Samstag, 6. März 2010

Infos aus erster Hand

„Ich muss ja zugeben, dass meine Schwester mich schon fast mit ihrer Geier-Begeisterung angesteckt hat… Als ich heute Vormittag unerwartet Sonnenstrahlen gesehen habe, bin ich kurzentschlossen in den Duisburger Zoo gefahren, um nach dem Gänsegeierei zu schauen.“
Da hatten meine Schwester und ich heute offenbar den gleichen Gedanken, nur dass es auf fast unerklärliche Weise leider nicht mit einem gemeinsamen Besuch geklappt hat. Jedenfalls hat sie mir netterweise direkt einen Bericht geschickt, den ich selbstverständlich gerne übernehmen und ergänzen werde.
„Zufällig habe ich den freundlichen Geierpflege getroffen und ihn direkt in ein Gespräch verwickelt. Er hat mir viel Interessantes über die Gänsegeier erzählt. Vor allem wollte ich natürlich wissen, wann mit dem Schlüpfen des Kükens zu rechnen ist – und das soll gegen Ende April sein.“ Hehe, ich frage mich ja, ob der wirklich sehr nette und hilfsbereite Geierpfleger sich nicht gewundert hat, dass er zweimal innerhalb kurzer Zeit die gleichen Fragen beantworten sollte. Aber man hat ihm sofort angemerkt, dass er diese Tiere ins Herz geschlossen hat und daher gerne und geduldig Auskunft gegeben hat.
Die Eltern des Eies sind ein 40-jähriger Geier-Papa aus dem Altbestand des Duisburger Zoos und eine 6-jährige Geier-Mama, die vor etwa drei Jahren mit Artgenossen aus Spanien zugezogen ist. Die neuen Vögel, zwei Weibchen und ein Männchen, sind flugunfähige Invaliden, die zum Beispiel in Hochspannungsmasten bruchgelandet sind und daher nicht mehr ausgewildert werden können. Man kann manchmal erkennen, dass jeweils ein Flügel etwas ungewöhnlich herabhängt, weil die Knochen früher gebrochen waren und nicht mehr richtig verheilt sind.
Der Geier-Papa hatte früher noch einen Kollegen, der aber vor vielen Jahren leider gestorben ist. Daraufhin war er allein und musste lange Zeit auf neue Artgenossen warten. Im Grunde wäre es kein Problem gewesen die spanischen Gänsegeier schneller nach Duisburg zu holen, der Besitzer der Zucht- und Auffangstation hatte mit über 40 Exemplaren nämlich Platzmangel. Leider haben da aber die Tücken der Bürokratie den Geiern einen Strich durch die Rechnung gemacht und der „Alt-Geier" musste lange auf seine Artgenossen warten. Obwohl er noch ohne Geier-Weibchen leben musste, hat sich der „Alt-Geier“ bereits vor sehr langer Zeit den heutigen Nistplatz ausgeguckt. Alle Bemühungen, ihn auf die hochgelegenen Nist-Plattformen aufmerksam zu machen, blieben erfolglos.
Im letzten Jahr gab es in Duisburg dann eine erste Eiablage. Damals wurde das Ei nach zwei Wochen gegen ein Gips-Ei ausgetauscht, weil die Pfleger noch nicht beurteilen konnten, ob das Geierpärchen vernünftig brüten würde. Später hat sich dann herausgestellt, dass das Ei ohnehin unbefruchtet geblieben war.
In diesem Jahr dürfen die Geiereltern ihr Ei behalten. Natürlich ist noch nicht sicher, ob es befruchtet ist. Gerade bei starken Kälteeinbrüchen wie an diesem Wochenende muss das Ei ständig durch die Geier-Eltern gewärmt werden. Bereits 15 bis 20 Minuten der bloßen Kälte ausgesetzt könnten das ungeborene Geierküken töten. Sollte ein Küken schlüpfen, dann wird es voraussichtlich nur zwei bis drei Wochen bei den Eltern bleiben dürfen. Sobald das Kleine nämlich nicht mehr ständig gewärmt werden muss, verlassen manchmal beide Eltern gleichzeitig das Nest. Und dann kann es sein, dass sich die Marabus, die in Duisburg in einer Wohngemeinschaft mit den Gänsegeiern leben, das Küken schnappen und verspeisen. Auch ein wilder Rotfuchs, der manchmal nachts sein Unwesen im Zoo treibt, stellt eine Gefahr für das Geierküken dar. Und das muss auf jeden Fall verhindert werden!!!
Normalerweise würden Gänsegeierküken fünf Monate bei ihren Eltern im Nest bleiben bis sie flugfähig und selbstständig sind. Das Brüten und die Aufzucht des Nachwuchses teilen sich Gänsegeiereltern übrigens auf. In Duisburg erkennt man den „alten“ Geier-Papa daran, dass er leicht helleres Gefieder und hellere Augen als die anderen Geier hat.
Damit die Geiereltern möglichst ungestört sind, kommen die Pfleger dem Nest nicht mehr zu nah. Auch beim Reinigen des Geheges halten sie respektvollen Abstand. Besucher können die Geier aber anscheinend nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
Nach einiger Zeit gab mir der Geierpfleger den Tipp, dass ein Platzwechsel bevor stehen könnte, weil der Geier-Papa in weitem Bogen auf das Nest zu „hoppelte“. Ich habe mich also vorsichtig angeschlichen, um die beiden Geier nicht zu stören. Das Warten in Eiseskälte mit klammen Fingern an der Kamera wurde schließlich belohnt. Der Geier-Papa verscheuchte schnell ein sich näherndes Stachelschwein und vorsichtig erhob sich die Geier-Mama vom Ei. Noch ein zärtlicher Blick aufs Ei, ein dankbarer Blick zum Männchen und schon ging es ab Richtung Aas! Hunger!!! Der Geier-Papa hat sich daraufhin ins Nest gestellt und mit seinem Schnabel und den Krallen liebevoll das Ei hin und her gerollt, um es in die richtige Position zu bringen. Dieser Vorgang dauerte etwa zwei, drei Minuten, bis er mit der Lage seines Eies zufrieden war und es in seiner Brut-Hautfalte verschwinden lassen konnte. Und ich konnte lange Zeit, total gerührt, meine Augen nicht von dem brütenden Geier abwenden.

Wenn das mal kein Geier-Papa mit Beschützerinstinkt ist. SEINEM Ei kommt niemand zu nah!


Liebevolle Kuscheleinheiten für das Geier-Ei

In der Zwischenzeit kam der Geierpfleger noch einmal ums Gehege herumgelaufen und gab mir den Tipp, dass es im Allwetter-Zoo in Münster auch eine sehr große Greifvogel-Voliere mit unter anderem zehn Gänsegeiern gibt. Wie gesagt, ein sehr netter Geierpfleger! An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die interessanten Informationen, die Sie mir und meiner Schwester heute gegeben haben!!!
Trotz Kälte aber bei strahlendem Sonnenschein habe ich mir noch einige Zeit lang die drei übrigen Gänsegeier beim verfressenen „Aas hack“ angeschaut. Leider wurde meine Sicht und die Qualität der Fotos stark von den vielen Marabus beeinflusst, die sich ständig ins Bild gedrängt haben... Keine Sorgen, schon bald werden euch auch noch genügend Zeilen gewidmet...

1 Kommentar:

  1. Hoffentlich klappt es dieses Mal mit dem Ei!
    Aas hack! von Caroline

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