlinien in unterschiedlichen Gebieten ausgewildert werden, um eine bessere Durchmischung zu erzielen und Inzucht zu vermeiden. Ca. 80 % aller Bartgeier, die in den Alpen freigelassen wurden, stammen aus dem asiatischen Raum ab. Es wurde zu Beginn des Zuchtprogrammes direkt festgelegt, dass keine wilden Bartgeier zur Zucht eingefangen werden, um den Handel mit Bartgeiern direkt zu unterbinden. Heute werden allerdings auch verletzte Tiere, z. B. aus den Pyrenäen, in das Zuchtprogramm mit aufgenommen, wenn sie aufgrund ihrer Verletzungen nicht mehr ausgewildert werden können.

Dank des Wiederansiedlungsprojektes gibt es in Europa derzeit wieder ca. 190 Bartgeier-Paare (50-60 in den Alpen, 120-130 in den Pyrenäen und ein paar wenige in Andalusien und auf Korsika).


Auch wenn dem Bartgeier heute nicht mehr nachgesagt wird, dass er Lämmer oder sogar Kinder tötet und dadurch verfolgt wird, gehen dennoch über ein Drittel aller Todesursachen der 70 verstorbenen Bartgeier auf den Menschen zurück; sei es durch Gift, Stromleitungen, Abschüsse oder Bleivergiftung. Es wird vermutet, dass sogar rund 200 Bartgeier gestorben sind, deren Körper allerdings nicht gefunden wurden.

Das große Ziel der Wiederansiedlung des Bartgeiers ist die Verbindung der einzelnen Populationen quer durch Europa, also von Andalusien über die Pyrenäen zu den Alpen und weiter bis zum Balkan sowie Verknüpfungen zu Korsika, Sardinien und Sizilien. Mittlerweile geht die Anzahl wild geschlüpfter Bartgeierküken zwar rasant nach oben, so dass vor allem die Population in den Alpen eigentlich bereits selbsttragend wäre. Aber zur Steigerung der genetischen Vielfalt und besseren Verbindung quer durch Europa müssen in den folgenden Jahren noch viele weitere Bartgeier gezielt ausgewildert werden.

Toni Wegscheider ergänzte Infos aus seiner Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in Bayern. Der Bartgeier ist ein historischer Vogel in Bayern, auch wenn die meisten Aufzeichnungen leider von Abschüssen handeln (wie z.B. auf diesem Bild von 1650).

Bartgeier waren hier nie in großen Dichten vorhanden, so dass es sehr leicht war sie auszurotten. Der letzte Abschuss eines Bartgeiers in Bayern erfolgte 1879 im Klausbachtal, im heutigen Nationalpark Berchtesgaden, wo der Bartgeier nun freigelassen werden soll. So gut sich die Bartgeier in den Zentralalpen mittlerweile wieder angesiedelt haben, so schleppend geht der Erfolg in den Ostalpen voran. Dabei sind die Ostalpen gerade als „Tor zum Balkan“ sehr wichtig, um die unterschiedlichen Populationen miteinander zu verbinden.

Im geplanten Auswilderungsgebiet gibt es kaum Gefahren für den Bartgeier, da es weder Windkraftanlagen noch bekannte Vergiftungsvorfälle gibt. Bleivergiftung durch Munitionsrückstände im Aas könnte ein Problem werden, aber hier laufen bereits viele positive Gespräche mit der lokalen Jägerschaft.

In der ersten Juni-Hälfte soll es dann endlich so weit sein und 2 junge Bartgeierkinder, die am 11.03.’21 und 14.03.’21 geschlüpft sind, in einer 20 m breiten und 6 m tiefen Felsnische ausgewildert werden. 


Natürlich müssen sie erstmal nach Deutschland gebracht werden, können sich dann im Tiergarten Nürnberg kurz erholen, werden dort beringt und besendert und dann weiter nach Berchtesgaden gebracht. Bei der Auswilderung sind die jungen Bartgeier noch nicht flügge, sondern haben einige Wochen Zeit sich an ihre Umgebung zu gewöhnen und ihre Muskeln zu stärken. In ihrer Felsnische werden sie rund um die Uhr durch Geierschützer (Parkranger, LBV etc.) überwacht. Außerdem ist die Gegend wie ein Hochsicherheitsgebiet abgeriegelt mit Fotofallen, Infrarot-Kamera & Co. Es gibt zudem eine Livecam, so dass Geierinteressierte per Livestream das Geschehen verfolgen können. Werden die Junggeier kräftiger, so beginnen sie durch Flügelschlag ihre Muskeln zu trainieren und hüpfen flügelschlagend umher. Dieses Verhalten wird genauestens dokumentiert, denn bei ca. 200-250 Flügelschlägen am Tag (nach ca. 3-4 Wochen) steht das erste Ausfliegen kurz bevor. In dieser Zeit, aber auch Wochen bzw. Monate nach dem Ausfliegen werden die Geier regelmäßig mit Futter versorgt, um eine gesunde Entwicklung sicherzustellen. Auf diese Weise steht ihre Überlebenschance im ersten Jahr bei gut 90 %, das zweite Jahr überleben ca. 96 %.

Es wird nicht erwartet, dass sich die Bartgeier später in Bayern ansiedeln, sondern wie ihre Artgenossen auf Rundflug gehen und die Gegend verlassen. Je mehr Bartgeier allerdings in den Ostalpen unterwegs sind, desto attraktiver werden die Ostalpen für ihre Artgenossen und vielleicht kann die Verbindung zum Balkan tatsächlich mittelfristig hergestellt werden.

Aktuell haben die beiden Küken nur Kennnummern, aber im Rahmen der Auswilderung werden sie von zwei Namenspaten ihre Namen erhalten. Ein Pate wird eine Schulklasse aus Berchtesgaden sein, um die lokale Bevölkerung und vor allem den Nachwuchs in dieses tolle Projekt mit einzubeziehen. Der zweite Pate ist die Süddeutsche Zeitung, die das gesamte Projekt sehr eng begleitet und immer wieder darüber berichtet.

Herr Schäffer wies darauf hin, dass das Projekt u.a. durch das Bayerische Umweltministerium und die Umweltstiftung HIT finanziert wird. Natürlich ist ein solche Projekt nur mit Hilfe vieler Kooperationspartner möglich wie der VCF, dem Tiergarten Nürnberg, dem Nationalpark Berchtesgaden und weiteren. Für die 1. Phase des Bartgeier-Projektes wird von 2020-2023 ca. 1 Mio. € zur Verfügung gestellt. Für ein Naturschutzprojekt bei weitem keine kleine Summe! Herrn Schäffer kannte ich bisher nicht, aber seine Begeisterung für das Projekt und den Bartgeier als beeindruckende, wunderschöne Tierart war deutlich zu spüren. So gefiel mir auch seine Aussage: „Der Nationalpark Berchtesgaden könnte ohne den Bartgeier leben. Aber mit ihm ist er viel, viel besser!“

Im Anschluss an die Vorträge blieb viel Zeit für die spannenden Fragen, die aus dem Publikum über den Chat gestellt wurden. Weil auch für mich so viele neue Infos und interessante Anregungen dabei waren, kam ich mit dem Mitschreiben kaum hinterher. Einige Informationen habe ich bereits weiter oben ergänzt, weitere folgen hier:

Welche Strecken legen Bartgeier zurück? Junge Bartgeier machen vor allem im Frühling große Streifzüge durch die Alpen und sogar länderübergreifend quer durch Europa. 400-500 km am Tag sind dabei keine Seltenheit. Aktuell treibt sich sogar einer der besenderten Bartgeier am Containerhafen in Rotterdam herum, was allerdings eher ungewöhnlich ist.

Vertragen sich Bartgeier, Gänsegeier und Steinadler? In den letzten 3 Jahrzehnten gab es kaum Berührungspunkte, da der Mensch alle drei Arten praktisch ausgerottet hatte. Ansonsten verstehen sie sich allerdings gut, da sie alle ihre eigene ökologische Nische haben. Steinadler jagen, Bartgeier und Gänsegeier fressen nur Aas. Gänsegeier ernähren sich zwar wieder Steinadler vorwiegend von Fleisch, kommen aber in Bayern gar nicht regulär vor und werden daher dort auch nicht ausgewildert. Der Bartgeier ernährt sich fast ausschließlich von Knochen und räumt daher auf, was der Steinadler übrig gelassen hat. Außerdem fällt in den Bayern viel Aas auf natürlichem Wege an. Zur Fütterung der jungen Bartgeier werden übrigens keine Tiere extra geschossen. Die Nahrung besteht aus Gämsen, die im Nationalpark regulär und mit bleifreier Munition geschossen wurden und nachdem alles für den Menschen nutzbare Fleisch entnommen wurde. Somit konnte bereits jetzt fast alles Futter angesammelt werden, was die Geier in den kommenden Monaten zugefüttert bekommen. Konkurrenz gibt es höchstens bei der Suche nach Brutplätzen. Bartgeier nutzen gerne mal einen alten Adlerhorst. Da allerdings je Revier ca. 10 Adlerhorste vorhanden sind, haben die Steinadler genug Alternativen zu Auswahl.

Welche Gegenden außer Berchtesgaden sind für Geier in Deutschland geeignet? Der Alpenraum ist für den Bartgeier am besten geeignet, da er große, baumfreie Reviere benötigt, in denen er sich mit seinen riesigen Flügeln von fast 3 m Spannweite nach Futter umsehen kann. Auch der Balkan mit seinen großen Karstgebirgen ist gut geeignet. Gänsegeier waren in den Alpen keine gesichteten Brutvögel. Sie kamen im Mittelalter allerdings z.B. auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg vor, als es dort noch nicht durchgängig bewaldet war und Nutztierkadaver auf dem Feld liegen bleiben durften. Seit Kadaver nicht mehr liegen gelassen werden dürfen, verschwand das Nahrungsangebot und somit auf der Gänsegeier.

In Asien starben Millionen von Geiern aufgrund von Diclofenac und vor kurzem ist auch in Europa der erste Mönchsgeier nachweislich an Diclofenac gestorben. Besteht auch in Berchtesgaden die Gefahr, dass beim Auslegen von Nutztierkadavern Diclofenac verfüttert wird? Gänsegeier und Mönchsgeier sind mehr gefährdet, da sie sich vorwiegend von (Großtier-)Kadavern ernähren. Bartgeier hingegen fressen lieber (alte) Knochen, so dass hier die Gefahr deutlich geringer ist. Die größere Gefahr geht von bleihaltigen Munitionsrückständen aus, die auch von Bartgeiern gefressen werden könnten. Stand heute ist noch kein Verlust eines Bartgeiers aufgrund von Diclofenac verzeichnet worden. Da der Bestand so gering ist, können keine Verträglichkeitsversuche durchgeführt werden wie bei Geierarten mit deutlich mehr Exemplaren. Es wurden allerdings bereits Bartgeier-Verluste durch Carbofuran in Spanien dokumentiert. Dort wurde das tödliche Insektizid jedoch vermutlich eingesetzt, um Raubtiere wie Wölfe oder Füchse zu töten und nicht speziell den Bartgeier.

Wie viele Bartgeier-Brutpaare können sich ökologisch in den bayerischen Alpen ansiedelt und nach wie vielen Jahren spricht man von einem Erfolg? Es wird nicht erwartet, dass Bartgeier in Berchtesgaden brüten werden. Die Fläche reicht maximal für ein Brutpaar aus, so dass die ausgewilderten Bartgeier eher als Grenzpopulation zu Österreich gesehen werden. Die Laufzeit des Projektes wird auf 10 Jahre geschätzt, bis Auswilderungen nicht mehr nötig sein werden und sich in der weiteren Umgebung Paare bilden, die so viel Nachwuchs aufziehen, wie normalerweise pro Jahr ausgewildert werden würden. Es soll definitiv keine Konkurrenz der wilden Population durch Auswilderungen geben. Ggfs. könnten später weiter im Osten in einem neuen Gebiet zusätzliche Auswilderungen stattfinden. Im Tiroler Lechtal gibt es bereits ein Bartgeierpaar, dass durch seine Anwesenheit vereinzelt umherziehende Bartgeier anzieht.

Wie alt können Bartgeier werden? Der älteste bekannte, brütende Bartgeier in den Alpen ist die 33-jährige Alexa im Hohen Tauern Nationalpark.

Der Bartgeier galt lange Zeit als Gefahr für Nutztiere und Menschen. Zum Abschluss der Veranstaltung wurden die 3 Referenten daher gefragt, war sich seitdem geändert hat und warum der Bartgeier plötzlich so positiv gesehen wird: Das Leben einzelner Personen hängt nicht mehr vom Tod von ein oder zwei Schafen ab, so dass nicht mehr verzweifelt ein Schuldiger gefunden werden muss. Die Menschen wissen heute deutlich mehr als früher und wertschätzen die Natur.

Ich bin wirklich begeistert, wie viele spannende Informationen in diese leider nur einstündige Veranstaltung gepackt waren und hätte noch stundenlang weiter zuhören können. Die Zusammenfassung möchte ich abschließen mit Franziskas Worten, denen ich mich nur anschließen kann: „Jeder sollte selbst erfahren können, wie ein Bartgeier fliegt und einen mit seinen roten Augen beäugt, aber dabei nicht gefährlich wird!“

Mittwoch, 28. April 2021

Pechvogel der Woche

Manche Geier haben einfach kein Glück im Leben, wie dieser arme Mönchsgeier aus Spanien, über den die Vulture Conservation Foundation heute berichtet hat.

Der junge Mönchsgeier Ichera flog 2019 aus seinem spanischen Nest aus und wurde noch im gleichen Jahr von einem Auto erwischt. Er konnte gerettet und wieder aufgepäppelt werden. 2020 wurde er dann im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes nach Bulgarien transportiert und nach einem halben Jahr im März 2021 ausgewildert. Den ersten Monat nach seiner Freilassung verbrachte der Vogel in Bulgarien, bevor er sich auf eine lange Reise durch Serbien und Rumänien bis hin zu Ost-Ungarn machte, wo er in der Gegend von Szabolcs-Szatmár-Bereg plötzlich von der GPS-Bildfläche verschwand. 

Die bulgarischen Geierschützer von Green Balkans alarmierten ihre ungarischen Kollegen, die sich anhand der letzten GPS-Daten auf die Suche machten. Auf diese Weise fanden sie zwar das GPS-Gerät, aber keinen Geier. Offensichtlich war das GPS-Gerät vom Geier entfernt und in ein Flussbett geworfen worden. In der näheren Umgebung wurden einige Geierfedern und Blutspuren entdeckt, woraufhin die Polizei informiert wurde. Außerdem wurden verdächtige Fußspuren gesichert sowie DNA-Spuren, die sich an dem GPS-Gerät befanden. 

 

Hoffentlich führen die gesicherten Beweisspuren zum Täter, so dass dieser bestraft und weitere Geierverluste vermieden werden können! Mönchsgeier sind eine streng geschützte Tierart und ein Exemplar zu töten wird als ernstzunehmendes Wildtier-Verbrechen und Wilderei geahndet. Es ist wirklich erschreckend, dass selbst im 21. Jahrhundert noch immer Geier durch illegalen Abschuss sterben.

Ein trauriges Ende für ein wunderschönes Tier, das in seinem viel zu kurzen Leben bereits so viel mitgemacht hat. Und ein herber Rückschlag für alle Geierschützer, die sich länderübergreifend um Ichera gekümmert und seinen Weg mitbegleitet haben.

Samstag, 24. April 2021

Die Bartgeier kommen nach Deutschland!!!

Endlich ist es spruchreif: Die Bartgeier kommen bereits 2021 nach Deutschland!!!

In einem Online-Meeting der Vulture Conservation Foundation (VCF) wurde im vergangenen Winter verkündet, dass 2021 nur Bartgeier erstmalig in Berchtesgaden ausgewildert werden können, wenn die Brutsaison gut verläuft und neben den Prio1-Auswilderungsgebieten noch 2-3 Küken für Deutschland übrig bleiben. Daher wurde gebangt und gezittert, vor allem beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV), der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden und natürlich bei mir! Eine Freilassung von Geiern in Deutschland, dass ich das noch erleben darf!!!

Praktischerweise hat das Bartgeier-Brutcenter Guadalentín in Andalusien mit sage und schreibe 10 Bartgeier-Küken in einer Saison einen Weltrekord aufgestellt, so dass die Küken BG1112 und BG1113 für eine Auswilderung in Berchtesgaden zur Verfügung gestellt werden können. Sofort habe ich alle meine Kontakte spielen lassen, um die Chancen zu steigern trotz Corona und allem möglichen Ärger irgendwie an diesem einmaligen Erlebnis im eigenen Land teilhaben zu können. Die beiden Küken sind am 11.03. bzw. 14.03.’21 geschlüpft und werden bei ihrer geplanten Auswilderung Anfang Juni 3 Monate alt sein. In diesem Alter sind sie noch nicht flügge, sondern können sich eine Weile in einer streng geschützten Felsnische an ihre neue Umgebung gewöhnen. Dort werden sie ohne Menschenkontakt gefüttert und rund um die Uhr beobachtet. Nach 3-4 Wochen werden sie dann alt und stark genug sein, um in die Freiheit zu entfliegen.

Ich kann mir kaum vorstellen, was die Beteiligten am Projekt in den letzten Wochen und Monaten durchgemacht haben, nachdem die seit zwei Jahren geplante Auswilderung auf des Messers Schneide stand. Die Brutsaison verlief nämlich in weiten Teilen nicht sehr gut und einige Brutpaare verloren ihre Eier bzw. es konnten keine gesunden Küken schlüpfen. Auch im Tiergarten Nürnberg entwickelte sich die Brutsaison nach erster Euphorie leider schlecht, so dass bereits Mitte März feststand, dass es dieses Jahr zu keiner Auswilderung eines Nürnberger Nachwuchses kommen würde.

Obwohl das Vorhandensein ausreichender Küken ungewiss war, musste alles vorbereitet werden. Hierzu zählte die Planung und der Bau einer wetterfesten Beobachtungshütte für die Helfer, die über Wochen und Monate die Geier rund um die Uhr beobachten und bewachen würden. Außerdem mussten viele Genehmigungen eingeholt werden, um eine Auswilderung überhaupt zu ermöglichen. Hinzu kam das Training der Helfer sowie das Vorbereiten des Geierfutters, damit die Geier reibungslos versorgt werden können. Kein Wunder, dass das Aufatmen nach der tollen Verkündung noch groß ist!

Auch wenn der Tiergarten Nürnberg leider kein Küken beisteuern könnte, so wird er dennoch aufgrund seiner langjährigen Bartgeier-Bruterfahrung eine wichtige Stütze im Wiederansiedlungsprojekt des Bartgeiers in Berchtesgaden sein. Die Junggeier werden nämlich zunächst aus Spanien nach Nürnberg reisen, um sich dort in Ruhe kennenlernen zu können. Wenn sichergestellt ist, dass die Kleinen sich vertragen, können sie weiter nach Berchtesgaden umziehen.

Damit die Geier gut beobachtet werden können, wird in Schönau am Königssee extra eine witterungsbeständige Beobachtungshütte gebaut, die sich möglichst schön in die idyllische Landschaft einfügt. Die Hütte aus Fichtenholz misst zwei mal vier Meter und ist etwa 2,5 m hoch mit einem Schindel-Satteldach. Ein 5-Mann-Team brauchte dafür in 4-5 Wochen ca. 120 Arbeitsstunden, um das Schmuckstück zusammen zu bauen. Nach ihrer Fertigstellung wird die Hütte etwa 3 Tonnen wiegen. Ende Mai soll sie dann in 4 Teile zerlegt, mit einem Tieflader zum Klausbachhaus in Ramsau gebracht und von dort mit einem Hubschrauber in die Halsgrube unterhalb der Halsalm geflogen werden, wo sie auf ca. 1.100 m Höhe wieder zusammengebaut wird. Da die Bartgeier mindestens für 3 Monate praktisch rund um die Uhr bei Wind und Wetter beobachtet werden sollen, ist so eine Hütte natürlich von großen Vorteil. Für eine kleine Rast zwischendurch ist sogar eine Pritsche geplant sowie ein Gasofen und Proviant. Damit Beobachter und Geier nicht gestört werden, ist diese Beobachtungshütte nicht für Wanderer zugänglich. Für diese steht ein Info-Pavillon mit Informationsmaterial und weiteren Helfern zur Verfügung, um sich über die Bartgeier und den Projektverlauf informieren zu können.

Hoffentlich geht alles gut, so dass ich im Juni in der Beobachtungshütten sowie am Info-Pavillon aushelfen und endlich wieder im Geierschutz tätig werden kann!!!

Freitag, 23. April 2021

Geier-Webinar: Geierschutz in Europa

Heute fand endlich wieder ein Geier-Webinar statt. Hans Pohlmann aus den Niederlanden, Vorsitzender der Vulture Conservation Foundation (VCF), stellte den aktuellen Stand des Geierschutzes in Europa vor.

Trotz weltweit stark rückläufiger Zahlen gibt in Europa ganz klar die Devise: „Yes, we can!“ Hier konnte nämlich in weiten Teilen die beinahe verschwundene Geierpopulation stabilisiert und sogar stark zurückgeholt werden. Damit gilt mittlerweile Europa als DER Kontinent für Geier!


Zum Vergleich: Vor 40 Jahren war Asien der Geier-Kontinent schlechthin, aber durch den Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin starben in den 90er-Jahren rund 99,99 % der asiatischen Geier aus. Vor 20 Jahren sprach man daher von Afrika als Geier-Kontinent. Dort stehen die Geier mittlerweile allerdings durch vermehrte Massenvergiftungen durch Wilderer kurz vor dem Aussterben. Von den 11 Geierarten Afrikas stehen 7 bereits kurz vor der Ausrottung. In Europa hingegen feierten die Geier Dank der VCF und vieler Partnerorganisationen vielerorts ein Comeback. Vor allem in Spanien, Portugal und Frankreich können alle vier europäischen Geierarten bewundert werden (Bartgeier, Gänsegeier, Schmutzgeier und Mönchsgeier). Auch der eigentlich aus Afrika stammende Sperbergeier ist mittlerweile regelmäßiger Gast auf der iberischen Halbinsel.

Bartgeier

Bartgeier sind nicht nur die Lieblingsgeier von Hans, sondern auch das Aushängeschild der VCF. In den frühen 1900er-Jahren gab es in vielen Gebieten Europas nur noch wenige Exemplare und um 1980 war er dort fast ausgestorben. 


Die damaligen Vorläufer der VCF wollten den Verlust dieser wunderschönen Tierart nicht einfach hinnehmen und starteten ein umfangreiches Zuchtprogramm in Kooperation mit Zoos, Organisationen und Privatleuten. Auf diese Weise konnte 1986 der erste junge Bartgeier in den Alpen ausgewildert werden und viele weitere folgten. Da Bartgeier etwa 10 Jahre brauchen, bis sie geschlechtsreif sind, konnte 1997 der erste Bruterfolg in freier Natur beobachtet werden.

Bei der Auswilderung werden junge Bartgeier in einer Felsnische ausgesetzt, bevor sie flügge sind. Über einige Wochen werden sie ohne visuellen Kontakt zu Menschen gefüttert und rund um die Uhr beobachtet, bis sie schließlich ausfliegen.

2015 hatte Hans einen schwachen Bartgeier zurück in die Alpen gebracht, der entkräftet in den Niederlanden gefunden wurde. Dies war sein erster Kontakt mit der VCF. Damals war der Geier keine 3 Jahre alt. 2021 wurde er nun zum ersten Mal bei einem Brutversuch beobachtet. Insgesamt hat Hans in den Niederlanden bisher 4 Bartgeier gesehen, 3 davon mit GPS. 3 kehrten wieder in ihre Heimat zurück, aber einer starb leider nach einer Kollision mit einer Stromleitung in Nord-Deutschland.


Im Rahmen des Zuchtprogramms gibt es mehrere Brutcentren, die zwischen 1978 und 2019 insgesamt 595 Küken hervorbrachten. Über 200 wurden in den Alpen ausgewildert. Auch in Andalusien werden jetzt mehr und mehr Bartgeier ausgewildert, um die europäische und afrikanische Population zu verbinden. In Grands Causses (Frankreich) werden zudem Geier ausgewildert, um die Pyrenäen- und die Alpen-Population zu verbinden. Aufgrund der vielen Giftvorfälle keine auf Sardinien aktuell keine Bartgeier mehr freigelassen, aber es gibt noch Auswilderungen auf Korsika und in Maestrazgo. Rund um die Freilassungsorte gibt es Brutterritorien. Dazwischen gibt es aber größere Lücken, z.B. in Österreich. Dort haben sich nach den Freilassungen bisher kaum Geier angesiedelt im Gegensatz zur Schweiz und zu Frankreich.


Bei den Auswilderungen werden die lokalen Gemeinden immer mit involviert und es gibt häufig ein großes Event. Die Geier werden den Menschen dabei nur sehr kurz gezeigt, damit die Geier nicht zu sehr gestresst werden. Im zweiten oder dritten Jahr fliegen Bartgeier häufig kreuz und quer durch Europa. Viele Flugrouten können dank GPS-Sendern aufgezeichnet werden.

Gänsegeier

In den 80er-Jahren gab es nur noch etwa 5.000 Gänsegeier in Europa. 

Durch den erhöhten Schutz von Geiern und die Wiederansiedlungsprojekte gibt es heutzutage allein in Spanien wieder über 30.000 Brutpaare. In Grands Causses stiegen die Zahlen in 20-30 Jahren von 0 auf 2.000 Paare. Es ist leicht zu erkennen, dass sich Gänsegeier sprunghaft vermehren, sobald die Bedingungen geierfreundlich sind.


Auf Sardinien gibt es leider noch viele Giftvorfälle, die immer wieder zu Opfern unter den Geier führen. Zum Glück gibt es dort mittlerweile lokale Partner, die die Wiederansiedlung der Gänsegeier unterstützen. Wenn sich die Gänsegeier dort erholen und die Bedrohungen erfolgreich bekämpft werden, dann können auch künftig wieder Bartgeier dort angesiedelt werden.

Zum Teil kommen übrigens auch Nachzuchten aus dem Zoo ARTIS Amsterdam nach Sardinien.

Mönchsgeier

Zwischenzeitlich gab es Mönchsgeier fast nur noch in geringer Anzahl in Spanien. 

Nachdem Bedrohungen wie Gift und Störungen durch den Menschen erfolgreich bekämpft wurden, konnten Mönchsgeier wiederangesiedelt und ihre Zahlen von 250 Brutpaaren (1980) in Spanien auf rund 2.068 Brutpaare (2011) erhöht werden. 


Zur Unterstützung der Bruterfolge in freier Natur werden den Mönchsgeiern häufig künstliche Brutplattformen zur Verfügung gestellt, die sie gerne nutzen. In Spanien, Frankreich und Griechenland nehmen die Brutpaare mittlerweile stark zu. Bisher wurden in Frankreich gut 140 junge Mönchgeier in 3 Gebieten freigelassen. Zwischen 2018 und 2021 folgen 50 weitere in Bulgarien.

Schmutzgeier

Schmutzgeier in Europa noch immer sehr stark bedroht. Viele Populationen nehmen nach wie vor ab oder sind maximal stabil.

Da Schmutzgeier jedes Jahr nach Afrika migrieren, liegen die Gefahren nicht nur in Europa sondern vor allem entlang der Migrationsroute in Afrika. Um die Gefahren besser analysieren zu können, werden mehr und mehr Schmutzgeier mit GPS-Sendern ausgestattet.



Eine häufige Todesursache ist Ertrinken beim Überqueren des Mittelmeeres, wenn unerfahrene Schmutzgeier die lange Route wählen und dann auch noch Regen oder Gegenwind hinzukommen. Um das Wiederansiedlungsprogramm voran zu treiben, gibt es Brutprogramme, vor allem in Italien. Außerdem wurden verschiedene Auswilderungsmethoden getestet, um einen möglichst guten Erfolg zu erzielen.

Zusammenfassung

Da sich die Geierpopulationen in vielen Bereichen Europas wie Spanien und Frankreich erholen, wird die VCF ihren Fokus künftig verstärkt auf den Balkan legen. Dort ist der Trend leider noch immer negativ, vor allem aufgrund von Giftködern gegen Raubtiere, die Nutztiere gefährden. Auch Kollisionen mit Stromleitungen und Stromschlag durch schlecht isolierte Leitungen sind ebenfalls ein großes Problem.

Fragerunde

Gibt es in Europa auch Probleme mit Diclofenac und ein Verbot Kadaver auf den Feldern liegen zu lassen?

Vor 2 Wochen wurde eine Pressemitteilung über den ersten nachweislich an Diclofenac gestorbenen Geier in Europa veröffentlicht. Seit Jahren kämpft die VCF gegen den Einsatz von tiermedizinischem Diclofenac in Europa, aber erfolglos, da es bisher keine toten Geier durch Diclofenac gab. In weiten Teilen Europas dürfen Kadaver nicht ausgelegt werden, aber mittlerweile wieder in einigen Gebieten in Spanien, Frankreich und im Balkan.

Welchen Einfluss haben Windfarmen auf Geier?

Windfarmen sind eine große Bedrohung für Geier in vielen Gebieten. Die VCF strebt eine enge Zusammenarbeit mit Regierungen und Windfarm-Betreibern an, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien möglichst geierfreundlich zu gestalten. Gute Möglichkeiten sind z.B. Detektoren mit automatischem Shutdown, wenn Geier in die Nähe kommen.

Wie werden Bartgeier-Küken ausgebrütet und ausgewildert?

Bartgeier legen meistens 1-2 Eier pro Saison. Die Eier werden im Inkubator ausgebrütet und durch künstliche Eier im Nest getauscht. Wenn die Küken schlüpfen, werden sie händisch für 2 Wochen großgezogen, bevor sie zu ihren Eltern zurück ins Nest gelegt werden. Innerhalb der ersten 2 Wochen tritt eine Prägung auf den Menschen weniger häufig auf. Einige Wochen bevor die Geier flügge werden, werden sie den Eltern wieder weggenommen, um sie in einer Felsnische auszuwildern.