Samstag, 6. August 2016

Zusammenfassung: VCF Juli

In Europa kreisen 4 der 23 Geierarten am Himmel: Gänsegeier, Bartgeier, Schmutzgeier und Mönchsgeier. Da Geier weltweit stark bedroht und viele Arten aus ihren ursprünglichen Lebensräumen bereits verschwunden sind, setzt sich in Europa die „Vulture Conservation Foundation“ (kurz: VCF) für ihren Erhalt und Schutz ein. In den vergangenen Jahren hatte ich das große Glück einige Mitglieder der VCF und ihre tolle Arbeit persönlich kennenlernen zu dürfen. Daher möchte ich nun regelmäßig eine Zusammenfassung des VCF-Newsletters in meinem Blog posten, um die gute Arbeit und Wissenswertes rund um unsere geliebten Geier weiter in die Welt hinauszutragen.
Anfang des Monats gelang Emanuele Siracusa, ein Mitarbeiter des Life Rupis Projekt zur Erhaltung der Schmutzgeier in Portugal, dieses tolle Bild vieler Gänsegeier, Mönchsgeier und Schmutzgeier im Côa valley.
Foto: Emanuele Siracusa
Ende des Monats gelang es den Mitarbeitern des Life Rupis Projektes im zweiten Anlauf das Einfangen eines wildenSchmutzgeiers, um diese mit GPS-Sendern zu versehen. Es handelt sich um ein knapp 3 Jahre altes Tier, das nach dem Projektnamen „Rupis“ benannt wurde. Wenn alles gut geht wird der GPS-Sender zwei Jahre lang die Flugroute des Geiers aufzeichnen. Insgesamt gibt es im Douro Canyon über 110 Schmutzgeierpaare, die genauer beobachtet und erforscht werden sollen.
Foto: José Jambas/LIFE RUPIS
In der zweiten Juni-Hälfte hatte sich der junge, männliche Bartgeier Larzac, der im Frühjahr 2015 im südfranzösischen Grands Causses ausgewildert wurde, auf den Weg in den Norden gemacht. Sein Flug ging kreuz und quer durch die Niederlande, offenbar auf der Suche nach Futter. Die niederländischen Helfer Hans Pohlmann & Jaap Denee legten in Absprache mit den VCF-Experten Futter aus, damit Larzac genug Kraft für den Heimflug sammeln könnte. Ende Juni flog er endlich heimwärts, aber leider waren die Wetterbedingungen in Belgien schlecht. Daher drehte er bald wieder Richtung Norden (Niederlande sowie deutsche Grenze) ab. Auch dort wurde er von Starkregen völlig durchnässt. Nachdem sein Gefieder halbwegs getrocknet war, flatterte das arme Vieh Anfang Juli hoch in den Norden Deutschlands. Für einen jungen Bartgeier ist es eher ungewöhnlich sich so hoch in den Norden zu wagen, aber es wurden sogar schon Bartgeier in Großbritannien, Dänemark und Polen sowie Ukraine gesichtet.

Foto: Hans Pohlmann & Jaap Denee
Per GPS konnte Larzac noch bis zum 04.07.2016 verfolgt werden, aber kurz nach seiner Rückkehr von der Insel Fehmarn verlor sich das Signal. Es begann eine große Suche und die Bevölkerung wurde gebeten nach dem riesigen Vogel mit einer ganz bestimmten Färbung einzelner Federn, die als Erkennungszeichen vor Freilassung gebleicht werden, Ausschau zu halten. Ende Juli folgte dann die traurige Gewissheit: Ein NABU-Helfer fand die sterblichen Überreste von Larzac unter einer inaktiven Stromleitung. Sein Körper war bereits stark verwest, so dass er vermutlich bereits Anfang Juni nach Aussetzen des GPS-Signals gestorben ist. Zur genaueren Analyse der Todesursache wurden seine Überreste zur Obduktion nach Frankreich geschickt. Leider verschlechtert sich nun die Wiederansiedlungs-Bilanz von Bartgeiern in Grands Causses um ein weiteres Exemplar. Von den bisher 11 ausgewilderten Bartgeiern starb Dourbie 2013 nach einer Kollision mit einer Stromleitung, nun Larzac und leider diesen Monat auch Aigoual durch den Biss einer Viper.
Aigoual wurde Ende Mai im Alter von 90 Tagen zusammen mit Cayla (97 Tage) in Grands Causses ausgewildert. Beide jungen Bartgeier stammen aus dem Zuchtcenter Guadalentin in Andalusien. Cayla hob am 23.06.2016 zum ersten Mal ab, während Aigoula die Gegend zu Fuß erkundete. Nachdem sie in einen Busch spaziert war, fing sie an zu humpeln, trainierte ihre Flügel nicht mehr und sie schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Das Projektteam entschied den Vogel einzufangen und entdeckte eine starke Schwellung.
Foto: LPO/VCF
Aigoula wurde sofort zum Tierarzt gebracht und untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der junge Bartgeier von einer Viper gebissen wurde. Leider war die Entzündung bereits so weit fortgeschritten, dass auch Antibiotika und Gegengift nicht mehr helfen konnten. 7 Tage später verstarb der arme Geier, vermutlich an akutem Nierenversagen. Zwar wurden immer mal wieder Schlangen nahe der Auswilderungsorte gesichtet, aber bisher wurde noch nie ein Geier von einer Schlange getötet.
Nach Abschluss der diesjährigen Brutsaison wurden 6 Bartgeier zu verschiedenen Europäischen Zoos bzw. Brutcentren gebracht, um 3 neue Paare zu bilden. Das Bartgeier-Brutprogramm existiert bereits seit 1978 und wird von immer mehr Institutionen unterstützt. Um viele Küken zu züchten und eine genetische Vielfalt zu erlangen, ist es sehr wichtig die Brutvögel genau zu dokumentieren und geschickt zu verpaaren.
Mit Erscheinen des Jahresberichts zur Brutsaison 2015 wird noch einmal klar, wie erfolgreich die Bartgeier-Zucht geworden ist: 2015 wurden 33 Küken geboren von denen 26 überlebt haben. Damit wurde der Rekord von 25 Küken aus 1999 übertroffen. Und 2016 wurde sogar noch besser!
Auf französischer Seite der Pyrenäen wurden dieses Jahr 43 Bartgeier-Paare gesichtet, darunter drei neue Paare (zwei im Westen und eines im Osten). 32 Paare legten Eier, aus denen 20 Küken schlüpften. Leider wurden jedoch nur 11 Junggeier flügge. Insgesamt ist die Entwicklung der Bartgeier-Population in den französischen Pyrenäen aber positiv zu betrachten, nachdem es 1994 nur noch 17 Paare dort gab. Auf spanischer Seite leben übrigens über 135 Bartgeier-Paare.
Foto: Hansruedi Weyrich
In den französischen Alpen wurden dieses Jahr 12 Bartgeier-Paare gesichtet. In Haute-Savoie haben vier von fünf Paaren Eier gelegt, aber nur zwei Küken wurden flügge. Beide Junggeier bekamen GPS-Sender und wurden Neige und Pirou genannt. Pirou suchte sich für seinen ersten Flug ein herrliches Panorama aus.
Photos: ASTERS
In Savoie zogen 5 Paare zwei Junggeier auf, während in Mercantour zwei Paare ein Junges zur Welt brachten.
Nicht nur bei den Bartgeiern gab es in dieser Brutsaison Rekorde zu feiern sondern auch bei den Mönchsgeiern. Nach einem milden Frühling und jahrelangem Schutzprogramm zahlte sich die harte Arbeit auf Mallorca mit einem Rekordjahr aus: Die 37 Mönchsgeier-Paare haben 32 Eier gelegt, aus denen 25 Küken schlüpften. Die meisten sind flügge geworden, genauere Zahlen werden beizeiten nachgereicht. Nahezu alle Nester befinden sich in der Serra de Tramuntana. Der bisherige Rekord lag bei 17 flügge gewordenen Junggeiern in 2014. Wichtige Meilensteine im Kampf ums Überleben war das Eindämmen von Gift, die Bereitstellung von gesundem Futter, die Aufklärungsarbeit einheimischer Farmer und der Schutz der Geiernester, um Lärm und Stress zu vermeiden.

Foto: Cosconar Lillo
Am 18.07.2016 wurde das letzte Bartgeier-Küken der Saison in Andalusien ausgewildert. Bartgeier-Mädchen Génave wurde im Brutcenter Vallcalent (Katalonien, Spanien) geboren und von einem Geierpflegepaar im Brutcenter Guadalentín (Andalusien) aufgezogen. Interessanterweise stammt dieser Junggeier aus dem dritten Gelege der Geiermutter, eine Premiere sowohl in Gefangenschaft als auch in der freien Natur (soweit bisher beobachtet). Sie Geierdame hatte am 27.12.2015 ihr erstes Ei gelegt und es wie üblich unter einer Schicht aus Wolle im Nest verscharrt. Daraufhin wurde es vom Nest entfernt, um anderweitig ausgebrütet zu werden. Am 23.01.2016 folgte das zweite Ei, das ebenfalls Ammeneltern übergeben wurde. Am 27.02.2016 wurde schließlich das dritte Ei gelegt. Da die Geiereltern anfingen während des Schlupfes mit dem Ei zu spielen, musste auch dieses Ei entfernt und anderen Geiern überlassen werden.

Foto: Junta de Andalucia
Damit endet die diesjährige Bartgeier-Auswilderung. Insgesamt wurden in diesem Frühjahr 17 in Brutcentren und Zoos geborene Junggeier in die Natur entlassen: 2 Geier in Untersulzbachtal (Alpen, Hohe Tauern, Österreich), 2 in Melchsee-Frutt (Alpen, Zentral-Schweiz), 2 in Baronnies (Französische Alpen), 2 in Grands Causses (Massif Central), 2 in Corsica sowie insgesamt 7 Geier in Andalusien. Die meisten der 17 Junggeier haben mittlerweile ihre Auswilderungs-Höhlen verlassen und freuen sich bester Gesundheit. Nur der Vipern-Biss-Geier Aigoual hat es leider nicht geschafft.
Alle Bilder sind Eigentum der VCF bzw. der jeweiligen genannten Fotografen und dürfen durch die freundliche Genehmigung von Direktor José Pedro Tavares in meinem Blog gezeigt werden.

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