VCF-Direktor José Tavares stellte zunächst die Handlungsfelder aufgrund der Covid-Pandemie vor. Als Anfang 2020 die ersten Länder ihre Grenzen schlossen und einen Lockdown ausriefen, hatte dies großen Einfluss auf den Geierschutz. Gerade im Frühjahr müssen häufig Geierküken oder Eier quer durch Europa zu Ammen-Geiereltern transportiert werden. Um zum Beispiel trotz Lockdown Spanien queren zu können, mussten über diverse Regierungsvertreter viele Anträge und zahllose Dokumente ausgefüllt werden. Außerdem mussten Brutprotokolle und Handlungsleitfäden auf Einschränkungen aufgrund von Covid angepasst werden.
Trotz aller Widrigkeiten konnten 2020 insgesamt 21 Bartgeier ausgewildert werden. Dies kommt an Höchstwerte aus Nicht-Corona-Jahren heran! 8 Bartgeier gingen nach Andalusien, 5 nach Grands Causses, 2 nach Baronnies (Voralpen), 2 nach Vercors (Voralpen), 2 in die Schweiz und 2 nach Maestrazgo. Damit steigt die Zahl ausgewilderter Bartgeier-Jungtiere zwischen 1986 und 2020 auf stattliche 333. Von den 333 Bartgeiern wurden 222 in den Alpen und Voralpen ausgewildert, 71 in Andalusien, 25 in Grand Causses, 6 auf Korsika, 6 in Maestrazgo und 3 auf Sardinien.
In Andalusien wurden 7 wilde Bartgeier-Paare gesichtet, 3 davon brüteten und ein gesundes Küken konnte ausfliegen. Die Zahlen sind zwar noch gering, aber besser als in der Vergangenheit. In Grand Causses wurde leider eines der ausgewilderten Jungtiere nur wenige Monate später abgeschossen. Natürlich gingen Geierschützer auf die Barrikaden und ein Kriminalfall wurde eröffnet, um den Schuldigen ausfindig zu machen und zu bestrafen.
Der Bartgeier-Monitoring-Tag war 2020 leider durch schlechtes Wetter und Covid-Einschränkungen geprägt. Es konnten 256-344 Individuen gesichtet werden. In der Brutsaison 19/20 wurden in den Alpen 58 Bartgeier-Territorien mit 51 Brutpaaren dokumentiert. 36 Küken sind erfolgreich geschlüpft.
Zur Wiederansiedlung des Mönchsgeiers wurden 15 Geier von Spanien nach Bulgarien gebracht. Ein Mönchsgeier verstarb leider nach einer Kollision mit einer Stromleitung. Diese wurde umgehend gesichert, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt. Ein weiterer Junggeier, der in einem Zoo geschlüpft war, wurde abgeschossen und auch hier ein Kriminalfall eröffnet. Die einzige Mönchsgeierkolonie im Balkan befindet sich in Dadia.
5 weitere Mönchsgeier wurden nach Frankreich überführt.
Die portugiesische Mönchsgeierpopulation umfasst derzeit 35 Paare in 3 Kolonien.
Mit Blick auf die Gänsegeier-Population lässt sich ein Anstieg von 22 % über die vergangenen 4 Jahre in den Rhodopen feiern. Auf Zypern wurden 20 Individuen inkl. 3 Brutpaare gesichtet. Außerdem stieg die Population auf Sardinien von 130 auf 250-270 Gänsegeier in den letzten 7 Jahren. Seit 3 Jahren werden auch immer wieder Schmutzgeier auf Sardinien gesichtet. Historisch lebten sie dort zwar nicht, aber vermutlich werden sie durch die Futterplätze für die wachsende Gänsegeier-Population angelockt.
Um die Schmutzgeier-Migration nach Afrika genauer zu untersuchen, werden mehr und mehr Schmutzgeier mit GPS-Sendern ausgestattet.
Die größte Bedrohung für Geier sind Massenvergiftungen. So starben allein bei einem tragischen Vorfall auf dem griechischen Festland 10 Gänsegeier auf einen Streich. Gift ist vor allem im Balkan leider noch sehr verbreitet. Die Bekämpfung von Gift(ködern) ist daher Bestandteil jedes Geierprojektes der VCF. Die Bildung nationaler Anti-Poisoning-Teams, der Einsatz von Giftspürhunden sowie die Festlegung von Leitfäden und Aktionsplänen werden konsequent vorangetrieben.
Die VCF ist zwar eine Organisation mit Fokus auf den vier europäischen Geierarten, engagiert sich aber wo immer möglich auch im Geierschutz weltweit. So unterstützte sie beispielsweise bei der dramatischen Geiermassenvergiftung in Guinea-Bissau, wo über 2.000 Kappengeier starben. Außerdem ist sie Mitglied der IUCN Vulture Specialist Group und u.a. in das Projekt zur Dokumentation von Geier-Verlusten in Marokko involviert.
Darüber hinaus engagiert sich die VCF im Einsatz gegen bleihaltige Munition, nimmt an internationalen Konferenzen teil, treibt Forschung voran und ist sehr aktiv in Sachen Aufklärung durch soziale Medien, internationale Presse, Online-Projekte/Webinare, IVAD (Weltgeiertag), Geierbücher und ähnliches. Allein 2020 wurden über 300 Blogartikel veröffentlicht, über 200.000 Besucher klickten die Webseite an, es gab über 2.000.000 Interaktionen/Reaktionen auf Facebook und Twitter, dazu über 100 Berichte in den Medien. Von dieser Reichweite kann mein eigener Geierblog nur träumen!
Anschließend wurden viele Fragen, die vorab oder live im Chat gestellt wurden, von den Experten der VCF beantwortet.
Vor allem in einem verrückten Jahr wie diesem, wo mein persönlicher Geiereinsatz leider nicht möglich war, habe ich diese Info-Veranstaltung als großen Hoffnungsschimmer und Motivation für die Zukunft empfunden! Die Vielzahl trotz Corona durchgeführter Projekte zeigt, dass der Geierschutz auch in Zeiten einer weltweiten Pandemie Priorität hat und auch unter schwersten Bedingungen weiter verfolgt wird! Daher meinen ganz herzlichen Dank an das tolle Team der VCF sowie alle involvierten Personen und Projektpartner, die 2020 wahre Wunder verbracht haben!!! Ihr seid spitze!!!
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