Nach knapp einer Woche habe ich heute die Spanischschule in Atahualpa verlassen und mich auf den Weg Richtung Andenkondor-Projekt gemacht. Dafür musste ich widerlich früh aufstehen und um 5:45 Uhr den Bus nach Guayllabamba nehmen. Die Fahrt dauerte knapp eineinhalb Stunden und ging immer wieder berghoch, bergrunter, in Serpentinen hin und her, rööööäääääh. Vor allem, wenn man vor Aufregung praktisch kein Frühstück runter gekriegt und noch dazu 20 kg Handgepäck auf dem Schoß hat. Mein Handy (und andere europäische) empfangen hier offenbar kein Netz, so dass ich ziemlich nervös war, weil ich für die Projektleitung (und den Abholservice) nicht erreichbar war. Treffpunkt war 10:30 Uhr am Busterminal in Ibarra... Aber die erste Fahrt bis Guayllabamba ging gut und dort angekommen schaffte ich es sogar auf der anderen Straßenseite in den richtigen Bus einzusteigen. Weiter knapp 2 Stunden später kam ich dann in Ibarra an und mit dem Abholservice hat auch alles super geklappt. Der Treffpunkt am Busterminal war vorher perfekt beschrieben gewesen und die Projektleitung hatte ich bereits vorab via Skype und Webcam kennen gelernt, so dass wir uns auch direkt erkannt haben.
Mit mir zusammen hat auch Nathan, ein netter Biologe und Fotograf aus Massachusetts, das Projekt zwei Wochen eher als ursprünglich geplant begonnen. Die nächsten zwei Wochen werden wir hier die einzigen Volunteers sein, aber Anfang November kommen dann noch ein Japaner und zwei Kanadier dazu.
Mit dem Wagen ging es noch etwa 20 Minuten weiter bis zur noblen Hacienda Zuleta, aus deren Gründerfamilie bereits zwei Präsidenten Ecuadors hervorgegangen sind. Die Hacienda Zuleta ist teilweise eine Nobleunterkunft für Touristen mit dem nötigen Budget, die ca. 200 Dollar pro Nacht berappen können. Nunja, die Hacienda ist schon sehr schön, aber mit "5 Sterne" und 200 Dollar die Nacht würde ich sie jetzt nicht spontan in Verbindung bringen.
Für uns Helfer gibts ein eigenes Volunteer-Haus, das etwa 100 m vom Haupthaus entfernt ist. Dort stehen und zwei Schlafzimmer mit je drei Betten, eine Küche, ein Bad und ein großer "Wintergartenflur" mit Panoramafenstern und Kamin zur Verfügung. Das Frühstück sucht sich jeder selbst zusammen, Lunchpakete werden geschnürt und abends werden wir dann in der Hacienda richtig gut bekocht. Es gibt WLan und wenn wir Probleme haben, dann können wir jederzeit in der Hacienda nachfragen.
Morgens und nachmittags werden wir uns täglich um den Karnickelstall hier kümmern. Dazwischen geht es dann die meiste Zeit zu den prachtvollen Andenkondoren, die 2,5 km Fußmarsch von der Hacienda entfernt wohnen. Der Weg führt durch ein herrliches Tal, rechts und links riesige Felsen, neben dem Weg ein kleiner, plätschernder Bachlauf und überall Kühe, Pferde, Lamas etc. Wenn wir Glück haben, könnten wir auch einen der in Ecuador stark gefährdeten Brillenbären (auch Andenbären genannt) sehen. Aber wer schaut schon nach rechts und links nach Pelzvieh, wenn er es kaum erwarten kann endlich das prachtvolle Federvieh zu sehen!?
Der Weg zum Kondor-Haus ist abgesperrt, aber das gesamte Gebiet zur Hacienda gehört, treiben sich sowieso kaum Leute hier herum. Und wenn, dann nur kleine, geführte Touristengruppen oder einheimische Arbeiter.
Blick durch das Tal, auf unser Kondor-Haus, eine kleine Hütte, wo wir unseren Kram abladen können, wo es sogar Klo und Dusche gibt und hin und wieder wichtige Besprechungen stattfinden.
Und da ist sie: Die Andenkondor-Voliere!!!Die große Voliere ist unterteilt in drei Bereiche, wo jeweils ein Andenkondor-Pärchen lebt. Rechts (nicht im Bild) ist noch eine weitere Voliere mit einem Single-Andenkondor-Mann, der leider bisher noch kein passendes Weibchen abbekommen habt. Alle sieben hier lebenden Kondore stammen entweder aus karger Gefangenschaft oder wurden verletzt gefunden. Sie hätten in der freien Wildbahn keine Chance zu überleben, so dass diese Voliere eine gute Möglichkeit bietet, eventuellen Kondor-Nachwuchs zu züchten, der eines Tages ausgewildert werden könnte.
Prachtvolles Andenkondor-Weibchen beim Sonnenbaden.
Zaungast...
Ein kleines Geier-Restaurant nahe der Volieren, wo hin und wieder Aas für die wilden Geier ausgelegt wird. Leider kann es auch vorkommen, dass dieses Aas von Brillenbären oder Pumas stibitzt wird.
Blick durch das Tal Richtung Hacienda.
Ein mit flechten bewachsenes Geäst.
Unser Hauptaufgabe ist es die Andenkondore in den Volieren zu beobachten. Dafür notieren wir jeweils 15 Minuten lang jede Bewegung von Männchen und Weibchen in einer Voliere und rechnen hinterher die Anzahl der Aktionen sowie die Gesamtdauer bestimmter Handlungen in Sekunden aus. Nach 45 Minuten sind wir dann mit den drei Pärchen-Volieren durch und haben 15 Minuten Pause. Während einer die Volieren beobachtet, hält der andere nach wilden Andenkondoren Ausschau und macht dazu natürlich auch Notizen, wenn möglich mit Geschlecht, Alter (Jungvogel oder erwachsener Geier), Uhrzeit und Ortsangabe. Später werden diese Daten dann in ein Computerprogramm eingegeben und können nach verschiedenen Aspekten ausgewertet werden. Beobachtet werden die Flattermänner von 10-15 Uhr.
Hübsche Kondor-Dame, erkennbar an den roten Augen und OHNE fleischigem Kamm auf dem Kopf.
Kondor-Männchen MIT fleischigem Kamm...
Genialerweise haben wir auch direkt ein paar wilde Andenkondore gesehen, zumindest einmal drei zur gleichen Zeit. Hier in der Gegend leben etwa fünf Andenkondore, in ganz Ecuador schätzungsweise nur noch 50 Stück. Wirklich traurig, wie sehr sie hier bedroht sind. In manchen Andengebieten sind sie vollkommen vom Himmel verschwunden, in einigen wenigen Ländern ist die Population noch relativ stabil. Aber hier in Ecuador ist wirklich Not am Geier!!!
Das Fotografieren zeigt sich aufgrund von Lichtverhältnissen, Entfernung und Schnelligkeit der Prachtgeier als sehr schwierig, daher seht mir bitte die mangelnde Qualität nach.
Wilder Andenkondor-Mann:
Hehe, zugegebenermaßen in dieser Haltung (mit hängenden Füßen) nicht gerade elegant ;-) Aber dennoch ein göttlicher Anblick, wie sich dieses Riesenvieh durch die Lüfte wälzt!
Andenkondor-Mann, der von einem Felsvorsprung abhebt.
Und hier ist sie, die Eleganz pur!
Ein Riese am Himmel mit einer Spannweite von 3,50 m!
Etwas kopflos, der Gute!
Andenkondore schlagen nur ungern mit den Flügeln, weil es sie viel zu viel Energie kostet. Dennoch könnten sie sich allein im Segelflug locker 350 km am Stück durch die Lüfte gleiten lassen.Und weil die Landschaft so schön ist, hier nochmal die traumhafte Aussicht von der Kondor-Voliere aus.
Was für ein wunderbarer, erster Tag unter Geiern! Nun hat das Geierjahr "Auf den Schwingen des Geiers rund um die Welt" endgültig begonnen!!!
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