In der freien Wildbahn brüten Gänsegeier zwischen Dezember und Februar fast ausschließlich auf Felsen in Höhen von 100 bis 1800 m (u. a. in Spanien) oder auf Küstenklippen (u. a. auf den Kaverner Inseln). Dort suchen sie sich als sicheren Untergrund eine Felsplattform und bauen ihr Horst aus einer losen Anhäufung von Nistmaterial [1].
Einzelbruten sind eher die Ausnahme, denn Gänsegeier brüten gewöhnlich in Kolonien. Das Brüten in einer Kolonie hat den großen Vorteil, dass sich die Gänsegeier somit gegen andere Arten absichern und ein soziales Netz bilden können. Außerdem dient die Kolonie als Informationszentrum und Ausgangspunkt für die Futterversorgung, bei der alle Individuen kooperieren. Wird ein saftiges Aas entdeckt, so werden die übrigen Geier informiert und das Aas mehr oder weniger fair geteilt.
Es werden drei Arten von Kolonien unterschieden:
Kleine Kolonien umfassen etwa 2 – 9 Brutpaare, mittelgroße Kolonien 10 – 30 Brutpaare und große Kolonien 31 – 90 Brutpaare. Die größten Bruterfolge werden in mittelgroßen Kolonien erzielt, weil dort bei „Ausfall“ der Geier-Eltern die Geier-Küken am häufigsten auch von anderen Geier-Eltern gefüttert und aufgezogen werden [1]. Dies ist gerade für den Bestand der Großgeier, zu denen die Gänsegeier gehören, überlebenswichtig, weil sie neben Albatrossen, die geringste Fortpflanzungsrate im Vogelreich haben. Gänsegeier legen nämlich je Brutpaar nur ein Ei (Januar/Februar). Liegen doch einmal zwei Eier in einem Nest, so haben sehr wahrscheinlich einfach nur zwei Geier-Weibchen das gleiche Nest genutzt. Dass Gänsegeier nur ein Ei und bei Ei-Verlust praktisch nie eine Nachbrut legen, hat einen einfachen Grund: Mineralstoffmangel! Gänsegeier ernähren sich hauptsächlich von kalziumarmen Innereien und Muskulatur. Daher nehmen sie im Gegensatz zu ihren Knochen- und Kleintierkadaver-fressenden Kollegen nur sehr wenig Kalzium zu sich, das aber für das Ei sehr wichtig ist. Ein einziges Ei (ca. 25 g Schalenmasse) allein verbraucht etwa 12 % des Skelett-Kalziums des Mutter-Geiers, so dass die Geburt eines zweiten Eies nahezu unmöglich ist [1].
Das Gänsegeier-Ei ist weiß, manchmal rotbraun gefleckt und wiegt etwa 250 g. Bei seiner Geburt im März/April wiegt das Gänsegeier-Küken ca. 180 – 200 g, nimmt aber sehr schnell an Gewicht zu. Nach 12 Tagen wiegt es etwa 720 g, nach 22 Tagen bereits 2,2 kg, nach 28 Tagen 3,1 kg und mit 8 kg ist es nach etwa dreieinhalb Monaten bereits voll entwickelt [2].
Junggeier werden nur in ihrem Nest gefüttert, daher verlassen sie das Nest nur sehr selten – beispielsweise für kurze Übungsflüge. Finden die Junggeier nicht zurück, so sind sie auf sich allein gestellt und kommen in den meisten Fällen um :-(
Im Hoch- bzw. Nachsommer werden die Junggeier dann flügge. Sie können sich aber erst drei bis vier Wochen nach erstmaligem Verlassen ihres Nestes selber versorgen. Und bis ihre Überlebenschancen realistisch sind vergehen schnell zwei Monate. Die Junggeier müssen lernen sich gegen ihre älteren Artgenossen durchzusetzen, vor allem natürlich beim Aas hack.
Hier eine kurze zeitliche Zusammenfassung der Fortpflanzung von Gänsegeiern [1]:
Dez/Jan/Feb: Balz und Horstbau
Jan/Feb: Eiablage
März/April: Schlupf
(Ende April: Schlupf Geier-Küken im Zoo Duisburg)
März – August: Nestlingszeit
Leider habe ich auch gelesen, dass der Grund für etwa 70 % der Gänsegeier-Brutausfälle bei anhaltendem Regen- und Tauwetter während der Bebrütungs- und frühen Jungenaufzuchtsperiode liegt [1]. Das ist natürlich umso trauriger, weil wir genau dieses Wetter seit Wochen hier in Duisburg haben – und somit das Gänsegeier-Ei im Duisburger Zoo extrem gefährdet ist :-( Wollen wir alle hoffen, dass das Ei wohlauf ist und die Geier-Eltern gut drauf aufpassen!!!
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[1] Wolfgang Baumgart: Europas Geier – Flugriesen im Aufwind; Sammlung Vogelkunde; AULA-Verlag; Wiebelsheim; 2001
[2] Wolfgang Fischer: Die Geier; Berliner Tierpark-Buch Nr. 6; A. Ziemsen Verlag; Wittenberg Lutherstadt; 1974
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