Freitag, 8. Oktober 2021

Statusbericht Nr. 7 - News aus der Geiergrube

Nach wie vor ziehen die beiden (oftmals) zusammen in den Berchtesgadener Alpen ihre Kreise

von David Schuhwerk, 08.10.2021

Entgegen unserer Einschätzung am Anfang des Projekts verhalten sich Wally und Bavaria auch Anfang Oktober immer noch relativ „standortstreu“ und ziehen ihre Kreise vorwiegend in den höher gelegenen und nur niedrig bewachsenen Karst- und Felsregionen der Berchtesgadener Alpen – wenn man mal von den regelmäßigen Aufenthalten in der verhältnismäßig niedrig gelegenen Halsgrube absieht. Als bevorzugte Gebiete zeigen sich dabei die Hochplateaus der Reiteralm, dem Steinernen Meer und dem Hochkönigstock, die ja grundsätzlich ideale Lebensräume darstellen. Auch in den angrenzenden Steinbergen wurden sie schon gesichtet.

Bavaria und Wally kreisen häufig zusammen © Markus Leitner

Die Futterplätze sind nach wie vor wichtig

Wir stehen natürlich weiterhin in engem Kontakt mit den erfahrenen Kolleg*innen anderer Wiederansiedlungsprojekte und tauschen uns regelmäßig aus. Solange die Entwicklung der beiden weiterhin so gute Fortschritte macht (siehe unten im Text), besteht auch kein Grund zur Sorge. Wir werden natürlich auch noch weiterhin Nahrung an den Futterplätzen auslegen, solange sich die beiden in der Region aufhalten.

Die Futterplätze werden nach wie vor häufig besucht © Jochen Grab, NPV

Selbstständige Nahrungsfunde

Dabei haben sie nun auch nachgewiesener Maßen in mehreren Fällen selbstständig Nahrung gefunden! Mindestens dreimal haben sie nun unterschiedliche Teile von Knochen und Kadavern (darunter ein großes zusammenhängendes Stück einer Wirbelsäule, vermutlich von einer Gams) an verschiedenen Orten gefunden und teilweise auch mit in die ihnen vertrauten Bereiche der Halsgrube transportiert. Dies ist ein äußerst wichtiger Schritt, der uns zeigt, dass die beiden auf einem guten Weg sind, selbst für ihr Überleben zu sorgen.

Zufälliger Fund von den Wirbeln einer Gams auf dem Weg zur Fütterung © David Schuhwerk LBV

Erste Versuche des Knochenbrechens

Eine weitere großartige Beobachtung hat uns Bavaria beschert: Wir konnten sehen, wie sie von Futterplatz 2 einen großen Gamslauf aufgenommen hat und ihn in eine Rinne unterhalb hat fallen lassen. Daraufhin flog sie im Sturzflug hinterher und  landete punktgenau am Aufschlagsort. Dort nahm sie den Lauf wieder auf und ist damit weitergeflogen. Natürlich braucht es noch viel Übung und die Entwicklung des richtigen Gespürs für Timing, Geschwindigkeit und Aufschlagswinkel sowie für geeignete , bis sie diese Technik beherrschen. Trotzdem ist es beeindruckend zu sehen, welch diffizilen, angeborenen Verhaltensweisen junge Bartgeier mitbringen.

Wally beim Bearbeiten eines Knochenstücks © David Schuhwerk

Kontakte mit der Steinadler Familie

Die benachbarten Steinadler sind nach wie vor sehr präsent. Wir konnten allerdings keine heftigen physischen Konfrontationen in den letzten Tagen beobachten. Dafür war teilweise ein beinahe „gemeinschaftliches“ Kreisen, v.a. mit dem Jungvogel zu sehen. Eine Beobachtung, die wir nicht so schnell vergessen werden, fand in der vergangenen Woche statt: Der Jungvogel (ein stattliches Weibchen) ist direkt neben den beiden an Futterplatz 1 gelandet und versuchte, ihnen den Knochen abzunehmen. Während Wally recht erschrocken davongeflogen ist, saß Bavaria ganz ruhig daneben. Nach einiger Zeit wurde die junge Adlerdame dann von ihrem Vater „abgeholt“ und beide verschwanden ohne sonstigen Kontakt wieder.

Bavaria und das juvenile Steinadlerweibchen direkt nebeneinander am FP1 © Fabienne

Monitoring

Während die niedrigeren Temperaturen und die verminderte Sonnenscheindauer für schöne Herbststimmungen sorgen, wird das Monitoring vor Ort immer anspruchsvoller. Das Team leistet großartiges, denn die in den letzten Tagen häufigen, feucht-kühlen Bedingungen sind nicht einfach. Schlechte Sichtbedingungen durch starke Bewölkung und Nebel stellt die Beobachter*innen auch oftmals auf die Geduldsprobe.

Schwierige Bedingungen beim Monitoring © Magdalena Deelmann

Störungen

Leider haben wir an manchen Tagen Probleme mit übereifrigen Fotografen, die im Bereich der Halsgrube unterwegs sind. Teilweise werden die offiziellen Wanderwege verlassen und sich in der Nähe von der Nische oder von Futterplätzen positioniert. Wir bitten alle Personen inständig, dies zu unterlassen. Außerdem bitten wir darum, auf den ausgewiesenen Wanderwegen zu bleiben und im Bereich des Hanges unter der Nische würden wir auch darum bitten, dort nur durchzugehen und nicht übermäßig lange zu verweilen. Die Hinweisschilder im Bereich des Böslsteigs wurden leider teilweise ausgerissen und zerstört. Kein Bild ist es wert, dafür Tiere zu stören oder ihnen zu nahe zu rücken. Im Bereich der Futterplätze würde damit auch unser Bemühen, dort möglichst ohne Sichtkontakt unterwegs zu sein, untergraben. Zudem gibt es ja noch viele andere geschützte Tiere und Pflanzen im Nationalpark, die unter diesen zusätzlichen Belastungen ebenfalls leiden. Sei behutsam und hinterlasse keine Spuren, das sollte eine generelle Verhaltensweise in der Natur sein. Umso mehr gilt das für ein Schutzgebiet dieses Ranges.

Leider wurde am vergangenen Wochenende auch ein großes Manöver der Bundeswehr in der Region durchgeführt, wobei große SAR-Hubschrauber mehrmals in sehr niedriger Höhe durch die Halsgrube geflogen sind. Aus unserer Sicht ist die Durchführung solcher Manöver in solch sensiblen Naturräumen völlig unverständlich.

Bundeswehr Hubschrauber in sehr niedriger Höhe in der Halsgrube © Silke Moll

Webcam

Nach wie vor ist die Webcam sehr interessant, da sich beide immer wieder entweder direkt in der Nische und im Bereich am Hang darunter aufhalten. Uns freut auch nach wie vor die rege Tätigkeit in der Community. Wir hatten ja bereits angekündigt, dass wir uns für das nächste Jahr einige Veränderungen vorgenommen haben, nicht nur, was die technische Seite vor Ort betrifft, sondern auch wie wir diese Community unterstützen und halten können, so dass z.B. interessante Informationen besser erhalten und zugänglich bleiben. Wir hoffen, dass das alles so funktioniert und wir die nötigen Ressourcen aufbringen, um das alles umzusetzen. Allerdings werden wir die Webcam nicht mehr allzu lange laufen lassen können. Die Sonneneinstrahlung nimmt immer mehr ab und über Winter müssen wir die schweren Bleigelakkus ins Tal bringen, um sie vor Beschädigungen zu schützen. Wir gehen davon aus, dass wir sie noch im Oktober abschalten müssen und freuen uns schon auf die neue Webcamsaison.

Mit freundlicher Genehmigung des LBV. Weitere spannende Infos findet ihr im Bartgeier-Blog des LBV!

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