Nachdem gestern Mittag leider Patrick abgereist ist, habe ich mich den größten Teil des Tages dem Lernen in der Sonne gewidmet. Bei so einer herrlichen Aussicht ist es gar nicht so leicht sich auf die Vokabeln zu konzentrieren.
Außerdem kommt hin und wieder ein Gemüsehändler vorbeigefahren, der sich lautstark ankündigt.
Die war der erste (und einzige) Tag bisher, an dem wirklich den ganzen Tag super Wetter war, schöner Sonnenuntergang inklusive.
Der heutige Sonntag und gleichzeitig mein letzter Tag hier in Atahualpa, stand unfreiwillig ganz im Zeichen der Kuh! Rocio, meine Spanischlehrerin, hat ein paar Kühe in den Bergen, die sie jeden Morgen melken muss. Da konnte ich ja einfach nicht widerstehen mal mitzufahren und selber am Euter zu rupfen ;-) Zusammen mit Rocios Bruder Wilson ging es also früh morgens los, ca. 15 Minuten mit einem alten, klapperigen Geländewagen die schnörkelige Straße entlang, ein ganzen Stück die Berge hinauf. Unterwegs noch einen Milcheimer eingesammelt und auf einmal kamen wir in der Spalte zwischen zwei Hügeln in einen Bambuswald! Dort den Wagen abgestellt und das letzte Stück zu Fuß.
Ächtz, wenn ich das gewusst hätte… wieder bergauf! Der traumhafte Bambuswald lenkte zum Glück von den morgendlichen Strapazen ab und schon bald kamen wir aus dem Wäldchen hinaus auf die Viehweide.
Inklusive drei Kälbchen trieben sich dort etwa 10 Kühe rum, deren Hinterbeine verknotet werden mussten, damit wir sie in Ruhe melken konnten. Einmal Slalom um die Kuhfladen und dann ran an die Euter ;-)
Gar nicht mal so einfach, dort was rauszukriegen, obwohl die Euter bis zum Platzen gefüllt schienen. Erst tat sich gar nichts und dann spritzte die Milch überall hin, nur nicht in den Eimer. „Stripp strapp strull, ist der Euter noch nicht vull?“
Zuerst quer über die Hose, dann in den Ärmel hinein und anschließend auf den Schuh… aber irgendwann hat es tatsächlich geklappt! Mit dem Tempo der anderen beiden konnte ich natürlich nicht mithalten und als die Kuh unruhig wurde, hörte ich lieber auf. Armes Tier, muss ja über so ein planloses Gerupfe tierisch genervt gewesen sein! Aber ich finds klasse, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben die Chance hatte eine Kuh zu melken. Jetzt fehlt eigentlich nur noch das Scheren eines Schafes…
Eine Kuh hielt sich abseits der anderen und ein langer Blutfaden hing ihr aus dem Hinterteil: Sie war kurz davor ein Kalb zu gebären, was natürlich zu großer Aufregung führte.
So einen Moment würde ich ja gerne miterleben. Weil der Milchtransporter allerdings nicht ewig wartet, mussten wir die Milch schnell zum Sammelpunkt der Milchbauern bringen. Also wieder quer durch den schönen Bambuswald, diesmal zum Glück bergab. Und da wir die meisten Melk-Utensilien bei den Kühen lassen konnten, hatte ich endlich die Hände frei für ein paar Bilder.
Zum Sammelpunkt ging es ein Stück die Straße zurück bis an eine Ansammlung weniger Häuser. Dort stand auch schon der kleine Laster und aus allen Richtungen wurden Milcheimer herangetragen. Zu Fuß, per Motorrad, auf einem Pferd festgeknotet oder die Kühe wurden direkt „vorgetrieben“.
Weil wir die Geburt des Kälbchens nicht verpassen wollten, fuhren wir bald wieder zurück und mit Grauen dachte ich an den erneuten Aufstieg – bis wir dann plötzlich in einen anderen Seitenweg abbogen und den Wagen parkten. Von dort aus mussten wir eigentlich „nur“ ca. 200 m über einen Acker laufen, kaum Höhenunterschied sichtbar. Aber zu früh gefreut! Der Acker war so stark gepflügt, dass man bei jedem Schritt bis zum Knie im Staub versackte. Der Weg war also nicht weniger anstrengend.
Als Trost ging es aber auch auf dieser Route wieder durch ein Stückchen des Bambuswaldes, bis wir dann am anderen Ende der Weide ankamen.
Die trächtige Kuh hatte noch keinen Erfolg erzielt und quälte sich ab. Wir warteten bestimmt noch eine Stunde, aber nichts tat sich. Mir wurde erklärt, dass es ein schlechtes Zeichen ist, wenn die Geburt länger als zwei Stunden dauert. Also wollten wir den Tierarzt rufen, dieser war aber nicht in der Stadt. Besorgt fuhren wir zurück und während es ein sehr spätes Frühstück gab, versuchte Rocio irgendwie an Medikamente zu kommen, um der Kuh selber eine Spritze geben zu können. Letztendlich konnte sie die nötige Spritze auftreiben und wir fuhren wieder zurück zur Kuh. Quer über den Acker, durch den Bambuswald und ab auf die Weide…
Leider musste ich feststellen, dass es auch hier neben vielen schönen Tagen ebenso traurige Tage gibt: Als wir auf der Weide ankamen, stand Mutter-Kuh über ihr totes Kälbchen gebeugt und versuchte es liebevoll wieder zum Leben zu erwecken, indem sie das Kälbchen pausenlos ableckte. Ein herzzerreißender Anblick!!!
Wir versuchten die Kuh einzufangen, damit wir ihr die Spritze und einen Vitamin-Cocktail geben können, aber sie zerrte sich immer wieder frei, um zu ihrem toten Kalb zurückzukehren. Leider mussten wir sie dennoch wegzerren, um sie versorgen und anschließend melken zu können, da die Kuh sonst „geplatzt“ wäre. Dieser Kraftakt dauerte über eine Stunde, weil die Kuh einfach nicht kooperieren wollte. Kein Wunder, wo ja schon wir drei total traurig waren. Wie muss da erst die arme Mutter-Kuh leiden???
Den Gedanken an „totes Kalb = Kondor-Futter“ verdrängte ich schnell wieder, weil die ganze Situation einfach zu traurig war.
Sonntag, 21. Oktober 2012
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