In den letzten Wochen entwickelte sich der in Großbritannien
gesichtete Bartgeier immer mehr zum Star und die Vulture Conservation
Foundation (VCF) berichtete regelmäßig über die neuesten Sichtungen und
Informationen. Mittlerweile hat er den Namen „Vigo“ erhalten.
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Bartgeier Vigo (c) Ashley James, VCF-Webseite |
In seiner Zeit im Peak District National Park wurde Vigo
mehrfach beim Fressen beobachtet. Die Gegend ist mit seinen hohen Bergen und
starken Winden, der offenen Vegetation und einigen Schafen sowie anderer
möglicher Kadaver in spe sehr geiertauglich. Außerdem kann er dort ungestörte
Rastplätze in den Felswänden finden und es gibt in der Gegend keine
Stromleitungen, die das Risiko einer Kollision bergen. Täglich versammelten
sich weiterhin zahllose Fotografen und Geierfreunde, die einen Blick auf diese
wunderschöne Seltenheit werden wollten. Selten hat ein einzelnes Exemplar so
ein großes mediales und vor allem positives Interesse für eine sonst sehr
missachtete Tierart erbracht. Lebende Geier in freier Natur beobachten zu
können ist einfach die beste Art von Aufklärung und Verständnis für eine
Tierart!
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Vogelbeobachter halten Ausschau nach Vigo (c) Louis Phipps, VCF |
Zwischenzeitlich kursierte das Gerücht, dass Vigo durch die
VCF eingefangen und nach Frankreich transportiert werden soll. Die VCF stellte
allerdings unmittelbar klar, dass es keine solchen Pläne gibt. Solange Vigo
stark genug zum Fliegen ist, wird auf seine natürlichen Instinkte vertraut.
Sollte er allerdings aufgrund von Verletzungen oder Schwäche nicht mehr fliegen
können, so würde er selbstverständlich zur Behandlung und späteren Freilassung
gerettet werden.
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Vigo im Flug (c) Ashley James, VCF-Webseite |
Nach fast 3 Monaten verließ Vigo am 18.09. schließlich den
Peak District National Park und flog Richtung Süden, wo er am 19.09. in
Lathkill Dale und am 20.09. nahe Leicester gesichtet wurde. Am 21.09. flog er
in großer Höhe westlich von Oxford in südöstliche Richtung davon. Nachdem viele
Leute dachte Vigo hätte Großbritannien verlassen, wurde er eine Woche später
225 km weiter nordöstlich seiner letzten Sichtung in Norfolk und später
zwischen Fakenham und Dereham entdeckt. Diese Gegend besteht vorwiegend aus
Farmland und ist nicht sonderlich geiertauglich.
Wäre es nicht möglich einen weiteren Bartgeier in
Großbritannien auszuwildern, damit die beiden sich dort gemeinsam ansiedeln und
brüten können? Es gibt keinerlei historischer Aufzeichnungen, dass es jemand
Bartgeier als Bruttiere in Großbritannien gegeben hat. Ein solcher Beleg ist
aber laut IUCN Guidelines Pflicht, um eine Tierart in einem bestimmten Gebiet
wiederansiedeln zu wollen. Dass sich Vigo im Peak District National Park über
Monate so wohl gefühlt hat und er dort überleben konnte, ist ein tolles
Erfolgsergebnis eines vorbildlich geführten Schutzgebietes.
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Vigo im Flug (c) Will Bowell, VCF-Webseite
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Am 08.10. tauchte Vigo nahe Cowbit, Lincolnshire, vor den
Teleobjektiven der Vogelbeobachter auf. Nachdem die VCF Berichte erhielt, dass
Vigo aufgrund von schlechten Wetters nichtmehr abheben kann, rückte Louis von
der VCF besorgt aus, um nach dem Rechten zu sehen. Am Ziel angekommen, stellte
sich zwar heraus, dass die Gegend aufgrund einer Vielzahl von Straßen,
Stromleitungen und Windkraftanlagen alles andere als ideal für einen jungen
Bartgeier ist. Allerdings gibt es in der Gegend dennoch ausreichend Futter, von
dem Vigo Gebrauch machen kann – wie ein gesichtetes Aas hack an einem
Karnickelkadaver bestätigte. Ein Vogelbeobachter konnte Vigo sogar dabei
beobachten, wie er ein Pellet hervorwürgte und Teile davon erneut fraß. Dies
ist ein normales Verhalten von Bartgeiern, da sie kein Futter verschwenden
möchte. Wird mit einem Pellet also zum Beispiel ein leckeres Knöchelchen
hochgewürgt, so wird dieses erneut verspeist. Nach einer Weile auf dem Acker
flog Vigo zum letztendlich davon machte es sich auf einem Baum bequem.
Mittlerweile konnten auch zwei kleine Federn von Vigo
eingesammelt und an die VCF übermittelt werden. Es konnte direkt bestätigt werden,
dass es sich tatsächlich um Bartgeierfedern handelt. Am 13.10. konnte das
Rätsel um Vigo Dank einer genetischen Analyse und eines Abgleichs mit der
großen Bartgeier-Datenbank der VCF endgültig geklärt werden. Vigo ist
tatsächlich ein Weibchen, das 2019 in einem wilden Nest in den französischen
Alpen geschlüpft ist. An vielen wilden Nestern werden Federn gesammelt,
genetisch untersucht und die entsprechenden Daten in die Datenbank der VCF
eingespeist. Auf diese Weise konnte Vigos Herkunft eindeutig identifiziert
werden.
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2 Federn von Vigo für die Gen-Analyse (c) VCF |
Am 11.10. wurde Vigo in Cambridgeshire und später in
Bedfordshire gesichtet, am 13.10. südlich von London in Kent und entlang der
East Sussex Coast am 14. und 15.10., dort zuletzt in der Beachy Head Gegend.
Von dort flog er am 15.10. gegen 14 Uhr raus auf die See. Hiermit nahm die
Sommerurlaub in Großbritannien offenbar ein Ende.
Am 21.10. erhielt die VCF Sichtungen eines Bartgeiers 200 km
südlich von Paris im Allier Department und am 26.10. nahe Lyon. Allerdings
konnten die Fotos nicht einwandfrei mit den Fotos der letzten Sichtungen aus
Großbritannien abgeglichen werden. Es könnte sich dennoch um Vigo handeln, der
in seine Heimat Frankreich zurückgekehrt ist.
Bartgeier „Vigo“ in Großbritannien – ein Sommermärchen!