Freitag, 22. Oktober 2021

Quica konnte gesund ausgewildert werden

Ende August (25.08.’21) wurde in der Stadt Esquel im Nordwesten der Provinz Chubut, Patagonien in Argentinien, ein verletzter, weiblicher Andenkondor gefunden und entsprechend des Protokolls des Programa Conservación Cóndor Andino (PCCA, Programm zur Erhaltung des Andenkondors) durch die Stiftung Fundación Cullunche in Mendoza aufgepäppelt. Quica, so der Name der Dame, litt unter anderem an Bleivergiftung aufgrund diverser Schrotkugeln sowie eines 22 Kaliber-Geschosses im Flügel, mit denen sie angeschossen wurde, und war stark abgemagert.

Es wurde eine Chelatbehandlung durchgeführt, um die hohen Bleiwerte im Blut zu senken. Das 22 Kaliber-Geschoss konnte entfernt werden, während die anderen Schrotkugeln leider an zu gefährlichen Stellen waren, um sie entfernen zu können. Die Dame hat außerdem deutlich an Gewicht und Muskelmasse zugelegt. Nach über zwei Monaten intensiver Pflege hatte sich die tapfere Dame Quica bereits so weit erholt, so dass sie Anfang Oktober auf ein größeres Gelände verlegt werden konnte.

Erschreckenderweise gab es einen großen Aufschrei und sogar Proteste, als der verletzte Kondor von Esquel in die Auffangstation der Fundación Cullunche in Mendoza gebracht werden sollte. So wollte man über einen entsprechenden Antrag beim Ministerium den Transport verhindern und das Tier lieber an einen Zoo verkaufen, anstatt es gesund zu pflegen und wieder freizulassen. Unglaublich!

Am 19.10.’21 wurde die Behandlung durch Fundación Cullunche erfolgreich abgeschlossen. Die Andenkondor-Dame wurde in einer Transportbox zum Flughafen und anschließend zurück in ihre Heimat gebracht. 




In den Calfu Mahuida Bergen, nur etwa 5 km von ihrem Fundort entfernt, wurde sie schließlich freigelassen. Sie schwang ihre genesenen Flügel in die Luft und ließ sich etwa 150 m von den Zuschauern entfernt auf einem Felsen nieder. Nach nur wenigen Minuten tauchten weitere wilde Andenkondore auf. Ein Männchen gesellte sich zu Quica und begann sofort mit ihr zu interagieren. Da scheint die gute Dame schmerzlich vermisst worden zu sein! Umso schöner, dass es Dank der tollen Arbeit der Kondorschützer zu einer glücklichen Wiedervereinigung gekommen ist!







Im Facebook-Post von Tomás Francisco García Plandolit, der in die Rettungsmission involviert war, stand ein sehr schönes Statement, dass ich hier teilen möchte:

„Der Kondor verdient es, dass wir uns stark für seinen Erhalt einsetzen, aus zwei Hauptgründen. Auf der einen Seite spielt er, indem er sich von Aas ernährt, eine wichtige Rolle in unseren Ökosystem, da er die Felder von möglichen Infektionsherden, die die Verbreitung von Krankheiten verursachen könnten, „reinigt“. Auch aus einer Frage des Respekts gegenüber den ursprünglichen südamerikanischen Völkern, denn für sie spielt er eine grundlegende kulturelle Rolle. Der Kondor wurde Tausende von Jahren beschützt und verehrt.“


Die Fundación Bioandina Argentina trägt im Rahmen des PCCA seit 30 Jahren zur Erhaltung des Andenkondors bei. Sie holte mühsam die Populationen an die Atlantikküste zurück, wo diese vor mehr als 170 Jahren lokal ausgestorben war, unterstützte 360 Rettungsaktionen und züchtete 85 Andenkondore, die freigelassen werden konnten. Außerdem führt sie unermüdlich Aufklärungskampagnen zum Schutz der Andenkondore durch. Sollte die Provinz Chubut erneut die Vorgaben des Programa Conservación Cóndor Andino kritisieren und die Überführung eines verletzten Andenkondors in die Auffangstation der Fundación Cullunche verhindern wollen, so wird die Zusammenarbeit vermutlich eingestellt – und die einzig Geschädigten sind die Andenkondore.

Alle Fotos (c) Fundación Cullunche

Dienstag, 12. Oktober 2021

Iniko kehrt zurück nach Big Sur

Iniko, das Kalifornische Kondor Küken mit der Nummer 1031, schlüpfte 2020 vor laufender Nest-Kamera und wurde eine traurige Berühmtheit, als im Sommer 2020 das verheerende Dolan Fire ausbrach.

(c) Ventana Wildlife Society

Tagelang hielten alle Kondor-Freunde den Atem an, als das Feuer den Baum mit dem Kondor-Nest erreichte und die Kamera aufgrund der Hitze ausfiel. Den Kondorschützern war es laut Ventana Wildlife Society (VWS) lange Zeit aus Sicherheitsgründen nicht möglich in dem verbrannten Gebiet zu gelangen und nach dem Rechten zu schauen. Anfang September kam dann endlich die freudige Nachricht: Küken Iniko hatte wie durch ein Wunder überlebt, obwohl die Flammen bis ca. 3 m unterhalb des Nestes gelodert hatten. Leider blieb Inikos Vater Kingpin vermisst und hat das Feuer offenbar nicht überlebt. Inikos Mutter Redwood Queen überlebte zum Glück und kümmerte sich allein um ihr Küken, das allerdings unter enger Beobachtung blieb. Mitte Oktober verließ Iniko schließlich erstmals ihr Nest. Vermutlich wurde sie durch das Kondor-Männchen Ninja aus dem Nest gescheucht. Mama-Kondor passte zwar weiterhin auf Iniko auf, aber irgendwie konnte die Kleine nicht mehr zurück ins Nest fliegen. Drei Tage später musste sie vom besorgten VWS-Team gerettet werden, nachdem Verletzungen an seinen Beinchen festgestellt wurden. Sie kam in den L.A. Zoo, wo sie medizinisch versorgt und auf eine mögliche Auswilderung im Alter von 1,5 Jahren vorbereitet werden sollte. Bald war auch klar, dass es sich bei Iniko um ein Kondor-Mädchen handelt.

Nun endlich ist es so weit! Iniko wird am 04.12.2021, gemeinsam mit fünf weiteren jugendlichen Kalifornischen Kondoren der San Simeon Gruppe, in Big Sur ausgewildert werden.

Neben Iniko wurde damals auch Küken Eva vor dem Dolan Fire gerettet und in den L.A. Zoo gebracht. Leider hatte sie sich als Küken eine Rückenverletzung zugezogen, so dass ein Überleben in Freiheit unwahrscheinlich ist. Außerdem entstammt sie einer genetisch sehr wertvollen Linie, so dass sie ins Südkalifornische Brutprogramm aufgenommen wurde.

Am 12.10.2021, eskortiert vom VWS-Team, trat Iniko nun ihre Reise vom L.A. Zoo nach San Simeon an, wo sie Anfang Dezember ausgewildert werden wird. Dort bekommt Iniko auch eine Flügelmarkierung und wird nach über einem Jahr wieder in den Big Sur Kondor-Schwarm aufgenommen. Da Iniko eine orange Flügelmarkierung mit der schwarzen Nummer 31 (Kurzform für 1031) bekommt, wird sie bereits spaßeshalber auch Halloween Queen genannt.

Die anderen Kondore, die gemeinsam mit Iniko an zwei Terminen ausgewildert werden, wurden nach einer Kondorfreunde-Abstimmung nach berühmten Naturforschern und -schützern benannt: Rachel Carson (1042), Jane Goodall (1019), Rosalie Barrow Edge (1036), Jan Hamber (1038) und Dian Fossey (1011).

Freitag, 8. Oktober 2021

Statusbericht Nr. 7 - News aus der Geiergrube

Nach wie vor ziehen die beiden (oftmals) zusammen in den Berchtesgadener Alpen ihre Kreise

von David Schuhwerk, 08.10.2021

Entgegen unserer Einschätzung am Anfang des Projekts verhalten sich Wally und Bavaria auch Anfang Oktober immer noch relativ „standortstreu“ und ziehen ihre Kreise vorwiegend in den höher gelegenen und nur niedrig bewachsenen Karst- und Felsregionen der Berchtesgadener Alpen – wenn man mal von den regelmäßigen Aufenthalten in der verhältnismäßig niedrig gelegenen Halsgrube absieht. Als bevorzugte Gebiete zeigen sich dabei die Hochplateaus der Reiteralm, dem Steinernen Meer und dem Hochkönigstock, die ja grundsätzlich ideale Lebensräume darstellen. Auch in den angrenzenden Steinbergen wurden sie schon gesichtet.

Bavaria und Wally kreisen häufig zusammen © Markus Leitner

Die Futterplätze sind nach wie vor wichtig

Wir stehen natürlich weiterhin in engem Kontakt mit den erfahrenen Kolleg*innen anderer Wiederansiedlungsprojekte und tauschen uns regelmäßig aus. Solange die Entwicklung der beiden weiterhin so gute Fortschritte macht (siehe unten im Text), besteht auch kein Grund zur Sorge. Wir werden natürlich auch noch weiterhin Nahrung an den Futterplätzen auslegen, solange sich die beiden in der Region aufhalten.

Die Futterplätze werden nach wie vor häufig besucht © Jochen Grab, NPV

Selbstständige Nahrungsfunde

Dabei haben sie nun auch nachgewiesener Maßen in mehreren Fällen selbstständig Nahrung gefunden! Mindestens dreimal haben sie nun unterschiedliche Teile von Knochen und Kadavern (darunter ein großes zusammenhängendes Stück einer Wirbelsäule, vermutlich von einer Gams) an verschiedenen Orten gefunden und teilweise auch mit in die ihnen vertrauten Bereiche der Halsgrube transportiert. Dies ist ein äußerst wichtiger Schritt, der uns zeigt, dass die beiden auf einem guten Weg sind, selbst für ihr Überleben zu sorgen.

Zufälliger Fund von den Wirbeln einer Gams auf dem Weg zur Fütterung © David Schuhwerk LBV

Erste Versuche des Knochenbrechens

Eine weitere großartige Beobachtung hat uns Bavaria beschert: Wir konnten sehen, wie sie von Futterplatz 2 einen großen Gamslauf aufgenommen hat und ihn in eine Rinne unterhalb hat fallen lassen. Daraufhin flog sie im Sturzflug hinterher und  landete punktgenau am Aufschlagsort. Dort nahm sie den Lauf wieder auf und ist damit weitergeflogen. Natürlich braucht es noch viel Übung und die Entwicklung des richtigen Gespürs für Timing, Geschwindigkeit und Aufschlagswinkel sowie für geeignete , bis sie diese Technik beherrschen. Trotzdem ist es beeindruckend zu sehen, welch diffizilen, angeborenen Verhaltensweisen junge Bartgeier mitbringen.

Wally beim Bearbeiten eines Knochenstücks © David Schuhwerk

Kontakte mit der Steinadler Familie

Die benachbarten Steinadler sind nach wie vor sehr präsent. Wir konnten allerdings keine heftigen physischen Konfrontationen in den letzten Tagen beobachten. Dafür war teilweise ein beinahe „gemeinschaftliches“ Kreisen, v.a. mit dem Jungvogel zu sehen. Eine Beobachtung, die wir nicht so schnell vergessen werden, fand in der vergangenen Woche statt: Der Jungvogel (ein stattliches Weibchen) ist direkt neben den beiden an Futterplatz 1 gelandet und versuchte, ihnen den Knochen abzunehmen. Während Wally recht erschrocken davongeflogen ist, saß Bavaria ganz ruhig daneben. Nach einiger Zeit wurde die junge Adlerdame dann von ihrem Vater „abgeholt“ und beide verschwanden ohne sonstigen Kontakt wieder.

Bavaria und das juvenile Steinadlerweibchen direkt nebeneinander am FP1 © Fabienne

Monitoring

Während die niedrigeren Temperaturen und die verminderte Sonnenscheindauer für schöne Herbststimmungen sorgen, wird das Monitoring vor Ort immer anspruchsvoller. Das Team leistet großartiges, denn die in den letzten Tagen häufigen, feucht-kühlen Bedingungen sind nicht einfach. Schlechte Sichtbedingungen durch starke Bewölkung und Nebel stellt die Beobachter*innen auch oftmals auf die Geduldsprobe.

Schwierige Bedingungen beim Monitoring © Magdalena Deelmann

Störungen

Leider haben wir an manchen Tagen Probleme mit übereifrigen Fotografen, die im Bereich der Halsgrube unterwegs sind. Teilweise werden die offiziellen Wanderwege verlassen und sich in der Nähe von der Nische oder von Futterplätzen positioniert. Wir bitten alle Personen inständig, dies zu unterlassen. Außerdem bitten wir darum, auf den ausgewiesenen Wanderwegen zu bleiben und im Bereich des Hanges unter der Nische würden wir auch darum bitten, dort nur durchzugehen und nicht übermäßig lange zu verweilen. Die Hinweisschilder im Bereich des Böslsteigs wurden leider teilweise ausgerissen und zerstört. Kein Bild ist es wert, dafür Tiere zu stören oder ihnen zu nahe zu rücken. Im Bereich der Futterplätze würde damit auch unser Bemühen, dort möglichst ohne Sichtkontakt unterwegs zu sein, untergraben. Zudem gibt es ja noch viele andere geschützte Tiere und Pflanzen im Nationalpark, die unter diesen zusätzlichen Belastungen ebenfalls leiden. Sei behutsam und hinterlasse keine Spuren, das sollte eine generelle Verhaltensweise in der Natur sein. Umso mehr gilt das für ein Schutzgebiet dieses Ranges.

Leider wurde am vergangenen Wochenende auch ein großes Manöver der Bundeswehr in der Region durchgeführt, wobei große SAR-Hubschrauber mehrmals in sehr niedriger Höhe durch die Halsgrube geflogen sind. Aus unserer Sicht ist die Durchführung solcher Manöver in solch sensiblen Naturräumen völlig unverständlich.

Bundeswehr Hubschrauber in sehr niedriger Höhe in der Halsgrube © Silke Moll

Webcam

Nach wie vor ist die Webcam sehr interessant, da sich beide immer wieder entweder direkt in der Nische und im Bereich am Hang darunter aufhalten. Uns freut auch nach wie vor die rege Tätigkeit in der Community. Wir hatten ja bereits angekündigt, dass wir uns für das nächste Jahr einige Veränderungen vorgenommen haben, nicht nur, was die technische Seite vor Ort betrifft, sondern auch wie wir diese Community unterstützen und halten können, so dass z.B. interessante Informationen besser erhalten und zugänglich bleiben. Wir hoffen, dass das alles so funktioniert und wir die nötigen Ressourcen aufbringen, um das alles umzusetzen. Allerdings werden wir die Webcam nicht mehr allzu lange laufen lassen können. Die Sonneneinstrahlung nimmt immer mehr ab und über Winter müssen wir die schweren Bleigelakkus ins Tal bringen, um sie vor Beschädigungen zu schützen. Wir gehen davon aus, dass wir sie noch im Oktober abschalten müssen und freuen uns schon auf die neue Webcamsaison.

Mit freundlicher Genehmigung des LBV. Weitere spannende Infos findet ihr im Bartgeier-Blog des LBV!