*Achtung: Dieser Artikel enthält triefenden Sarkasmus und Wutanfälle!*
Der unfassbaren Idiotie einiger Menschen sind mal wieder keine Grenzen gesetzt!
Zufällig stieß ich heute auf einen „
Leserbrief “ des Vorsitzenden des Beckham Bird Club, der sich über diverser Artikel des Louisville Courier Journal echauffierte. Offenbar wurden mehrere reißerische Stories über
Rabengeier und
Truthahngeier veröffentlicht, die in Kentucky und Indiana ihr Unwesen treiben und Kühe bei lebendigem Leibe verspeisen, nachdem sie ihnen vorher die Augen ausgepickt haben. Yeah, die Apokalypse der Rabengeier! Ja nee, is klar!
Sehr schnell wurde ich online fündig (Ende Juni/Anfang Juli) und konnte mir eine üble Aneinanderreihung journalistischen Schwachsinns durchlesen, der selbst einem gewissen deutschen Schmierblättchen in nichts nachsteht!
Laut des Reporters wurde von Farmern berichtet, dass Rabengeier und Truthahngeier in Scharen einfallen, Kühe, Kälbchen und gebärende Muttertiere mit ihren scharfen Schnäbeln tothacken. Zitat:
„Erst die Augen, dann die Zunge, dann jedes letzte bisschen Fleisch!“
Ich glaube an dieser Stelle macht es Sinn direkt mal Bilder der furchteinflößenden Riesenschnäbel von Rabengeier und Truthahngeier zu zeigen.
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Truthahngeier |
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Rabengeier |
Offenbar verlieren Kentuckys Farmer Nutztiere im Wert von 300.000-500.000 $ an die Geier. Im Leserbrief wird hingegen erklärt, dass 2018 Nutzvieh im Wert von knapp 740 Mio. $ verkauft wurde mit einem durchschnittlichen Wert je Kuh von ca. 1.800 $. Ein Kalb ist ca. ein Drittel davon wert. Wenn Geier also bis zu 500.000 $ Schaden anrichten, entspricht dies großzügig aufgerundet max. 1.000 Kälbern. Das sind weniger als 1 % der über 107.000 toten Nutztiere, die 2018 verzeichnet wurden. Und in dieser Herleitung wird nicht mal betrachtet, dass vermutlich die meisten Kälber bereits gestorben waren BEVOR sie kurz darauf von Geiern gefressen wurden.
Aber anscheinend sind nicht nur Nutztiere in akuter Gefahr, sondern auch Haustiere. Es gibt einen
ganzen Artikel, der auflistet, wie Haustierbesitzer ihre Tiere vor den blutrünstigen Geiern schützen können. Unglaublich! Das harmloseste hierbei ist das Aufstellen von Geierattrappen. Danach kommt gleich das Aufschrecken von Geiern durch Warnschüsse und Lärm, was mit Sicherheit die geliebten Haustiere und das Nutzvieh genauso erschreckt wie die Störenfriede. Ganz tolle Vorschläge sind der Erwerb von Genehmigungen, um Geier abschießen zu dürfen. Die Kosten hierfür betragen gerade mal 100 $. (Für die Farmer dennoch eine Zumutung, dass sie einen Antrag stellen und Geld dafür zahlen sollen, damit sie ihre Lebensgrundlage schützen können.) Oder man soll schauen, wo die Geier nisten, denn solange keine Eier oder Küken im Nest sind, dürfen die Nester zerstört werden! Wenn sich jemand durch Menschen belästigt fühlt, darf er dann auch die neue Babywiege einer Hochschwangeren kurz und klein hacken? Sorry, ich weiß ich schweife ab, aber diese Artikel haben mich wirklich stinkwütend gemacht! Es wird erwähnt, dass die Geiernester nur schwer zu finden sind, da die Geier bis 30 Minuten vor Dämmerung auf der Suche nach Futter sind und erst dann ins Nest heimkehren, wenn sie nur noch schwer zu erkennen sind. Hier möchte ich noch den Tipp ergänzen sich ein Nachtsichtgerät anzuschaffen, damit die Erfolgschancen höher sind. Wie kann man nur auf die Idee kommen Nester zu zerstören???
„Mit einem Geier ist es, als wenn jemand mit einem scharfen Häutungsmesser auftaucht… Es sind alles klare Schnitte… Die Tierhaut ist sauber aufgetrennt, wohingegen Kojoten oder Hunde sie auseinanderreißen!“ Und etwas später:
„Sie mögen es mit den Neugeborenen zu spielen. Erst hüpfen sie herum, bis sich das Kälbchen in ihrer Anwesenheit wohlfühlt, und dann hacken sie ihm die Augen aus!“ Anschließend dauert es nur wenige Minuten, bis das Kalb komplett gehäutet und kein Fleisch mehr übrig ist. Natürlich mag es vorkommen, dass Geier tatsächlich lebende Tiere erbeuten, aber keine großen Kühe, sondern kleine, schwache Tiere, die sowieso bald gestorben wären. Viel häufiger kommt es aber vor, dass Geier die Nachgeburten fressen und diese vom Laien für Neugeborene gehalten werden. Ist halt beides eine blutige Angelegenheit. Oder wie bereits oben erwähnt stirbt ein Jungtier bei der Geburt und wird dann umgehend von Geiern, die vielleicht bereits vorher gewartet haben, gefressen. Das ist der Kreislauf der Natur und der Farmer muss den Dreck nicht selber wegmachen. Den Geiern aber in diesem Fall zu unterstellen, dass sie ein lebendes Tier getötet oder sogar
„bei lebendigem Leib gefressen“ hätten, ist einfach eine Unverschämtheit! Außerdem wird es in dem Artikel so dargestellt, als wenn alle der zehn- bis hunderttausenden Truthahngeier und Rabengeier der USA mordend durch die Gegend flattern. Wir reden hier immer noch realistisch betrachtet von Einzelfällen!
Es wird beschrieben, dass Rabengeier schon immer aggressiver als Truthahngeier waren, aber ihr schlechtes Verhalten nun immer mehr auf Truthahngeier abfärbt. Erkenne ich etwa auch hier Parallelen zur Menschheit? Unmöglich!
Da Rabengeier mittels Sehkraft und Truthahngeier mittels Geruchssinn jagen, ergänzen sie sich perfekt. Der Truthahngeier erschnüffelt das lebende Tier und der Rabengeier sieht, wo der Truthahngeier hinfliegt. Der Journalist scheint unter die Profiler gegangen zu sein und hat auf professionelle Art und Weise ein riesiges Massenmörderteam entlarvt. Meinen Glückwunsch!
Ein wirklich interessanter Aspekt der Artikel, bei dem sich eine Recherche lohnen würde, wird leider zur Randnotiz: Rabengeier migrieren aus dem nördlichen Südamerika über Texas durch den Südosten der USA bis nach Pennsylvania. Warme Winter haben vermutlich dazu geführt, dass die Anzahl der Geier stark gestiegen ist und die Geier immer weiter in den Norden fliegen. In Indiana waren bisher hauptsächlich Truthahngeier bekannt. Die Rabengeier sind erst in den letzten Jahren zahlreiche dort eingeflogen. Der Kommentar des Leserbriefs spricht mir auch hierzu absolut aus der Seele: Eine gründliche Recherche zur
„Verschiebung der Geierpopulation als Folge des Klimawandels“ hätte vermutlich den Reportern von Louisville Courier Journal als reißerische Headline nicht ausgereicht, so dass lieber noch eine landesweite Plage von Geiern, die sich wie Zombies aufführen, ergänzt werden musste!
Ein Farmer hat für seine Kollegen einen ganz besonderen Tipp, der selbstverständlich bei den sensationsgeilen Reportern direkt Gehör findet und umgehend gedruckt wird: Während der Kalb-Saison immer eine Flinte mit sich herumschleppen! Die abgeschossenen Geier werden dann kopfüber und mit ausgebreiteten Flügeln mit knallorangem Draht in seinen Kirschbäumen aufgehängt als Warnung für weitere Geier. Dabei darf auch die morbide Erklärung nicht fehlen, dass der Geier damit bekommt, was er verdient
(„For several months … bugs and weather give the dead, hanging vultures a taste of their own medicine“). Wie gerne würde ich dir gerade deine eigene Medizin sonstwo hinschieben!
Schon 2018 gab es einen ähnlichen Artikel, damals im
Indianapolis Star: Ein Farmer berichtet, dass 15-20 Rabengeier auf einer Kuh gelandet sind, die durch Probleme bei der Geburt teilweise bewegungsunfähig war. Sie haben angefangen große Portionen aus ihrem Rücken und Hinterbeinen gefressen zu haben, während die Kuh noch am Leben war. Ich bin mir sicher der Reporter konnte es sich bildlich vorstellen.
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Größenvergleich: Ein Rabengeier pickt am Bein eines Ferkels. Und jetzt erklär mir einer, wie der Geier mit diesem Minischnabel eine lebende, ausgewachsene Kuh fressen soll!? |
Natürlich tut es mir leid, wenn Farmer ihr Nutztiere oder Haustiere verlieren. Ich streite mit Sicherheit nicht ab, dass auch ein Geier mal ein Kleintier tötet. Sollten sich solche Vorfälle bei einem Farmer häufen, dass muss selbstverständlich gehandelt werden. Aber bitte durch das Hinzuziehen von professionellen Biologen und Artenschützern und nicht durch Abknallen und Nester zerstören.
Mal ehrlich, Rabengeier und Truthahngeier gehören zu den kleinsten Geierarten der Welt. Sie werden mit Sicherheit nicht in der Lage sein eine ausgewachsene, gesunde Kuh zu töten. Jedem, der sich nur ein klein wenig mit diesen Geierarten auseinandersetzt, wird dies ganz schnell bewusst sein. Aber offenbar zählt eine gewissen Grundbildung oder zumindest kurzzeitige Recherche nicht mehr zu den Grundvoraussetzungen für Journalisten und ihre Schmierschriften.
Es tut mir leid, dass ich mich an der einen oder anderen Stelle etwas emotionaler ausdrücke als sonst, aber für jeden Geierschützer und Geierliebhaber wie mich sind diese Artikel einfach ein Schlag unter die Gürtellinie! Nicht auszudenken, wie viele Menschen diesen Artikeln Glauben schenken und die „tollen Ratschläge“ befolgen.