Montag, 1. Juli 2019

Bleihaltige Jagd-Munition in Kalifornien verboten

Heute erhielt ich tolle Neuigkeiten aus den USA, Heimat der prachtvollen Kalifornischen Kondore:
Zum heutigen Tag wurde bleihaltige Jagd-Munition in ganz Kalifornien verboten! Das Gesetz wurde bereits 2013 verfasst und nun in der finalen Phase von Gouverneur Jerry Brown unterzeichnet – vorwiegend, um den Kalifornischen Kondor zu schützen!
Blei ist giftig für viele Wirbeltiere, darunter auch den Menschen. Es schadet dem Immunsystem, der Fortpflanzung, dem Nervensystem, den Nieren und vielen anderen Organen. Die schädlichen Auswirkung von Blei ist hinreichend bekannt und das Center for Disease Control (CDC) hat bekannt gegeben, dass jedes Kleinkind, das Blei ausgesetzt war, Spuren von neurologischen Langzeitschädigungen aufweist. Daher ist der Einsatz von Blei mittlerweile verboten oder stark reguliert. Auf der Jagd wird es jedoch häufig noch eingesetzt, weil bleihaltige Munition sehr schwer ist, sich beim Aufprall stark verformt und somit ein getroffenes Wildtier sehr schnell tötet.
Blei schadet aber nicht nur Wirbeltieren und dem Menschen, sondern auch Aasfressern.
Die Auswirkungen auf die Kalifornischen Kondore sind nicht zu unterschätzen! Der beinahe ausgestorbene Kalifornische Kondor hat zwar in den letzten Jahrzehnten langsam ein Comeback gefeiert, aber immer wieder machen traurige Verluste wichtiger Exemplare die gute Arbeit zunichte. Bleivergiftung ist die Haupttodesursache – in den meisten Körpern und Eingeweiden verendeter Kondore wurden nämlich Bleirückstände gefunden.
Bleimunition zersplittert in zahllose winzige Stückchen, wie Röntgenbilder untersuchter Geierkörper zeigen, und verteilt sich im ganzen Kadaver einer Jagdbeute. Wenn nun ein Kalifornischer Kondor ein geschossenes Wild verschlingt, nimmt er unfreiwillig die winzigen Bleifragmente mit auf. Eine Bleivergiftung kann unterschiedliche Symptome bei einem Geier auslösen: Verdauungsprobleme, Schwäche, eingeschränkte Beweglichkeit, Lähmung, Atemprobleme, abnormales Verhalten, Anfälle, Gewichtsverlust, Störung des Immunsystems, Schwächung der Knochen und vieles mehr. Diese Probleme haben nicht selten Auswirkungen auf die Fortpflanzung oder das Flugverhalten. So können Eier unfruchtbar sein, Küken an Gendefekten leiden bzw. sterben oder Geier durch eingeschränkte Bewegungsfähigkeit oder schwache Knochen im Flug mit z. B. Stromleitungen kollidieren. In den meisten Fällen führt eine starke Bleivergiftung zum Tod. Bereits wenige verschluckte Bleifragmente der Größe eines Sandkorns reichen aus, um einen stattlichen Kalifornischen Kondor zu töten.
2017 durfte ich im Pinnacles National Park der Pinnacles Condor Crew einen Tag lang dabei helfen eingefangene wilde Kondore per Blutprobe auf Blei zu testen, ihren Gesundheitszustand zu überprüfen und sie anschließend wieder freizulassen. Viele der wilden Kondore werden auf diese Weise zweimal jährlich untersucht, was für die Tiere enormen Stress bedeutet. Aber dies ist der einzige Weg rechtzeitig einzuschreiten und die Kondore zu behandeln, falls ihr Bleigehalt im Blut den kritischen Wert überschritten hat.
Eine Zeit lang wurde vermutet, dass Kondore und andere Raubtiere das Blei durch Splitter von bleihaltigen Farbanstrichen oder Bleirohren aufnehmen. Aber Untersuchungen haben ergeben, dass bleihaltige Munition die Hauptquelle ist. Blei besteht aus unterschiedlichen Isotopen, die eine individuelle Signatur bilden, ähnlich wie ein Fingerabdruck. Wurden nun die Signatur einer bleihaltigen Munition mit der Signatur der Bleifragmente im Körper eines Kalifornischen Kondors verglichen, so zeigte sich in den meisten Fällen eine deutliche Ähnlichkeit – nicht wie beim Vergleich mit bleihaltiger Farbe und ähnlichem.
Kann das Verbot bleihaltiger Munition wirklich helfen den Kalifornischen Kondor zu schützen?
Seit die Untersuchungen bekannt wurden und auf die Gefahr bleihaltiger Munition hingewiesen wurden, konnte leider keine Reduzierung der Sterblichkeitsrate erzielt werden. Allein ein kontaminierter Tierkadaver kann ausreichen, um viele einzelne Kondore zu töten, die gemeinsam von dem Kadaver fressen. Statistiken haben ergeben, dass selbst wenn nur 1 % aller Kadaver Blei enthalten, jeder einzelne Kondor eine 30-50 %ige Chance hat von diesem Kadaver zu fressen und an einer Bleivergiftung zu sterben.
Mit dem neuen Gesetz und dem Verbot bleihaltiger Munition wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht und ein klares Zeichen zum Schutz des Kalifornischen Kondors gesetzt. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass das neue Gesetz flächendeckend umgesetzt und die Einhaltung überwacht wird. Jeder einzelne Umstieg von bleihaltiger zu bleifreier Munition kann auf dem beschwerlichen Weg zur Rettung des Kalifornischen Kondors helfen!
Natürlich ist bleihaltige Munition nicht nur in den USA ein großes Problem sondern weltweit. Die Munition macht auch unseren europäischen Geiern, insbesondere den Bartgeiern, schwer zu schaffen.
Bartgeier haben selbst für Geier eine besonders starke Magensäure, da sie sich hauptsächlich von Knochen ernähren. Die Nahrung bleibt lange im Körper, bis sie vollständig verdaut ist. Verschluckte Bleifragmente haben also besonders viel Zeit, sich im Körper einzunisten und zum Beispiel in die Blutbahn zu geraten. Bartgeier fressen vorwiegend blanke Knochen und nur wenig Haut oder Fell. Im Gegensatz zu anderen Greifvögeln bilden Bartgeier daher nur selten Gewölle, mit denen sie eventuell kleine Bleifragmente ausscheiden könnten. Über die Jahre kann sich also eine große Menge Blei in einem langlebigen Geierkörper ansammeln. Im gesamten Alpenraum sind viele Bartgeier-Verluste aufgrund von nachweislicher Bleivergiftung zu betrauern.
In der Schweiz setzt sich zum Beispiel die Stiftung Pro Bartgeier dafür ein, dass Kadaver, die vermutlich mit Blei kontaminiert wurden, Geier-unzugänglich aufbewahrt und vernichtet werden. Außerdem setzen sie sich durch große Info-Kampagnen dafür ein, dass ein Umstieg zu bleifreier Munition erfolgt. Viele Jagdbehörden und Jagdkreise folgen diesem Aufruf und setzen sich ihrerseits dafür ein, dass Wildtiere von Bleivergiftung verschont bleiben. Auf der Bartgeierkonferenz 2017 in Passy, Frankreich, konnte ich mir damals sogar einen Vortrag zu ersten Pilotprojekten mit Jagdvereinen anhören. Auf der Webseite der Stiftung Pro Bartgeier ist für alle Interessierten Infomaterial hinterlegt, u. a. ein Ratgeber zur Umstellung auf bleifreie Munition.
Auch die Vulture Conservation Foundation (VCF) engagiert sich mit ihren vielen Partnern stark für ein Verbot bleihaltiger Munition und führt viele Info-Kampagnen und Pilotprojekte durch. In Bulgarien wird der Einsatz bleifreier Munition in den Rhodopen derzeit beworben. In den italienischen Alpen wurde bleifreie Munition im Stelvio Nationalpark sowie in der Sondrio-Provinz verboten, ebenso in zwei Gebieten im spanischen Maestrazgo. Pilotprojekte mit Jagdvereinen und bleifreier Munition gibt es im österreichischen Hohe Tauern Nationalpark, in den Pyrenäen, im französischen Cévennes Nationalpark sowie in Haute-Savoie.
Hoffentlich werden die europäischen Entscheidungsträger dem guten Vorbild der USA folgen und auch bei uns flächendeckend den Einsatz bleihaltiger Munition verbieten!

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