Der jahrelange Kampf um die Rettung der letzten verbliebenen Geier in Bangladesch scheint sich langsam auszuzahlen: Aktuelle Beobachtungen ergaben, dass die Geier-Population seit der letzten Zählung in 2015 in etwa gleich geblieben ist. Der schreckliche Negativtrend konnte durch die Bemühungen der Geierschützer also zumindest gestoppt werden. Wird die gute Arbeit fortgesetzt, besteht nun endlich die Möglichkeit, dass sich die Population in den nächsten Jahren auch wieder erhöht.
Bis in die späten 80er-Jahre waren Geier auf dem Indischen Subkontinent weit verbreitet, aber der exzessive Einsatz von für Geier tödlichem Diclofenac in der Tiermedizin machte dem ein jähes Ende. Bis 2017 war die Geier-Population über 95 % zurückgegangen. Auch in Bangladesch war der Einsatz von Diclofenac bis in die 90er-Jahre weit verbreitet. 2003 identifizierten Forscher des Peregrine Fund Diclofenac als Ursache für das Massengeiersterben, da ihnen das Enzym zum Aufspalten des Wirkstoffs fehlt. Nach Aufnahme von Diclofenac über einen kontaminierten Kadaver, sterben Geier in kurzer Zeit an Nierenversagen. 2010 empfahl die IUCN Bangladesh der Regierung den Einsatz von Diclofenac in der Tiermedizin zu verbieten. 2011 wurde das Verbot ausgesprochen. Allerdings wurden weitere geiertödliche Medikamente identifiziert, wie der Entzündungshemmer Ketoprofen. Auf dieser und andere Wirkstoffe wurden verboten, so dass Bangladesch 2021 das erste Land wurde, das zumindest in den stärker geierfrequentierten Gebieten sämtliche tödlichen Wirkstoffe offiziell verboten hat.
Leider kam dies für einige Geierarten zu spät. Von den einst sieben in Bangladesch heimischen Geierarten ist der Kahlkopfgeier (Red-headed Vulture or Pondicherry Vulture) dort ausgestorben. Zwei weitere Arten, der Bengalgeier (White-rumped Vulture) und Dünnschnabelgeier (Slender-billed Vulture) sind sowohl in Bangladesch als auch weltweit akut vom Aussterben bedroht. Die übrigen vier Arten kommen nur im Rahmen ihrer Migration in Bangladesch vorbei.
Um die verbliebenen Geier zu schützen, wurden neben der Bekämpfung geiertödlicher Wirkstoffe auch viele weitere Maßnahmen ergriffen. So wurde 2015 ein nationaler Aktionsplan für die Jahre 2016-2025 entwickelt, der unter anderem die Einrichtung von Geierschutzzonen (vulture safe zones) und grenzübergreifende Initiativen zum Geierschutz enthält. Im Rahmen des Aktionsplans konnten zwei Geierschutzgebiete (9.660 km2 in Sylhet und 27.700 km2 in Khulna) umgesetzt werden. Diese Regionen, in denen noch verhältnismäßig mehr Bengalgeier leben, beherbergen zwei größere Brutkolonien. Beide Schutzgebiete sind vollkommen Diclofenac- und Ketaprofen-frei. Dies geht natürlich nur durch das Mitwirken der dort lebenden Bevölkerung, die kleine Geierschutz-Teams gebildet haben, um die Kolonien zu schützen und die Wichtigkeit des Geierschutzes in die Gemeinde zu tragen. Auf diese Weise konnte das Verständnis und die Akzeptanz deutlich erhöht werden. Außerdem werden dort Geierrestaurants betrieben, um die Geier mit gesundem Aas zu versorgen.
Darüber hinaus wurden noch weitere Aktionen umgesetzt, wie die Errichtung einer Geierauffangstation in Dinajpur im Norden Bangladeschs. Seit 2016 konnten dort bereits über 100 Geier gerettet, aufgepäppelt und wieder ausgewildert werden.
So mühsam der Weg im Geierschutz auch ist, Bangladesch scheint den richtigen Weg eingeschlagen zu haben!
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