Am 01.10.2020 startete das neue BalkanDetox LIFE Projekt zur Bekämpfung illegaler Wildtier-Vergiftungen in sieben Balkan-Ländern mit einer Laufzeit von 5 Jahren (bis 30.09.2025).
LIFE (L'Instrument Financier pour l'Environnement) ist das einzige EU-Förderprogramm, das seit 1992 ausschließlich Umweltschutzbelange unterstützt. Darunter fallen natürlich auch Projekte zum Schutz von Arten und Lebensräumen. Zwischen 2014 und 2020 steht ein Gesamtbudget von 3,456 Milliarden Euro zur Verfügung. 81 % davon werden für die Förderung von Projekten der Mitgliedstaaten eingesetzt. Die VCF verfolgt bereits mehrere LIFE-Projekte im Geierschutz, BalkanDetox LIFE ist das neueste in der Runde.
Netterweise fand das von der Vulture Conservation Foundation (VCF) organisierte große Kick-off Meeting des Projektes online statt und war auch für Interessierte, die nicht aktiv am Projekt beteiligt sind, freigeschaltet. Diese Gelegenheit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie solche LIFE-Projekte durchgeführt werden. Das Meeting war auf 6 Stunden angesetzt, unterbrochen von einer einstündigen Mittagspause. In der ersten Session wurden die Rahmendaten rund um das Projekt vorgestellt, jeder Projektpartner erhielt die Chance zu berichten, was er seit dem Projektbeginn bereits umgesetzt hat und es blieb Zeit für offene Fragen. Außerdem wurden wichtige Termine und Meilensteine für 2021 vorgestellt und die Mitglieder des Lenkungskreises vorgestellt, soweit diese bereits offiziell ernannt waren. Nach der Mittagspause ging es mit technischen Details weiter, darunter Informationen zu Finanzen, Kommunikation, Details zu Partnerschaftsvereinbarungen etc. Bei diesem Teil habe ich mich dann allerdings ausgeklinkt, da er vorwiegend an die aktiven Projektmitglieder adressiert war. Moderiert wurde das Kick-Off Meeting durch VCF-Projektmanager Jovan Andevski.
In der Einleitungsrede sprach VCF-Direktor José Tavares die positive Entwicklung der Geier-Population in Europa aufgrund diverser Wiederansiedlungs- und Schutzprojekte an. Diese Erfolge sollen nun auch auf den Balkan ausgeweitet werden. Leider ist das Auslegen von Giftködern im Balkan, meist gegen streunende Hunde oder andere Wildtiere, noch weit verbreitet. Nur wenn dieses große Problem bekämpft wird, macht es Sinn über weitere Wiederansiedlungsprojekte nachzudenken.Das BalkanDetox LIFE Projekt umfasst die Länder Albanien, Bosnien & Herzegowina, Kroatien, Griechenland, Nordmazedonien und Serbien. Ziel ist es die entsprechenden Regierungsvertreter und Verantwortlichen in den jeweiligen Ländern zu erreichen, um illegale Giftköder zu verbieten und zu bekämpfen. Hierfür steht im Projektzeitraum von 5 Jahren ein Budget von 1,8 Mio. € zur Verfügung. Das Projekt umfasst im Wesentlichen:
- Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung, um Alternativen zu Gift aufzeigen
- Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Regierung und Naturschutzprojekten
- Reduzierung der Giftköder
- Auflistung der Probleme für Geier auf der Balkanhalbinsel
- Auswirkungen von Pestiziden auf Menschen
- Erarbeitung von Protokollen und Leitfäden zur Untersuchung vergifteter Kadaver (Basis: Best Practice aus Spanien)
- Verfolgen der National Anti-Poisoning Road Map
- Aufbau einer Datenbank zu allen Vergiftungsvorfälle
- Trainingsprogramm für Naturschütze
- Aufbau eines Balkan-Netzwerkes zur besseren Verknüpfung und Erfahrungsaustausch
- Ermittlung der Herkunft von legalem und illegalem Gift
- Ausstatten von 25 Gänsegeiern mit GPS-Sendern
- Entwicklung einer Frühwarn-App
- Spezielle Kommunikation in Hotspot-Gegenden mit Ursachenanalyse
Nach der allgemeinen Projektvorstellung bekamen die Ansprechpartner aller involvierten Länder die Gelegenheit sich und ihre Organisation bzw. Projektpartner kurz vorzustellen. Außerdem wurde jeweils über die ersten Aktivitäten seit Start des Projektes Anfang Oktober berichtet. Aufgrund von Corona mussten leider einige Auftaktgespräche verschoben werden oder konnten nur online stattfinden. Das ist beim Start eines solch wichtigen Projektes natürlich sehr schade für das gemeinsame Verständnis und das bessere Kennenlernen. Eine Vorbereitungsgespräche, unter anderem mit Stakeholdern, konnten allerdings bereits durchgeführt werden. Teilweise haben die einzelnen Projektpartner bereits ihre Webseiten angepasst und das neue Projekt in den Sozialen Medien beworben. In einigen wenigen Fällen war es sogar möglich Berichte zum LIFE-Projekt in den nationalen Medien abzubilden. So konnten allein in Griechenland bereits gut 36.000 Menschen erreicht werden. In Serbien wurde sogar im Radio und Fernsehen über den Start des Projektes berichtet. In Bulgarien wurden bereits zwei Einfangvolieren für wilde Geier vorbereitet und praktisch überall werden bereits Aufklärungskampagnen verfolgt. Es zeigt sich aber auch, dass die Möglichkeiten zur Terminierung der nächsten Schritte aufgrund von Corona sehr eingeschränkt sind.
Als nächstes stellte Jovan die Schlüsselprozesse des länder- und organisationsübergreifenden Projektes vor. Wichtig sind zum Beispiel die nationalen Arbeitsgruppen zur Giftbekämpfung, die teilweise bereits vor 2 Jahren gegründet wurden. Gift lässt sich nicht über Nacht bekämpfen und es ist sehr wichtig die entsprechenden Regierungsvertreter in den Prozess einzubinden. Es muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, was zwar mühselig aber unbedingt notwendig ist, um ggfs. Gesetzesänderungen durchzubringen. Ein weiteres Thema sind die nationalen Road Maps zur Giftbekämpfung. Auch diese wurden bereits vor 2 Jahren in Angriff genommen. In Griechenland liegt bereits ein Plan vor, der als Grundlage für das neue LIFE-Projekt genutzt werden kann. Hier ist es besonders wichtig, dass nationale Erfahrungen und „Eigenarten“ in den Plan einfließen, damit dieser landesweit akzeptiert wird. Im Rahmen des LIFE-Projektes soll in mindestens 2 von 6 Ländern ein solcher Plan eingeführt werden, im Idealfall natürlich in allen Ländern. Jedes Land muss ein Standard-Protokoll zum Umgang mit Wildtier-Vergiftung entwickeln und umsetzen. Zwar dienen Best Practice Dokumente als Grundlage, aber nicht alle Informationen/Vorgehen sind auf jedes Land übertragbar. Ein weiterer großer Meilenstein ist das Mitwirken an der Wildlife Crime Academy. In verschiedenen Ländern werden Workshops und Seminare angeboten, um Naturschützer und Regierungsvertreter zu Themen rund um Gesetze, Gerichtsverfahren und Tiermedizin zu coachen und spätere Wildtier-Verbrechen besser verfolgen und aufklären zu können. Der Fokus liegt hierbei nicht nur auf Gift, sondern auch auf Waffen und Munition, Stromleitungen und ähnlich gefährliche Infrastrukturen, das Erlernen des Verstehens von Körpersprache bei Befragungen von Tätern sowie Laborpraktiken zur Forensik. Es gibt 3 Kurse (basic, advanced, supreme) mit einer Dauer von je 4 Tagen (9 Stunden Theorie, 11 Stunden Praxis). Ziel ist, dass die in der Akademie ausgebildeten Teilnehmer das Wissen in ihre Länder übertragen und dort weitere Kollegen ausbilden.
Nach einer kurzen Fragerunde und Kaffeepause ging es mit Details zum weiteren Projektablauf weiter. Hierbei wurde angemerkt, dass aufgrund von Corona leider viele wichtige Termine nur online stattfinden können, worunter vermutlich auch die Qualität leiden wird. So ist es zum Beispiel für Termine wie den Kursen der Wildlife Crime Academy wichtig, dass diese mindestens 2 Monate im Voraus angekündigt werden. Nur so können die Teilnehmer diverse Formalien und Anträge zur Genehmigung von Reisen ins Ausland rechtzeitig einreichen. Aufgrund von Corona kann es allerdings jederzeit zu kurzfristigen Terminverschiebungen kommen.
Anschließend wurden die Projektpartner nach der Benennung ihrer jeweiligen Lenkungskreismitglieder abgefragt. Je Land sollte ein Repräsentant der Regierung benannt werden. In den meisten Fällen wurden mögliche Mitglieder bereits angesprochen, die finalen Zusagen stehen allerdings noch aus. Hinzu kommt ein Vertreter der spanischen Regierung als Best Practice Unterstützung und Vertreter von 3 internationalen Naturschutzorganisationen (MAVA, Euronatur, BirdLife International). Der Lenkungskreis soll über die gesamte Projektdauer 10x tagen, 2x pro Jahr.
Bevor es dann in der 2. Session mit dem internen Part weiterging, gab es noch Zeit für einige Fragen. Hierbei wurde seitens eines Teilnehmers aus Montenegro bemerkt, dass auch Montenegro als Balkan-Land stark an einem gemeinsamen Geierschutz-Projekt interessiert ist. Viele Geier aus Kroatien kommen öfters vorbeigeflattert und leider wurden bereits einige Vergiftungen dokumentiert. Montenegro ist war bereits seit 10 Jahren offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union, aber es konnte noch keine Einigung erzielt werden. Daher liegt Montenegro nicht im Rahmen der Unterstützung von LIFE-Projekten. Geiern sind allerdings Länder- und EU-Grenzen während ihrer Nahrungssuche oder Migration völlig egal. Es wird daher geprüft, ob Montenegro zumindest informell am Projekt teilnehmen kann.
Eine wirklich spannende Veranstaltung, bei der ich wieder viel über Geier und das Projektmanagement hinter den Schutzprojekten gelernt habe. Außerdem könnte ich Geierexperten wie José und Jovan stundenlang zuhören!!! Nicht jeder hat so ein ausgeprägtes Talent wichtige Informationen leicht verständlich und mitreißend zu vermitteln wie diese beiden!
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