Samstag, 31. Oktober 2020

Dolan Fire Update: Iniko’s Rettung und trauriger Abschied

Ende September schien sich die Lage um die durch das Dolan Fire bedrohten Kalifornischen Kondore in Big Sur etwas zu entspannen. Wie die Ventana Wildlife Society (VWS) berichtete, konnten die Kameras im Schutzgebiet wieder in Betrieb genommen werden und Kondorküken Iniko wurde nach einigen bangen Tagen endlich mit vollem Kropf gesichtet.

Am 16.10.2020 erreichte Iniko, dessen Namen aus dem Nigerianischen stammt und passenderweise „geboren in schwierigen Zeiten“ bedeutet, einen weiteren Meilenstein in seinem noch jungen Leben. Nachdem er am 25.04.2020 schlüpfte, verließ er am 16.10.2020 erstmalig sein Nest. Iniko ist flügge!!!

Iniko ist am 16.10.2020 flügge geworden (c) Ventana Wildlife Society

Iniko’s Nest hoch oben in einem Redwood überstand das Dolan Fire mehr schlecht als recht, als die Flammen bis knapp 10 Fuß (ca. 3 m) unterhalb des Nests loderten. Während seine Mama Redwood Queen fleißig Futter ans Nest brachte, tauchte sein Vater Kingpin leider nicht mehr auf. Er und acht weiter Kondore blieben im Feuer verschollen.

Dafür kam ein anderer Kondor ins Nest geflogen, der 6 Jahre alte Ninja. Er scheuchte Iniko aus seinem Nest heraus und zwang ihn praktisch auf diese Weise zum Flüggewerden. Kalifornische Kondore sind territoriale Geier. Vermutlich hat Ninja erkannt, dass Iniko’s Vater nicht mehr zurückkommt und wollte dessen Territorium übernehmen. Iniko überlebte seinen ersten Flug und blieb unterhalb des Redwoods am Boden sitzen. Dort passte seine Mama auf ihn auf. 

Iniko verharrt 3 Tage am Boden (c) Ventana Wildlife Society

Drei Tage später, am 19.10.2020, wurde Iniko vom besorgten VWS-Team gerettet, nachdem eine Verletzung an Iniko’s Beinchen festgestellt wurde, die vermutlich dazu führte, dass Iniko nicht ins Nest zurückfliegen konnte. Er wird nun im L.A. Zoo versorgt und kann hoffentlich im Alter von 1,5 Jahren ausgewildert werden. Hoffentlich verkraftet Redwood Queen den „Verlust“ ihres tapferen Kükens, nachdem sie sich so aufopferungsvoll während des Feuers im Nest und später auf dem Boden um Iniko gekümmert hat.

Ende Oktober wurden die noch immer vermissten neun Kalifornischen Kondore, darunter auch Iniko‘s Vater Kingpin, schweren Herzens offiziell als tot erklärt.

Die traurigen Verluste des Dolan Fires (c) Ventana Wildlife Society


Freitag, 30. Oktober 2020

Update zum Bartgeier in Großbritannien

In den letzten Wochen entwickelte sich der in Großbritannien gesichtete Bartgeier immer mehr zum Star und die Vulture Conservation Foundation (VCF) berichtete regelmäßig über die neuesten Sichtungen und Informationen. Mittlerweile hat er den Namen „Vigo“ erhalten.

Bartgeier Vigo (c) Ashley James, VCF-Webseite

In seiner Zeit im Peak District National Park wurde Vigo mehrfach beim Fressen beobachtet. Die Gegend ist mit seinen hohen Bergen und starken Winden, der offenen Vegetation und einigen Schafen sowie anderer möglicher Kadaver in spe sehr geiertauglich. Außerdem kann er dort ungestörte Rastplätze in den Felswänden finden und es gibt in der Gegend keine Stromleitungen, die das Risiko einer Kollision bergen. Täglich versammelten sich weiterhin zahllose Fotografen und Geierfreunde, die einen Blick auf diese wunderschöne Seltenheit werden wollten. Selten hat ein einzelnes Exemplar so ein großes mediales und vor allem positives Interesse für eine sonst sehr missachtete Tierart erbracht. Lebende Geier in freier Natur beobachten zu können ist einfach die beste Art von Aufklärung und Verständnis für eine Tierart!

Vogelbeobachter halten Ausschau nach Vigo (c) Louis Phipps, VCF

Zwischenzeitlich kursierte das Gerücht, dass Vigo durch die VCF eingefangen und nach Frankreich transportiert werden soll. Die VCF stellte allerdings unmittelbar klar, dass es keine solchen Pläne gibt. Solange Vigo stark genug zum Fliegen ist, wird auf seine natürlichen Instinkte vertraut. Sollte er allerdings aufgrund von Verletzungen oder Schwäche nicht mehr fliegen können, so würde er selbstverständlich zur Behandlung und späteren Freilassung gerettet werden.

Vigo im Flug (c) Ashley James, VCF-Webseite

Nach fast 3 Monaten verließ Vigo am 18.09. schließlich den Peak District National Park und flog Richtung Süden, wo er am 19.09. in Lathkill Dale und am 20.09. nahe Leicester gesichtet wurde. Am 21.09. flog er in großer Höhe westlich von Oxford in südöstliche Richtung davon. Nachdem viele Leute dachte Vigo hätte Großbritannien verlassen, wurde er eine Woche später 225 km weiter nordöstlich seiner letzten Sichtung in Norfolk und später zwischen Fakenham und Dereham entdeckt. Diese Gegend besteht vorwiegend aus Farmland und ist nicht sonderlich geiertauglich.

Wäre es nicht möglich einen weiteren Bartgeier in Großbritannien auszuwildern, damit die beiden sich dort gemeinsam ansiedeln und brüten können? Es gibt keinerlei historischer Aufzeichnungen, dass es jemand Bartgeier als Bruttiere in Großbritannien gegeben hat. Ein solcher Beleg ist aber laut IUCN Guidelines Pflicht, um eine Tierart in einem bestimmten Gebiet wiederansiedeln zu wollen. Dass sich Vigo im Peak District National Park über Monate so wohl gefühlt hat und er dort überleben konnte, ist ein tolles Erfolgsergebnis eines vorbildlich geführten Schutzgebietes.

Vigo im Flug (c) Will Bowell, VCF-Webseite

Am 08.10. tauchte Vigo nahe Cowbit, Lincolnshire, vor den Teleobjektiven der Vogelbeobachter auf. Nachdem die VCF Berichte erhielt, dass Vigo aufgrund von schlechten Wetters nichtmehr abheben kann, rückte Louis von der VCF besorgt aus, um nach dem Rechten zu sehen. Am Ziel angekommen, stellte sich zwar heraus, dass die Gegend aufgrund einer Vielzahl von Straßen, Stromleitungen und Windkraftanlagen alles andere als ideal für einen jungen Bartgeier ist. Allerdings gibt es in der Gegend dennoch ausreichend Futter, von dem Vigo Gebrauch machen kann – wie ein gesichtetes Aas hack an einem Karnickelkadaver bestätigte. Ein Vogelbeobachter konnte Vigo sogar dabei beobachten, wie er ein Pellet hervorwürgte und Teile davon erneut fraß. Dies ist ein normales Verhalten von Bartgeiern, da sie kein Futter verschwenden möchte. Wird mit einem Pellet also zum Beispiel ein leckeres Knöchelchen hochgewürgt, so wird dieses erneut verspeist. Nach einer Weile auf dem Acker flog Vigo zum letztendlich davon machte es sich auf einem Baum bequem.

Mittlerweile konnten auch zwei kleine Federn von Vigo eingesammelt und an die VCF übermittelt werden. Es konnte direkt bestätigt werden, dass es sich tatsächlich um Bartgeierfedern handelt. Am 13.10. konnte das Rätsel um Vigo Dank einer genetischen Analyse und eines Abgleichs mit der großen Bartgeier-Datenbank der VCF endgültig geklärt werden. Vigo ist tatsächlich ein Weibchen, das 2019 in einem wilden Nest in den französischen Alpen geschlüpft ist. An vielen wilden Nestern werden Federn gesammelt, genetisch untersucht und die entsprechenden Daten in die Datenbank der VCF eingespeist. Auf diese Weise konnte Vigos Herkunft eindeutig identifiziert werden.

2 Federn von Vigo für die Gen-Analyse (c) VCF

Am 11.10. wurde Vigo in Cambridgeshire und später in Bedfordshire gesichtet, am 13.10. südlich von London in Kent und entlang der East Sussex Coast am 14. und 15.10., dort zuletzt in der Beachy Head Gegend. Von dort flog er am 15.10. gegen 14 Uhr raus auf die See. Hiermit nahm die Sommerurlaub in Großbritannien offenbar ein Ende.

Am 21.10. erhielt die VCF Sichtungen eines Bartgeiers 200 km südlich von Paris im Allier Department und am 26.10. nahe Lyon. Allerdings konnten die Fotos nicht einwandfrei mit den Fotos der letzten Sichtungen aus Großbritannien abgeglichen werden. Es könnte sich dennoch um Vigo handeln, der in seine Heimat Frankreich zurückgekehrt ist.

Bartgeier „Vigo“ in Großbritannien – ein Sommermärchen!

Sonntag, 25. Oktober 2020

Auswirkungen von Plastikaufnahme durch Geier

Wieder hat die Vulture Conservation Foundation eine Geier-Veröffentlichung gut und leicht verständlich zusammengefasst. Diesmal geht es um den Verzehr von Plastikpartikeln durch Geier und dessen Auswirkungen.

Es ist weit bekannt, dass (Mikro-)Plastik massive Auswirkungen auf Wildtiere, Menschen und das gesamte Ökosystem hat. Allerdings war bisher nicht bekannt, inwiefern auch Geier davon betroffen sind. In einer Studie wurden daher im Nordwesten des argentinischen Teils Patagoniens drei Geierarten untersucht: Andenkondore, Rabengeier und Truthahngeier.

Zwar ernähren sich Geier vorwiegend von Aas, aber leider suchen sie dieses häufig auf großen Müllkippen, wo neben organischem Material auch viel synthetisches Material entsorgt wird. Das Untersuchungsgebiet ist zwar weitestgehend makellos, verfügt aber nahe menschlicher Siedlungen auch über große Müllkippen, die schlecht gemanagt werden und von vielen wilden Tieren regelmäßig aufgesucht werden. Darunter sind häufig die drei genannten Geierarten zu finden. Durch den Verzehr von Plastik kam es bei Geiern in der Vergangenheit häufig zu Nährstoffmangel, Infektionen oder Verdauungsproblemen. Außerdem schadet Plastik den Geierküken, wenn ihre Eltern Aasbrei mit Plastikbeilage zur Fütterung hochwürgen. Einen Teil des Plastiks können Geier über Pellets aus ihrem Körper entfernen.

Im Rahmen der Studie haben Forscher zwischen 2010 und 2020 insgesamt 1.170 Pellets unterhalb bekannter Geier-Rastplätze eingesammelt: 187 stammten von Andenkondoren, 865 von Rabengeiern und 118 von Truthahngeiern. In 203 Pellets wurde synthetisches Material gefunden (17,4 %), wovon 89,2 % aus Plastik bestand. Die restlichen 10,8 % entfielen auf Pappe, Glas, Kleidungsrückstände und ähnliches. Nur in 1,1 % der Pellets von Andenkondoren wurde Plastik gefunden, während es bei den Rabengeiern (17,3 %) und Truthahngeiern (24,5 %) deutlich schlimmer aussah. Das Plastik in den Pellets der Andenkondore stammte von Ohrmarkierungen von Nutztieren, vermutlich beim Verzehr eines Kadavers verschluckt. Im Vergleich zu den anderen beiden Geierarten halten sich Andenkondore seltener nahe menschlicher Siedlungen auf, so dass sie vermutlich daher weniger Restmüll verschlingen. Sie bevorzugen Aas von wilden Tieren oder Nutztieren auf freier Fläche.

Die Studie zeigt auch, dass die Pellets gegen 2020 hin deutlich mehr Plastik enthielten als die Pellets zu Beginn der Studie in 2010. Aufgrund der Ausbreitung des Menschen und des immer größeren Anfalles von Plastikmüll wird also auch künftig mit mehr Plastikrückständen in Geier-Pellets zu rechnen sein.

Es stellt sich daher die Frage, ob diese plastikhaltigen Pellets negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, wenn sie in Gegenden ausgewürgt werden, die vielleicht bisher nicht durch Plastik verschmutzt waren. Hierzu sollte es dringend weiterführende Untersuchungen geben.

Quelle: Ballejo F, Plaza P, Speziale K, Lambertucci A, Lambertucci S. Plastic ingestion and dispersion by vultures may produce plastic islands in natural areas. Science of The Total Environment. 2020;755:142421. doi:10.1016/j.scitotenv.2020.142421

Freitag, 23. Oktober 2020

Geiermassenvergiftung in Botswana

Traurige Nachrichten aus Botswana. 

 

Am 22.10.2020 wurden mindestens 55 Weißrückengeier in Mmadikola, nahe des Boteti River, tot aufgefunden. Der Verdacht liegt nahe, dass alle Geier vergiftet wurden. Sofort schalteten sich BirdLife Botswana, das Department of Wildlife and National Parks, Raptors Botswana und andere Naturschutz-Organisationen in die Ermittlungen ein.

Leider ist es nicht das erste Mal in dieser Gegend, dass zahlreiche Geier vergiftet wurden, so zuletzt 2015 nahe Mopipi, ebenfalls am Boteti River. Hinzu kommen diverse Vorfälle über ganz Botswana verteilt, darunter die verheerende Massenvergiftung im Juni 2019, als in Chobe während einer Elefanten-Wilderung 537 Geier vergiftet wurden. Anfang 2019 gab es zwei weitere, größere Vorfälle mit wenigstens 60 toten Geiern in Tuli Block und weiteren 80 vergifteten Geiern an der Grenze zum Moremi Game Reserve und mindestens 16 toten Weißrückengeiern im Februar 2020 nahe des Mosu Village.

Für die Geier wird das Überleben immer unwahrscheinlicher, vor allem da mittlerweile 90 % aller Geier-Verluste in Afrika auf Vergiftungen und illegalen Handel im Rahmen der traditionellen Medizin und des Aberglaubes zurückzuführen sind. Dies führt dazu, dass 7 Geierarten Afrikas auf der IUCN Roten Liste der bedrohten Tierarten als critically endangered und damit vom Aussterben bedroht eingestuft sind.

Ein Gesetz in Botswana besagt zwar, dass das Töten von Geiern mit einer Geldstrafe von 500 USD und/oder einem Jahr Gefängnis bestraft wird. Allerdings kam es bisher noch nie zu Verurteilungen.

Dienstag, 13. Oktober 2020

Geiermassenvergiftung in Gambia

Am Vormittag des 12.10.2020 wurden nahe des Gunjur Schlachthauses in Gambia mindestens 49 Kappengeier und ein Weißrückengeier tot aufgefunden. Allerdings ist die Anzahl der Verluste vermutlich noch größer, da täglich wesentlich mehr Geier an dieser Stelle zum Futtern vorbeigeflogen kommen.


Sie verstarben vermutlich erst später auf ihrem Heimflug und wurden bisher nicht entdeckt. In mindestens 30 Fällen waren den Kadavern die Köpfe entfernt worden, was meistens auf illegalen Handel mit Geierkörperteilen im Rahmen traditioneller Medizin und Aberglaube hinweist. Die Kadaver, denen die Köpfe nicht fehlten, befanden sich vorwiegend auf dem Dach des Schlachthauses oder im hohen Gras der nahen Umgebung. Ein Anwohner bemerkte, dass die Abfälle des Schlachthauses sehr wahrscheinlich vergiftet wurden und ihr Verzehr für die Geier daher tödlich endete.

 

Kappengeier werden auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten global als „critically endangered“ gelistet. Damit stehen sie kurz vor dem Aussterben. Ursache hierfür sind vorwiegend gezielte Vergiftungen und Tötung für traditionelle Zwecke, Verlust des Lebensraumes sowie Kollisionen mit Stromleitungen oder Windkraftanlagen.

 

Bisher waren sie in Gambia verhältnismäßig weit verbreitet, aber auch dieser Rückzugsort scheint leider nicht mehr sicher zu sein. Meine kurze Recherche hat nämlich ergeben, dass es bereits im Februar 2020 zu einem ähnlichen Vorfall in Gambia kam. Damals ereignete sich eine Massenvergiftung nahe des Schlachthauses Sabi. Dort waren ebenfalls über 50 Kappengeier betroffen, die rund um das Schlachthaus tot aufgefunden wurden. Dies war der bis dahin größte je dokumentierte Geiervergiftungsvorfall aller Zeiten in dem kleinen, westafrikanischen Land. Nach Aussage der National Environment Agency ereignete sich der Vorfall am frühen Morgen, nachdem Tier im Schlachthaus geschlachtet und für den Verkauf an Menschen inspiziert wurden. Schlachtabfälle und Blut werden regelmäßig ausgelegt und durch die wild lebenden Geier verzehrt. Diesmal jedoch starben sie reihenweise. Verschiedene involvierte Institutionen nahmen Proben von den Geierkadavern und Schlachtabfällen, um die Todesursache zu untersuchen. Bis heute ist sie jedoch unbekannt.