Die Kalifornischen Kondore bekommen keine Atempause. Erst das verheerende Dolan Fire im letzten Jahr und jetzt ein mehrtägiger Platzregen mit über 43 cm Regen pro Quadratmeter. Die dadurch verursachten Erdrutsche und Schlammmassen rissen Ende Januar sogar einen Teil des Highway No.1 ins Meer, der berühmten Küstenstraße, die an Big Sur vorbeiführt. Erinnerungen an meinen Geiertrip in die USA im Mai 2017 wurden wach, als Maggie und ich ebenfalls nach Big Sur wollten, aber zwei Monate vorher ein Teil des Highways durch Platzregen zerstört wurde. Zum Glück fanden wir damals dennoch eine Möglichkeit einen Zeltplatz an der Küste zu erreichen und zumindest ein paar Meilen auf Kondor-Suche an der Küste entlangzufahren. Kalifornischen Kondore entdeckten wir dort zwar nicht, dafür aber süße Truthahngeier, die an einem Aas am Strand herumpickten.
Zum Glück blieben dieses Jahr die Zufahrtstraßen zu wichtigen Kondor-Gegenden passierbar, so dass die Kondorschützer der Ventana Wildlife Society (VWC) keine großen Einschränkungen in ihrer wichtigen Arbeit haben.
Aber wie gehen eigentlich Kalifornischen Kondore mit so einem Extrem-Wetter um? Sie sind für extremes Wetter bestens ausgestattet und kommen mit starken Stürmen sowie eisigen Temperaturen bestens zurecht! Normalerweise setzen sie sich auf einen dem Wetter abgewandten Ast, so dass sie durch den Baumstamm von Wind und Wetter geschützt werden. Außerdem sind die riesigen Federn der Kalifornischen Kondore mit einem bestimmten Öl überzogen, von dem der Regen abperlt. Mit zunehmendem Alter lernen sie zudem immer besser sich rechtzeitig geschützte Plätze zu suchen, um den Sturm in Ruhe abzuwarten. So gut ausgestattet, kann also auch ein starkes Unwetter die aktuelle Brutsaison nicht stoppen.
Zwischen November und Dezember beginnen die Kalifornischen Kondore ihr Liebesspiel, bauen ihre Nester und legen zwischen Januar und Mai je ein großes Kondor-Ei. Zum Balzritual der Kondore gehören drei wesentliche Verhaltensmuster: Gemeinsame Tandemflüge nahe des Nestreviers, gegenseitige Gefiederpflege und das Posing des Männchens vor dem Weibchen mit ausgestreckten Flügeln, deren Flügelspitzen etwas schlaff herabhängen, dazu weit ausgestreckter, aber leicht geneigter Kopf, als würde er sich vor dem Weibchen verbeugen.
Aktuell gibt es in Big Sur 5 Paare und ein Trio, die aktives Balzverhalten zeigen. Trios kommen unter Kalifornischen Kondoren immer mal wieder vor, wobei sie erst eindeutig als Trio identifiziert werden konnten, nachdem Ende der 2000er-Jahre alle wilden Kondore mit Flügelmarkierungen ausgestattet wurden. Die meisten Trios bestehen aus einem Weibchen und zwei Männchen. Das liegt vermutlich daran, dass es viel leichter ist sich mit drei Geiern um ein Ei zu kümmern als um zwei. Würden nämlich beide Weibchen je ein Ei legen, wird es für das Männchen kaum machbar beide abwechselnd beim Ausbrüten der Eier zu unterstützen. Außerdem wäre es später fast unmöglich genug Futter für zwei Küken ranzuschleppen, ohne ein Küken im Stich zu lassen – denn schließlich müssen auch die Erwachsenen selber mal fressen. Bei zwei Männchen und einem Weibchen hingegen kümmern sich auch beide Männchen um den Nachwuchs.
Es wurde aber auch die andere Variante mit zwei Weibchen und einem Männchen beobachtet: Es gab ein Langzeitpärchen, dessen Männchen eines Tages verletzt eingefangen werden musste. Kurz darauf machte sich ein fremdes Männchen an die Verlassene heran. Das Männchen brachte bei seinem „Einzug“ allerdings noch ein weiteres Weibchen mit. Frechheit! Nachdem die drei immer häufiger miteinander gesichtet wurden, waren einige Kondorschützer in Sorge, dass die Brut durch das zweite Weibchen gefährdet würde und bei den vom Aussterben bedrohten Kalifonischen Kondoren kommt es bekanntlich auf jedes einzelne Exemplar an. Daher wurde das zweite Weibchen eingefangen und während der gesamten Bebrütungsphase des Ei von dem Pärchen getrennt. Aber die zweite Dame gab nicht auf: Kaum wurde sie wieder freigelassen, flog sie zum Nest zurück und half dem Brutpaar bei der Aufzucht des Kükens. Auch in den Folgejahren blieben die drei weiterhin zusammen, brüteten gemeinsam die Eier aus und zogen zu dritt gesunde Küken auf. Normalerweise legen Kalifornische Kondore nur jedes zweite Jahr ein Ei. Da sich bei diesem Trio die Weibchen aber abwechselten, konnten sie jährlich Nachwuchs großziehen. Trios gibt es übrigens nicht nur in Zentral-Kalifornien, sondern sie wurden auch bereits in Arizona und Süd-Kalifornien gesichtet.
Leider wurden in der Region um Big Sur bis Mitte Februar noch keine Eier von wilden Kondor-Paaren gesichtet. Neben den Küken, die hoffentlich in den nächsten Monaten dennoch in freier Wildbahn schlüpfen, sind auch diverse Zuchtstationen bestens auf Nachwuchs ausgerüstet. So wurden im Oregon Zoo bereits bis Mitte Februar 9 Kondor-Eier gelegt. Ein solcher Erfolg lässt hoffen, dass die traurigen Verluste im letzten Jahr wieder etwas ausgeglichen werden können. 2020 starben nämlich leider 24 wilde Kalifornische Kondore, darunter 9 im verheerenden Dolan Fire). Leider verstarben 2021 bereits 4 weitere Kondore, so dass in der Gegend um Big Sur, Pinnacles und San Simeon nur noch 89 Kalifornischen Kondore frei herumfliegen.
Die neun Ende letzten Jahres in San Simeon ausgewilderten Jung-Kondore (4 am 19.11.’20 und 7 am 12.12.’20) sind natürlich noch lange nicht geschlechtsreif, werden aber hoffentlich in einigen Jahren zum Weiterbestand ihrer Spezies beitragen.