Samstag, 20. Februar 2021

Neuigkeiten von den Kalifornischen Kondoren

Die Kalifornischen Kondore bekommen keine Atempause. Erst das verheerende Dolan Fire im letzten Jahr und jetzt ein mehrtägiger Platzregen mit über 43 cm Regen pro Quadratmeter. Die dadurch verursachten Erdrutsche und Schlammmassen rissen Ende Januar sogar einen Teil des Highway No.1 ins Meer, der berühmten Küstenstraße, die an Big Sur vorbeiführt. Erinnerungen an meinen Geiertrip in die USA im Mai 2017 wurden wach, als Maggie und ich ebenfalls nach Big Sur wollten, aber zwei Monate vorher ein Teil des Highways durch Platzregen zerstört wurde. Zum Glück fanden wir damals dennoch eine Möglichkeit einen Zeltplatz an der Küste zu erreichen und zumindest ein paar Meilen auf Kondor-Suche an der Küste entlangzufahren. Kalifornischen Kondore entdeckten wir dort zwar nicht, dafür aber süße Truthahngeier, die an einem Aas am Strand herumpickten. 

Zum Glück blieben dieses Jahr die Zufahrtstraßen zu wichtigen Kondor-Gegenden passierbar, so dass die Kondorschützer der Ventana Wildlife Society (VWC) keine großen Einschränkungen in ihrer wichtigen Arbeit haben.

Aber wie gehen eigentlich Kalifornischen Kondore mit so einem Extrem-Wetter um? Sie sind für extremes Wetter bestens ausgestattet und kommen mit starken Stürmen sowie eisigen Temperaturen bestens zurecht! Normalerweise setzen sie sich auf einen dem Wetter abgewandten Ast, so dass sie durch den Baumstamm von Wind und Wetter geschützt werden. Außerdem sind die riesigen Federn der Kalifornischen Kondore mit einem bestimmten Öl überzogen, von dem der Regen abperlt. Mit zunehmendem Alter lernen sie zudem immer besser sich rechtzeitig geschützte Plätze zu suchen, um den Sturm in Ruhe abzuwarten. So gut ausgestattet, kann also auch ein starkes Unwetter die aktuelle Brutsaison nicht stoppen.

Zwischen November und Dezember beginnen die Kalifornischen Kondore ihr Liebesspiel, bauen ihre Nester und legen zwischen Januar und Mai je ein großes Kondor-Ei. Zum Balzritual der Kondore gehören drei wesentliche Verhaltensmuster: Gemeinsame Tandemflüge nahe des Nestreviers, gegenseitige Gefiederpflege und das Posing des Männchens vor dem Weibchen mit ausgestreckten Flügeln, deren Flügelspitzen etwas schlaff herabhängen, dazu weit ausgestreckter, aber leicht geneigter Kopf, als würde er sich vor dem Weibchen verbeugen.

Aktuell gibt es in Big Sur 5 Paare und ein Trio, die aktives Balzverhalten zeigen. Trios kommen unter Kalifornischen Kondoren immer mal wieder vor, wobei sie erst eindeutig als Trio identifiziert werden konnten, nachdem Ende der 2000er-Jahre alle wilden Kondore mit Flügelmarkierungen ausgestattet wurden. Die meisten Trios bestehen aus einem Weibchen und zwei Männchen. Das liegt vermutlich daran, dass es viel leichter ist sich mit drei Geiern um ein Ei zu kümmern als um zwei. Würden nämlich beide Weibchen je ein Ei legen, wird es für das Männchen kaum machbar beide abwechselnd beim Ausbrüten der Eier zu unterstützen. Außerdem wäre es später fast unmöglich genug Futter für zwei Küken ranzuschleppen, ohne ein Küken im Stich zu lassen – denn schließlich müssen auch die Erwachsenen selber mal fressen. Bei zwei Männchen und einem Weibchen hingegen kümmern sich auch beide Männchen um den Nachwuchs.

Es wurde aber auch die andere Variante mit zwei Weibchen und einem Männchen beobachtet: Es gab ein Langzeitpärchen, dessen Männchen eines Tages verletzt eingefangen werden musste. Kurz darauf machte sich ein fremdes Männchen an die Verlassene heran. Das Männchen brachte bei seinem „Einzug“ allerdings noch ein weiteres Weibchen mit. Frechheit! Nachdem die drei immer häufiger miteinander gesichtet wurden, waren einige Kondorschützer in Sorge, dass die Brut durch das zweite Weibchen gefährdet würde und bei den vom Aussterben bedrohten Kalifonischen Kondoren kommt es bekanntlich auf jedes einzelne Exemplar an. Daher wurde das zweite Weibchen eingefangen und während der gesamten Bebrütungsphase des Ei von dem Pärchen getrennt. Aber die zweite Dame gab nicht auf: Kaum wurde sie wieder freigelassen, flog sie zum Nest zurück und half dem Brutpaar bei der Aufzucht des Kükens. Auch in den Folgejahren blieben die drei weiterhin zusammen, brüteten gemeinsam die Eier aus und zogen zu dritt gesunde Küken auf. Normalerweise legen Kalifornische Kondore nur jedes zweite Jahr ein Ei. Da sich bei diesem Trio die Weibchen aber abwechselten, konnten sie jährlich Nachwuchs großziehen. Trios gibt es übrigens nicht nur in Zentral-Kalifornien, sondern sie wurden auch bereits in Arizona und Süd-Kalifornien gesichtet. 

Leider wurden in der Region um Big Sur bis Mitte Februar noch keine Eier von wilden Kondor-Paaren gesichtet. Neben den Küken, die hoffentlich in den nächsten Monaten dennoch in freier Wildbahn schlüpfen, sind auch diverse Zuchtstationen bestens auf Nachwuchs ausgerüstet. So wurden im Oregon Zoo bereits bis Mitte Februar 9 Kondor-Eier gelegt. Ein solcher Erfolg lässt hoffen, dass die traurigen Verluste im letzten Jahr wieder etwas ausgeglichen werden können. 2020 starben nämlich leider 24 wilde Kalifornische Kondore, darunter 9 im verheerenden Dolan Fire). Leider verstarben 2021 bereits 4 weitere Kondore, so dass in der Gegend um Big Sur, Pinnacles und San Simeon nur noch 89 Kalifornischen Kondore frei herumfliegen.

Die neun Ende letzten Jahres in San Simeon ausgewilderten Jung-Kondore (4 am 19.11.’20 und 7 am 12.12.’20) sind natürlich noch lange nicht geschlechtsreif, werden aber hoffentlich in einigen Jahren zum Weiterbestand ihrer Spezies beitragen.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Truthahngeier in Behandlung

Kaum habe ich über den Rabengeier mit Bleivergiftung berichtet, da hat das Blue Ridge Wildlife Center auch schon den nächsten Krummschnabel in Behandlung: Diesmal einen süßen Truthahngeier.

Geier haben die tolle Fähigkeit im Gegensatz zu vielen anderen Tieren auch lange Zeit mit schweren Verletzungen zu leben, die andere Tiere töten würden. Leider bedeutet dies aber auch, dass Verletzungen wie Knochenbrüche teils schlecht bzw. krumm verheilen oder sich entzünden.

Der unglückliche Truthahngeier, der verletzt eingesammelt und ins Blue Ridge Wildlife Center gebracht wurde, litt an einem alten, schlecht verheilten Bruch des unteren Beinchens, bei dem sich der Knochen stark entzündet hatte.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Neben dem Knochenbruch, den Narben auf dem hübschen Kopf (vorwiegend über dem rechten Auge) und dem Rest des Körpers scheint sich der Geier halbwegs von seinem Trauma erholt zu haben. Trotz seiner Verletzung und der Knocheninfektion ist der kleine Patient während seiner Behandlung wütend und wachsam, genau wie es sich für einen Geier gehört.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Mit einem Gummiband als Aderpresse wird an dem verletzten Beinchen die Behandlung vorbereitet. Durch diese Aderpresse wird sichergestellt, dass die intravenös injizierten Antibiotika in der Region der Entzündung bleiben. Allerdings darf in diesem Fall die Aderpresse höchstens 10-15 min beibehalten werden. Im Englischen wird diese Behandlung als „regional limb perfusion“ bezeichnet.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Während der Injektion und dem Wechsel der Bandage, bleibt der Geier unter Narkose.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Natürlich wird das Beinchen rund um die Wunde und die Einstichstellen bei jeder Behandlung gründlich gereinigt. Dafür eignet sich eine Honig-Bandage besonders gut. Da Honig eine sehr desinfizierende Wirkung hat, wird die offene Wunde vollständig mit Honig bedeckt.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Die Honigschicht wird mit Verbandsmull und einer weiteren Verbandsschicht bedeckt, um die Wunde sauber zu halten. Diese Prozedur wird täglich wiederholt und schlägt bisher sehr gut an. Nach zweiwöchiger Behandlung hat sich der verletzte Knochen stabilisiert und die Knocheninfektion verbessert.

Da der Patient gut frisst und sich deutlich wohler als bei seiner Einlieferung fühlt, kann er hoffentlich bald in eine Übergangsvoliere umziehen, bevor er hoffentlich wieder freigelassen werden kann.

Dienstag, 16. Februar 2021

Rabengeier mit Bleivergiftung

Wie das Blue Ridge Wildlife Center auf seiner Facebook-Seite berichtet, wurde Ende Januar ein orientierungsloser, geschwächter Rabengeier von einem Officer der Loudoun County Animal Services, Virginia (USA), gerettet.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Der arme Geier konnte weder richtig stehen, noch laufen geschweige denn fliegen und seine Exkremente waren hellgrün. Sofort lag der Verdacht nahe, dass der Pechvogel an einer Bleivergiftung leidet. Dies wurde umgehend durch einen Bluttest bestätigt. Der Bleiwert im Blut des Geiers war so hoch (2.000mcg/dL, wie sich später herausstellte), dass das verfügbare Laborgerät den exakten Wert gar nicht anzeigen konnte. Normalerweise ist bereits ein Bleiwert von 65mcg/dL in den meisten Fällen tödlich. Eine Röntgenuntersuchung zeigte zudem ein großes Bleifragment im Magen des Geiers.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Durch dieses Stück Bleimunition konnte sich das Blei im Körper und der Blutbahn des Patienten verbreiten und führte zu der lebensbedrohlichen Verfassung. Zum Vergleich: Ein Bleirückstand in der Größe eines Reiskorns reicht aus, um einen Seeadler zu töten. Der Bleirückstand im Magen des kleineren Rabengeiers war 10x größer und hatte die Größe einer Erbse. Das klingt vielleicht im ersten Moment immer noch klein, ist aber das größte Stück Bleimunition, welches das Untersuchungsteam je im Magen eines Vogels gefunden hat.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Im Falle schwerer Vergiftungen durch Schwermetalle wird häufig eine umfangreiche Chelat-Therapie angewendet, um den Körper des Patienten zu entgiften. So auch im Fall des Rabengeiers. Außerdem wurde der Geier mit Flüssigkeit versorgt, um eine Dehydrierung zu verhindern. Anschließend wurde das Bleifragment operativ entfernt, da der Körper sonst immer weiter den tödlichen Giftstoffen ausgesetzt ist.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Während der Geier zwecks Operation unter Narkose steht, muss er nonstop überwacht werden. Die Kabel im Bild dienen der Kontrolle und Aufzeichnung von Atmung, Atemqualität, Körpertemperatur, Puls, Sauerstoffgehalt und mehr. Zum Glück hat der Geier die OP tapfer überstanden und das Bleifragment konnte vollständig entfernt werden.

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Das obere Bild zeigt, in welcher Position Tiere typischerweise operiert werden, wenn ihnen Fremdkörper aus dem Magen entfernt werden. Patienten wie dieser bekommen anschließend eine flüssige Notfallnahrung, während sich ihr Magen-Darm-Trakt erholt. Zum Glück gibt es im Blue Ridge Wildlife Center eine Klinik mit OP, so dass alle Operationen direkt vor Ort vom eigenen Vollzeit-Tierarzt durchgeführt werden können. Dadurch kann vermieden werden, dass die geschwächten Patienten mehrfach transportiert werden müssen. Nach erfolgreicher Operation und Genesung ziehen die Patienten in eine Voliere bzw. ein Gehege um, bevor sie später freigelassen werden können.

Nach 12 Stunden Chelat-Therapie und Operation war das Bleilevel im Blut des Rabengeiers leider noch immer viel zu hoch für das Messgerät. Daher wurde die Chelat-Therapie fortgesetzt, aber die Überlebenschancen des geschwächten Patienten schienen sehr gering. Doch der süße Patient überrascht alle und entpuppte sich als wahrer Kämpfer. Nach zwei Wochen in intensiver Behandlung ist sein Bleiwert mittlerweile auf 300mcg/dL zurückgegangen und der Geier hat begonnen wieder eigenständig zu fressen. Er ist zwar noch immer nicht über den Berg und ihm steht weiterhin ein langer Weg zur Genesung bevor, aber die Überlebenschancen sind deutlich gestiegen!

(c) Blue Ridge Wildlife Center

Super Arbeit, liebes Blue Ridge Wildlife Center Team!!! Und vielen Dank für die Bereitstellung eurer Fotos, die einen spannenden Einblick in eure wertvolle Arbeit geben!

Bleivergiftung durch das Verschlucken bleihaltiger Munitionsfragmente ist übrigens die Ursache für gut 80 % aller Seeadler und Geier, die hier im Center behandelt werden. Daher ein großer Aufruf an alle Jäger, bitte auf bleihaltige Munition zu verzichten. Falls dies nicht möglich ist, muss sichergestellt werden, dass alle Bleirückstände aus den Kadavern und Fehlschüssen so entsorgt werden, dass sich kein Lebewesen durch Verzehr damit kontaminieren kann. Blei ist übrigens nicht nur extrem gefährlich für Wildtiere, sondern auch für den Menschen.

Mittwoch, 10. Februar 2021

Auswilderungsprojekt: Nürnberger Bartgeier brüten

Bereits im September 2019 hatte ich mit großer Begeisterung in meinem Blog erstmalig von der geplanten Wiederansiedlung der Bartgeier in Bayern berichtet und nur zwei Wochen später bei der European Vulture Conference der Vulture Conservation Foundation (VCF) das große Glück gehabt, Toni Wegscheider persönlich kennenzulernen, Verfasser der Machbarkeitsstudie zur möglichen Freilassung von Bartgeiern und Gänsegeiern in den bayerischen Alpen. Natürlich habe ich seit dem auf den großen Tag hin gefiebert, wenn es endlich so weit ist: Geier in Deutschland!!! Die Anzeichen standen auf einer ersten Auswilderung in 2021 und wie es aussieht, nimmt der Plan Gestalt an. Die Bartgeier-Brutsaison 20/21 ist in vollem Gange und schon bald könnten die ersten Küken für das große Projekt schlüpfen.

Netterweise darf ich auf meinem Blog die Pressemitteilung des Tiergarten Nürnberg teilen, die das geplante Vorhaben der Wiederansiedlung, das aktuelle Brutgeschehen im Tiergarten sowie interessante Fakten rund um den Bartgeier sehr gut zusammen fasst:

Im kommenden Mai wird der bayerische Naturschutzverband „Landesbund für Vogelschutz“ (LBV) in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Berchtesgaden zum ersten Mal drei junge Bartgeier auswildern. Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei auch ein Jungvogel aus dem Tiergarten der Stadt Nürnberg stammen könnte, ist nun weiter gestiegen. Das Nürnberger Bartgeier-Paar hat vor kurzem mit der Brut begonnen, nachdem das Weibchen zwei Eier gelegt hatte. „Wir freuen uns sehr darüber, dass das Nürnberger Paar mit dem Brüten begonnen hat. Ein weiterer Schritt hin zu einem jungen fränkischen Bartgeier in den bayerischen Alpen ist somit getan“, sagt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer.

Der Nürnberger Tiergarten ist Teil des europäischen Bartgeier-Zuchtnetzwerks (EEP/Erhaltungszuchtprogramm des Europäischen Zooverbands) und freut sich ebenfalls. „Bis Mitte Januar hat unser Weibchen zwei Eier gelegt, die die Geier jetzt im Partnerwechsel bebrüten werden. Ist die Brut erfolgreich, sollten die Jungvögel Anfang März schlüpfen“, erläutert Jörg Beckmann, stellvertretender Direktor und Biologischer Leiter des Tiergartens Nürnberg. Die Geschehnisse rund um das Nürnberger Bartgeier-Paar und seinen Nachwuchs können dank zweier Kameras im Gehege auch auf der Webseite des LBV unter www.lbv.de/bartgeier-auswilderung oder im YouTube-Channel des Tiergartens unter www.youtube.com/playlist?list=PLwq5WU_0knRVfMDhE_dP6MzRBfBm-o1Ip mitverfolgt werden.

© Tiergarten Nürnberg, Jörg Beckmann




Für die meisten Vogelarten ist eigentlich der Frühling die ideale Zeit, um Eier zu legen und mit dem Brutgeschäft zu beginnen. Nicht so bei den Bartgeiern, Europas seltenster Geierart. Diese beginnen bereits im Hochwinter mit der Brut. In ihrem alpinen Lebensraum halten aktuell auch tiefe Minustemperaturen, tagelange Schneefälle und Lawinenabgänge die Brutpaare nicht davon ab, ihre beiden Eier zu legen und sie die nächsten 52 Tage über ausdauernd zu bebrüten. „Diese besondere Brutzeit hängt mit der Ernährung der Küken zusammen, die im Gegensatz zu den Altvögeln keine Knochen verdauen können. Daher hat sich die Art so entwickelt, dass die Küken gegen Ende des Winters schlüpfen, wenn es in den alpinen Lagen durch verunglückte Wildtiere ein reichhaltiges Angebot an Aas gibt“, weiß Toni Wegscheider, LBV-Bartgeierexperte. Dabei handelt es sich vor allem um Gämsen und Steinböcke, die in Lawinen verendet sind und dann im tauenden Schnee zum Vorschein kommen. „Dank einer Synchronisierung des Schlupfzeitraums mit der Schneeschmelze ist sichergestellt, dass genügend Tierkadaver vorhanden sind, mit denen die Eltern ihre Küken füttern können.“

Und obwohl die Bartgeier im Tiergarten Nürnberg weniger harten Wetterbedingungen ausgesetzt sind als ihre Artgenossen in den Alpen, läuft auch bei diesen Vögeln das in Jahrtausenden entwickelte Verhalten ab. Anfang Januar legte das Nürnberger Weibchen das Erste der mehr als faustgroßen Eier, keine zwei Wochen später folgte das Zweite. „Unser erfahrenes Brutpaar wechselt sich derzeit routiniert bei der Bebrütung der Eier ab“, sagt Jörg Beckmann. Somit stehen die Chancen gut, dass Anfang März mindestens ein kleiner Bartgeier in Nürnberg schlüpfen wird. „Sollten zwei Jungvögel schlüpfen, müssen diese nach dem Schlupf sofort getrennt werden, da sie von Natur aus eine starke Aggression gegeneinander aufweisen und immer nur das stärkere Küken überlebt. Das ist nachvollziehbar, da bei insgesamt fast vier Monaten Nestlingszeit in der Natur und Unmengen von Futter, die solch ein heranwachsender Geier fressen muss, die Eltern niemals zwei Junge aufziehen könnten“, erklärt Toni Wegscheider.

Im Nürnberger Tiergarten wiederum wäre es durch ein eingespieltes Expertenteam möglich, das schwächere Küken einem anderen, „kinderlosen“ Bartgeier-Ammenpaar aus dem Zuchtprogramm zukommen und es von diesem ohne menschlichen Kontakt großziehen zu lassen. „Damit würde sich die Wahrscheinlichkeit verdoppeln, dass letztlich eines der beiden Jungtiere im Mai für eine Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden geeignet ist. Sollte ein zweiter Geier schlüpfen, könnte dieser im Rahmen eines anderen Auswilderungsprojekts abgegeben werden oder innerhalb des europäischen Zuchtprogramms für den Fortbestand dieser Art sorgen“, fügt Beckmann hinzu. Die derzeit in den Eiern wachsenden kleinen Bartgeier werden wohl sehr verschiedene Lebenswege einschlagen, aber jeder auf seine Weise könnte einen wichtigen Beitrag zur Zukunft dieser Spezies leisten.

Erste Bewegtbilder des Nürnberger Bartgeierpaares liefern Videos des LBV und des Tiergartens Nürnberg, welche die Vögel bei Nestbau, Balz, Kopulation und beim Brüten zeigen. Im Gehege sind zwei Kameras angebracht, die das Verhalten der beeindruckenden Vögel sowohl im Außenbereich als auch im Horst aufzeichnen. „Balzen, kopulieren und Nistmaterial eintragen: sowohl die Bartgeier in der Natur als auch die Vögel im Nürnberger Tiergarten waren die letzten Wochen sehr fleißig mit den Vorbereitungen für die jährliche Brutsaison. Dank der tollen Videos kann dies nun jeder miterleben“, sagt Wegscheider.

Über 100 Jahre nach seiner Ausrottung soll dem größten Greifvogel Mitteleuropas die Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden. Der bayerische Naturschutzverband LBV möchte die Erfolgsgeschichte der Wiederansiedelung des majestätischen Vogels in Westeuropa in den kommenden Jahren auch im östlichen Alpenraum fortschreiben. Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten flugfähigen Vögeln der Welt. Anfang des 20. Jahrhunderts war der majestätische Greifvogel in den Alpen ausgerottet. Im Rahmen eines großangelegten Zuchtprojekts werden seit 1986 in enger Zusammenarbeit mit dem in den 1970er Jahren gegründeten EEP der Zoos im Alpenraum junge Bartgeier ausgewildert. Während sich die Vögel in den West- und Zentralalpen seit 1997 auch durch Freilandbruten wieder selbstständig vermehren, kommt die natürliche Reproduktion in den Ostalpen nur schleppend voran.

Ein vom bayerischen Naturschutzverband LBV initiiertes Projekt zur Auswilderung von jungen Bartgeiern im bayerischen Teil der Alpen greift dies auf und unterstützt in Kooperation mit dem Nationalpark Berchtesgaden die alpenweite Wiederansiedelung. Dafür werden in den kommenden Jahren im Klausbachtal junge Bartgeier ausgewildert – im Jahr 2021 erstmals in Deutschland. Der Nationalpark Berchtesgaden eignet sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren als idealer Auswilderungsort in den Ostalpen. Mehr Informationen zum Projekt unter www.lbv.de/bartgeier-auswilderung.

© Tiergarten Nürnberg

Liebes Tiergarten-Team, vielen Dank für den netten Kontakt und die spannenden Informationen! Ich drücke euch ganz fest die Daumen, dass die Brutsaison erfolgreich verläuft und im Frühjahr ein oder zwei Küken aus eurem Tiergarten Europas Himmel verschönern können!!!

Montag, 8. Februar 2021

Großer Erfolg in Bangladesch

Für Geierschützer in Bangladesch wird der 08.02.2021 von nun an ein ganz besonderes Datum sein: Heute wurde durch die Regierung das Verbot des geiertödlichen, veterinären Schmerzmittels Ketoprofen beschlossen! Ein wichtiger Meilenstein, um die letzten 260 vom Aussterben bedrohten Bengalgeier in Bangladesch zu schützen. Ketoprofen hat genauso wie Diclofenac und andere Entzündungshemmer und Schmerzmittel zu einem katastrophalen Kollaps der Geierpopulation in Asien geführt, bei dem u.a. rund 99,99 % der Bengalgeier ausgerottet wurden. Auch die Bengalgeier-Population Bangladeschs wurde schwer getroffen und anstelle von ca. 50.000 Exemplaren, die es in den 70er-Jahren noch gab, können heute nur noch 260 Exemplare gezählt werden. Mit dem Verbot von Ketoprofen hat also ein weiteres asiatischen Land einen wichtigen Schritt gemacht, um das drohende Aussterben der Geier zu verhindern.

Zu diesem großen Erfolg haben viele Geierschützer und Schutzorganisationen beigetragen, u.a. das Bangladesh National Vulture Recovery Committee, Ministry of Health, Drug Administration, Department of Livestock, RSPB und SAVE. Außerdem spielt die IUCN eine signifikante Rolle beim Geierschutz in Bangladesch. Es wurde ein Geierschutz-Komitee gegründet, der Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin seit 2010 verboten, 2 Geierschutzgebiete (Vulture Safe Zones) eingerichtet, die vollkommen frei von geierschädlichen Substanzen sind, ein National Vulture Action Plan verabschiedet und vieles mehr. Außerdem bewarben IUCN und SAFE erfolgreich das Medikament Meloxicam, das als geierfreundlicher Ersatz für Diclofenac, Ketoprofen u.ä. gilt. Vielerorts wurde die Produktion und somit auch die Nutzung von Meloxicam bereits ausgeweitet.