Dienstag, 19. Februar 2013

Wie trage ich einen Schmutzgeier von A nach B?

Kommen wir nun zu meiner Lieblingsbeschäftigung seit über einer Woche: Die Schmutzgeier Bob und Kevin aus der Voliere holen, zur Außen-Sitzstange tragen und später wieder zurückbringen, wenn sie keinen Parahawking-Flug hatten.
In der Falknerei basiert alles auf Tradition. Der Vogel - in diesem Fall ein Geier - sitzt immer auf der linken Hand, da die rechte Hand für den Schwertkampf gebraucht wurde. Warum man mit einem Falken etc. auf der Hand Schwertkämpfen möchte, weiß der Geier... Jedenfalls sitzt der Geier am liebsten auf dem Lederhandschuh der linken Hand, eine Kralle auf dem Daumen, die andere auf dem Handgelenk. Das macht er aber nur, wenn der Unterarm parallel zum Boden gehalten wird. Vögel möchten immer zum höchsten Punkt klettern. Ist die Hand also nach unten geneigt, spaziert der Geier den Arm hinauf und kommt mit seinem Schnabel dem Gesicht immer näher. Ist die Hand zu hoch, dann wandert der Geier auf die Hand und verliert leicht sein Gleichgewicht. Dabei kann er einem leicht den Flügel ins Gesicht klatschen und sich eine Feder oder sogar den Flügel brechen. Also immer schön Arm parallel zum Boden und eine Faust bilden.
Ich rede jetzt hier zwar nur von Geiern, aber für unsere Schwarzen Milane gilt natürlich das Gleiche.
Die Geier haben Lederbänder um ihren Krallen befestigt, die hinten ein Loch mit einem verstärkenden Metallring haben. Durch dieses Loch fädeln wir jeden morgen Lederbänder, auf Englisch "jess" bzw. "jesses" genannt.
Das ist ein wenig tricky, da sich die Lederhalterung immer wieder um den Fuß des Geiers dreht und dieser gerne mal zuhackt. Natürlich nur sehr liebevoll. Achja, bevor wir mit der Prozedur beginnen, lassen wir den Geier auf unseren Handschuh klettern (Unterarm immer schön parallel zum Boden) und gehen zu einer Stelle in der Voliere, wo sich der Geier weit und breit keine Feder stoßen kann. Sind die beiden jesses dann endlich einhändig (mit rechts) durch die Löcher gefädelt und bis zum Ende durchgezogen (ohne dem Geier das Bein wegzuziehen), dann wird die Spitze des einen jess durch einen Schlitz in der Spitze des zweiten jess gefädelt. Auch dabei hackt der Geier gerne zu, wenn es zu lange dauert. Das war bei mir anfangs natürlich der Fall und ich bewundere jetzt noch die Geduld der Geier...
Als nächstes nimmt man eine Falknerdrahle, das ist das Metallding unten im Bild. Die Enden der beiden jesses werden durch die große Öse gefädelt und dann die kleine Öse durch die beiden Schlitze der jesses gefädelt und strammgezogen (siehe Bild unten). Natürlich alles einhändig! Nebenbei, der Geier auf dem linken Arm wird schwerer und schwerer, je länger man braucht.
Sind die Geierbeine nun mit den jesses "verknotet", so wird ein kräftiges Seil durch die kleine Öse gefädelt und bis zum Ende (mit dickem Knoten) durchgezogen (siehe oben). Um den Geier sicherer in der Hand zu halten, fädelt man die jesses unter dem Daumen (auf dem der Geier sitzt) hindurch und zwischen Mittel- und Ringfinger hindurch. Das dicke Seil wird ebenfalls in einer Schlaufe zwischen Mittel- und Ringfinger hindurchgefädelt und anschließend die Faust fest geschlossen. Somit dürfte der Geier eigentlich nicht mehr wegfliegen können. Dennoch wird das andere Ende des dicken Seiles entweder zum Transport mit einem Metallring am Lederhandschuh befestigt oder später an einem kräftigen Metallring an der Sitzstange draußen. Natürlich wäre ein einfacher Knoten zu leicht, daher bedient man sich des Falknerknotens (siehe unten). Das Ding ist mindestens so kompliziert, wie es aussieht. Vor allem möchte ich nochmal betonen: Einändig mit rechts!!! Während der Geier auf der linken Hand sitzt und nicht durchgeschüttelt werden möchte.
Und da die Geier es lieben die Bänder wieder auseinander zu zupfen, machen wir draußen an der Sitzstange einen Doppelknoten. Ober der Knoten wirklich richtig ist, merkt man erst, wenn man ihn öffnet. Dabei zieht man das letzte Fitzelchen Seil aus der kleinen Schlaufe und zieht dann kräftig. War der Knoten richtig, so öffnet er sich komplett. War der Knoten falsch, so bleibt das Seil verknotet.
Die Bilderserie zeigt nun, wie man einen Geier zurück in den Käftig trägt. Das machen wir allerdings nur, wenn der Geier nicht geflogen ist. Ansonsten wird er direkt nach dem Flug zurück in seinen Käfig gebracht.
Vögel mögen es nicht, wenn man sich von hinten anschleicht. Daher geht man langsam von vorne, gehockt auf den Geier zu und geht vor ihm in die Knie. Am besten rechtes Bein auf den Boden und linkes Bein angewinkelt. Dann kann man seinen linken Arm besser abstützen, falls der Geier zu schwer auf dem Arm wird.
Vorsichtig von unten das Seil zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand nehmen und mit der Hand das Seil entlang Richtung Geier gehen, damit er sich an die Bewegungen gewöhnt. Kurz unterhalb der Kralle werden die Lederfesseln und das Seil wie zuvor unter dem Daumen, zwischen Mittel- und Ringfinger und als Faust gesichert. Anschließend wird der Unterarm parallel zum Boden vor die Geierkrallen gehalten. Der Unterarm muss dabei höher als die Sitzstange sein, da der Geier immer zum höchsten Punkt klettert. Ist die Armhaltung richtig, dann hat man nun den Geier auf seiner linken Hand sitzen.
Nun kann man die beiden Falknerknoten und das Seil von der Sitzstangen-Befestigung lösen. Die Faust immer schön geschlossen halten, damit der Geier keinen Ausbruchsversuch startet.
Anschließend wird das Seil per Falknerknoten am Metallring des Handschuhs befestigt. Das ist etwas schwerer als die Befestigung an der Sitzstange, da die Handbewegung für den Knoten etwas anders ist.
Geschafft, der Geier sitzt gemütlich auf dem Falknerhandschuhe und das Seil ist verknotet.
Vögel haben Angst, wenn sie irgendwo drunterdurch getragen werden. Daher kann der Geier unter dem Baum schonmal losflattert. Immer die Faust geschlossen halten! Außerdem muss immer drauf geachtet werden, dass die kostbaren Geierflügel nicht zu nah an feste Hinternisse wie Felsen oder Äste kommen, wo sie brechen könnten. Wann immer eine Gefahr auftaucht, der Gefahr im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken kehren und den Geier schützen.
Kuschelstunde.
Mit dem Geier unterm Arm (bzw. auf dem Arm) gehts rüber zur Voliere. Die Kopffedern verraten, ob der Geier unruhig ist und bald losflattert - dann sind sie ganz flach an den Kopf angelegt. Ist der Geier entspannt, also wuschelig, dann kann man ihn vorsichtig durch die enge Tür der Voliere tragen. Aber immer aufpassen, dass er sich bloß keine Feder stößt.
Braver Geier! Alles hat super geklappt.
In der Voliere bleibt der Geier nach wie vor auf der Hand sitzen, aber nach und nach werden alle Bänder und die jesses wieder entfernt. Also zunächst Knoten vom Handschuh lösen und das Seil aus dem Ende der Falknerdrahle ziehen. Danach wird die Drahle von den jesses gelöst (natürlich wieder alles einhändig) und die jesses vorsichtig aus den Krallen-Befestigungen gezogen. Natürlich nicht ruckartig, sonst ist das Geierbeinchen weg. Die Lederbefestigungen an den Krallen schützen zwar die Beinchen vor zu starkem Rucken, aber dennoch möchte man ja zärtlich zu den Geiern sein. Allerdings knabbern sie gerne an meinen Fingern herum, wenn ich die jesses lösen möchte. Daher kann man dem Geier entweder das dicken Seil als Ablenkung anbieten oder ihn einfach ignorieren.
Sind sämtliche Utensilien vom Geier gelöst, dann hält man seinen Unterarm vorsichtig vor eine Sitzstange. Allerdings diesmal leicht unterhalb der Stange, damit der Geier hochklettern möchte.
Ach, wie ich diese Arbeit liebe!!!

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