Dienstag, 31. Mai 2022

Einblick in VulPros Arbeit im Mai

Der Mai bei VulPro begann mit einer schönen Geierfabel, die beschreibt, wie der Geier zu seinem kahlen Kopf kam: In früheren Zeiten lebte die Sonne noch sehr nah an der Erde. Alles Leben auf dem Planeten litt unter der starken Hitze und begann nach und nach zu sterben. Um zu verhindern, dass die Erde sich in eine riesige Wüste verwandelt, musste eine Lösung gefunden werden. Der Fuchs, ein Opossum, ein Geier und viele weitere Tiere meldeten sich freiwillig zur Rettung der Erde. Die Sonne müsste von der Erde weggedrückt werden. Zunächst nahm der Fuchs die Sonne in sein Maul und rannte Richtung Himmel. Die Hitze war allerdings zu stark und verbrannte ihm den Mund. Das Opossum wickelte die Sonne in seinen wuscheligen Schwanz ein und rannte Richtung Himmel. Allerdings verlor der Schwanz aufgrund der Hitze sämtliche Haare, die bis heute nicht mehr nachwachsen wollen. Nun kam der Geier an die Reihe, um die Erde zu retten. Also flog er mit kräftigen Flügelschlägen Richtung Sonne und schob diese mit seinem Kopf in den Himmel. Die heißen Sonnenstrahlen versengten ihm sämtliche Kopfhaare, bis diese zu Asche zerfielen. Doch tapfer flog er weiter und schubste die Sonne mit seinem Kopf von der Erde weg. Als die Sonne weit genug von der Erde entfernt wurde, kehrte er um. Sein Kopf war mittlerweile vollständig kahl. Von der Erde wurde er gelobt und gefeiert, aber seine Krone aus Kopfhaaren, die einst so prächtig wie sein Gefieder war, war für immer verloren. Die Sonne schien nun in sicherer Entfernung auf die Erde und es kehrte wieder Frieden ein. Die Kraft und der Wille des tapferen Geiers hatten die Sonne von einer Bedrohung in eine Heilerin des Tierreichs verwandelt.

Wenn man dieser Fabel glaubt, ist es umso trauriger, dass der einstige Retter der Erde nun selber kurz vor seiner eigenen Ausrottung steht! Durch solche und ähnliche Geschichten und Wissenshäppchen macht VulPro in Sachen Aufklärungsarbeit einfach einen wahnsinnig guten Job!!!

Derweil ist die Brutsaison in vollem Gang. Die folgenden Bilder stammen aus der Kapgeier-Brutvoliere. Kapgeier legen in der Regel ein Ei, das die Geier 54-56 Tage abwechselnd bebrüten. Geht ein Ei verloren, können die Geier nach einigen Wochen ein zweites Ei nachlegen.


In Zusammenarbeit mit 35 Forschern über Bewegungen von Gyps-Spezies in Afrika entstand eine neue Veröffentlichung. Die Ergebnisse wurden in dieser Grafik von Cirenia Arias Baldrich (@CireniaSketches) zusammengefasst, die ich 2019 bei der European Vulture Conference in Portugal sogar persönlich kennenlernen durfte. Eine wirklich sympathische Frau, die es vorzüglich versteht umfangreiche fachliche Inhalte leicht verständlich grafisch abzubilden.

Mit diesem wunderschönen Bild wünscht VulPro allen Müttern alles Gute zum Muttertag!

Mit Stand 09.05. wurden dieses Jahr 20 Kapgeier-Eier und 2 Weißrückengeier-Eier gelegt. Leider waren 3 Eier bereits beschädigt, aber wahrscheinlich werden die Geiereltern ein weiteres Ei legen. 11 Eier wurden gegen Dummy-Eier ausgetauscht und werden im Inkubator künstlich bebrütet. Die zwei Weißrückengeier-Eier im Inkubator sind glücklicherweise befruchtet und mindestens 5 der Kapgeier-Eier ebenfalls. Die Ergebnisse der anderen stehen noch aus. Außerdem werden viele weitere Eier erwartet.

Seit Jahren arbeitet VulPro eng mit dem Stromanbieter Eskom zusammen, durch dessen meist ungesicherte Stromleitungen zahllose Tiere, vor allem Geier, qualvoll verenden. Auch ich hatte in meinen Besuchen bei VulPro viel zu häufig die Überreste von Geiern unter Stromleitungen entdeckt und die überlebenden, flügelamputierten Geier bei ihren Operationen begleitet und gepflegt. Jedes Mal ein traumatischen Erlebnis, das sich aber immer wieder und wieder wiederholt. Nun kam es offenbar beim neuesten Fund von vier toten Kapgeiern zum Eklat, als Eskom jegliche Schuld von sich wies, obwohl die Strommasten, unter denen die toten Geier gefunden wurden, nachweislich nicht isoliert waren. Außerdem stritten sie jeden Hinweis ab, dass die Köpfe der Geier von Einheimischen entfernt wurden, um sie in der traditionellen Medizin Muti illegal zu verkaufen.

Zum Glück gibt es auch immer wieder Erfolgsgeschichten, wie das nächste Bild zeigt. Ein junger Weißrückengeier, der 2021 bei VulPro geschlüpft ist und mit GPS-Sender ausgewildert wurde, hat auf seiner jungen Reise bereits vier Länder besucht: Südafrika, Botswana, Simbabwe und aktuell Sambia.

VulPro hat mit Kate Webster eine tolle Projektpartnerin im Eastern Cape. Leider habe ich sie noch nicht persönlich kennengelernt, stehe mit ihr aber immer mal wieder in Kontakt. Seit einer Weile werden Junggeier von VulPro ins Eastern Cape gebracht und anschließend dort ausgewildert, um die dortige Population zu unterstützen. So geschehen auch jetzt im Mai mit vier weiteren Junggeiern.

Ende Mai bekam Andenkondor-Männchen Pitchu ein Weibchen in seine Voliere. Der Gute legte sofort los und versuchte seine neue Partnerin für sich zu gewinnen. Ich drücke ihm die Daumen, auch wenn viele Mädchen gar nicht so auf Angeber stehen!

Nächste traurige Nachricht, nachdem ein verletzter Kapgeier in Lichtenberg eingesammelt wurde. Der Arme wurde Opfer eines Stromschlags, der einmal quer durch Bauch und Rücken ging und zu offenen Wunden führten. Da die Flügel allerdings unverletzt sind, besteht ein Funke Hoffnung, dass sich der Geier von seinem schweren Trauma erholt und wieder freigelassen werden kann.

Zum Monatsabschluss fand ein Training für freiwillige Helfer statt, um den sicheren Umgang mit Geiern zu erlernen. Wie sich jeder vorstellen kann, will das Einfangen und Festhalten von Geiern gut gelernt sein, damit weder das Tier noch der Geierschützer verletzt werden. Bevor es jedoch an die lebenden Geier ging,  erklärte VulPro-Chefin Kerri die Theorie mit Hilfe von Nutsy, dem süßen Geier aus Disney’s Robin Hood, den sie vor einigen Jahren in den USA geschenkt bekam – ich bin noch immer grün vor Neid!!! 😉

Alle Bilder © VulPro, Facebook

Vortrag über Bartgeier im Süden Afrikas

Seit gut zwei Jahren gibt es die Online-Vortragsserie „Conservation Conversations“ von BirdLife South Africa, bei der spannende Vorträge zum Vogelschutz vorgestellt werden. Auch Geier spielen hier hin und wieder eine Rolle, so dass ich mir den heutigen Vortrag von Sonja Krüger über den Bartgeierschutz im Süden Afrikas nicht entgehen lassen wollte.


Bisher stand ich mit Sonja nur sporadisch per E-Mail in Kontakt, aber ihre Kollegin Shannon Hoffman hatte ich Ende 2017 auf einer Bartgeierkonferenz in Frankreich kennengelernt, als sie einen Vortrag über die Arbeit des African Raptor Centre, des Bearded Vulture Recovery Programme und Bred4theWild gehalten hat. Sonja ist seit 2000 in den Bartgeierschutz im Süden Afrikas (Südafrika und Lesotho) involviert, hat dabei viele Höhen und Tiefen erlebt und 2014 sogar über den Bartgeier promoviert.

Geier sind die am rasantesten abnehmende Vogelart der Welt und auch um die Bartgeier steht es sehr schlecht. Vor allem die isolierte Unterart, die nur in Südafrika und Lesotho vorkommt, gilt als kritisch vom Aussterben bedroht, nachdem ihr Bestand in jüngster Zeit um über 30 % zurückgegangen ist. Die Hauptgründe hier Vergiftung, Zerstörung des Lebensraums, Störung der Brutgebiete, Kollisionen mit Stromleitungen, Nahrungsmangel und der Klimawandel. Über die weltweiten Bestandszahlen des Bartgeiers ist man sich nicht einig, sie werden auf etwa 2.000-10.000 Individuen geschätzt, darunter ca. 1.300-6.700 erwachsene Bartgeier.


Bis 2000 wurden die Bartgeier im Süden Afrikas nicht sonderlich gut erforscht. Die ersten Zählungen ergaben nüchterne Werte: Es waren nur noch 305-382 Individuen übrig, darunter max. 191-239 erwachsene, die wiederum nur 76-118 Paare bilden. Keine guten Aussichten für eine gesunde Population.


Es konnte beobachtet werden, dass viele Brutpaare ihre einstigen Brutgebiete aufgegeben haben. Gründe hierfür waren vorwiegend Stromleitungen oder menschliche Siedlungen, die sich in den Lebensraum der Bartgeier ausbreiteten. In Schutzgebieten fühlten sich die Bartgeier deutlich wohler, so dass dort ein leichter Anstieg an Brutpaaren erkannt werden konnte.

Über 20 Jahre wurden die Todesursache von 25 Bartgeiern untersucht. Gut 60 % der Verluste sind auf Vergiftungen (u.a. Blei) zurückzuführen. Zweitgrößte Ursache sind Kollisionen mit Stromleitungen. Weitere starben durch den Menschen und einige wenige aufgrund sonstiger oder natürlicher Ursachen. Zum Glück gibt es derzeit keine Windfarmen in den bevorzugten Bartgeiergebieten. Diese bergen nämlich ein großes Risiko, da Bartgeier bevorzugt in Höhe der Rotorblätter fliegen und diese im Flug nicht sehen können – genau wie Stromleitungen. Aktuell sind von Windfarmen hauptsächlich die ebenfalls vom Aussterben bedrohten Kapgeier gefährdet aufgrund diverser Windfarmen, die leider nahe der bekannten Kolonien gebaut wurden.


Die Auswertung des Bruterfolgs der wilden Population war ebenfalls ernüchternd. Nur etwa 54 % der Brutpaare starten Brutversuche. Von ihnen waren etwa 75 % erfolgreich und haben je ein Küken großgezogen. Damit liegt die Reproduktion bei 0,42 Küken pro Brutpaar pro Jahr. Eine schlechtere Quote gibt es eigentlich nur auf Korsika. In den Alpen und Pyrenäen liegt die Quote deutlich höher. Hauptursachen hierfür sind die hohen Verluste unter den Elterngeiern und Nahrungsmangel.

Seit 2009 wurden 25 Geier aus fünf verschiedenen Altersgruppen an Futterstellen eingefangen und mit GPS-Sendern ausgestattet wieder freigelassen. Leider sind die meisten mittlerweile verstorben oder haben ihren Sender verloren. Es konnten allerdings so viele Daten gesammelt werden, das vorerst keine Besenderungen wilder Bartgeier geplant sind. Anhand der Daten konnte festgestellt werden, dass jugendliche Bartgeier wesentlich größere Gebiete (ca. 30.000 km2) abfliegen als erwachsene Brutpaare, die sich auf ein Territorium von ca. 95 km2 beschränken. Die Junggeier sind damit deutlich mehr Risiken ausgesetzt, haben aber auch viel größere Chancen genügend Futter zu finden.

Im Rahmen des Bearded Vulture Recovery Programme, das durch Sonja Krüger koordiniert wird, soll der Schwund der wilden Bartgeier-Population gestoppt und wieder aufgebaut werden, damit es bis 2025 wieder mindestens 100 Brutpaare (333 Individuen)  in freier Natur gibt. Bis 2070 sollen es sogar wieder 150 Brutpaare (500 Individuen) werden. Dabei soll auch die Geburtenrate deutlich verbessert werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Risiken für Bartgeier minimiert und ein Zuchtprogramm aufgebaut werden. Hierzu werden die Zweitgelege wilder Bartgeier aus den Nestern entfernt und in einem Zuchtzentrum künstlich ausgebrütet werden. Die Zweitgelege sind im Geiernest daran zu erkennen, dass sie kleiner sind als das Erstgelege. Die ersten Nachzuchten dienen dem Aufbau genetisch vielfältiger Brutpaare, deren Jungtiere später ausgewildert werden können. Da die Bartgeier-Unterart im Süden Afrikas so klein ist, werden auch später genetisch wertvolle Nachzuchten innerhalb des Brutprogramms bleiben, um diese Vielfalt sicherzustellen. Die übrigens Nachzuchten sollen mit GPS-Sendern ausgestattet ausgewildert werden.


In dem 2015 gestarteten Brutprogramm von Shannon Hoffmann leben mittlerweile 14 Geier, allerdings deutlich mehr Weibchen als Männchen. Da Bartgeier erst mit 7 Jahren geschlechtsreif werden, dauert es noch eine Weile, bis die neuen Junggeier selber brüten können. 2022 ist nun das erste Jahr, wo es überhaupt ein Brutpaar im Zentrum gibt. Ziel waren allerdings 5 neue Geier pro Jahr über 6 Jahre, also 30 Geier bis 2022. Dass das Ziel so deutlich verfehlt wurde, lag unter anderem an eingeschränkten Ressourcen, extremen Wetterereignissen, unbefruchteten Eiern, schwere Zugänglichkeit zu wilden Nestern, Reiseeinschränkungen und Vorgaben des Eier-Sammel-Protokolls. Wie die Brutsaison 2021 in dem neuen Bartgeier-Zuchtzentrum verlaufen ist, könnt ihr übrigens in meinem Februar-Artikel nachlesen. Das Brutcenter ist für die Öffentlichkeit zugänglich und bestimmt einen Ausflug wert, sollten man sich nahe Durban aufhalten.

Die Geierschützer geben sich von Rückschlägen jedoch nicht geschlagen und setzen sich weiter für den Erhalt der Bartgeier-Population ein!

Im Anschluss an den Vortrag gab es noch eine spannende Frage-Antwort-Runde. Die meisten Infos habe ich bereits in die obige Zusammenfassung des Vortrags eingebaut. Hier einige Zusatzinfos:

  • Insgesamt ist Gift das größte Problem für die Bartgeier. Es gibt viele Aufklärungsarbeiten und Trainings, wie man bei Vergiftungen schneller reagieren kann, um den Tatort zu sichern und weitere Opfer zu vermeiden. Die meisten Vergiftungen passieren, weil Farmer Nutzvieh vor anderen Raubtieren schützen wollen. Aber es werden auch manchmal Geier verfolgt und sie oder ihre Nester mit Steinen beschmissen, aus Angst, dass sie Nutzvieh töten. Rückstände von Diclofenac und anderen geiertödlichen Wirkstoffen wurden zwar bisher noch in keinem Bartgeier im Süden Afrikas nachgewiesen, aber dennoch wird viel Aufklärungsarbeit durchgeführt, damit es gar nicht erst zu solchen Verlusten kommt.
  • Es gibt mehrere Geierrestaurants, die eng kontrolliert werden (Verständnis der Besitzer, Häufigkeit des Futters, Entfernung von Bleikugeln nach Tötung der Nutztiere etc.). Manche Geierrestaurants wie Giants Castle und Golden Gate Park können besucht werden, andere befinden sich auf privaten Farmen.
  • In Afrika ist Muthi weit verbreitet, eine Art Aberglaube bzw. traditionelle Medizin. Einheimische glauben zum Beispiel, dass das Rauchen von getrocknetem Geierhirn einen Blick in die Zukunft ermöglicht. Auch das Tragen von Geierkörperteilen soll Glück bringen. Aus diesem Grunde werden zahllose Geier getötet und auf Märkten illegal verkauft. Bartgeier sind hiervon aktuell weniger betroffen. Dies liegt vermutlich daran, dass sie seltener vorkommen als andere Geierarten und daher weniger gefangen werden. Außerdem werden sie aufgrund ihres adlerähnlichen Aussehens häufig nicht für Geier gehalten.
  • Die südafrikanische Unterart ist kleiner als die europäische Hauptart. Der Kopf der südlichen Bartgeier ist dabei deutlich als im Norden. Eigentlich haben alle Bartgeier weiße Brustfedern. Sie baden jedoch mit Vorliebe in eisenoxidhaltigem Schlamm, wobei sich ihre Brustfedern orange/rot färben. Die Flügel werden nicht in den Schlamm getaucht, sondern beim Baden nach hinten abgespreizt. Es wird vermutet, dass mit dem Schlamm Milben bekämpft werden sollen und es sich nicht um ein Schönheitsmerkmal für die Balz handelt. Bartgeier haben manchmal verschiedene Nester, in denen sie zwar Futter sammeln, aber nur in einem einzigen Brüten. Das Futter lockt natürlich Milben und anderes Ungeziefer an, das beim nächsten Nestbesuch das Gefieder des Geiers befallen kann. Werden Bartgeiern in Gefangenschaft keine passenden Schlämme zur Verfügung gestellt, bleibt ihr Gefieder weiß.

Vielen Dank an Sonja Krüger für den spannenden Geiervortrag und weiterhin viel Erfolg an alle Beteiligten des Bearded Vulture Recovery Programme!

Alle Bilder (c) Sonja Krüger

Montag, 30. Mai 2022

Vermisster Bartgeier Wally ist tot

Traurige Gewissheit: Nur noch Überreste nahe der Zugspitze geborgen – Todesursache unbekannt – Knochen werden untersucht

© Markus Leitner

Traurige Nachrichten aus dem Bartgeierprojekt des LBV und des Nationalparks Berchtesgaden: Gut eine Woche vor der zweiten Auswilderung hat unser Kletterteam des am vergangenen Samstag Reste des seit Mitte April verschwundenen Bartgeierweibchens Wally gefunden. In der Nähe der Zugspitze im Reintal in einer unzugänglichen Felsrinne auf 1.500 Metern Höhe lagen Knochen, Federn sowie Ring und Sender.

Wally im Flug © Markus Leitner

Todesursache völlig unklar

„Uns war immer bewusst, dass solche Rückschläge passieren können, dennoch sind wir über den Tod von Wally bestürzt. Dass auch mal ein Vogel stirbt, ist Teil der Natur, aber wir hätten ihr natürlich ein langes Bartgeierleben gewünscht“, so unser Vorsitzender Dr. Norbert Schäffer. Er ergänzt: „Selbst wenn nun traurige Gewissheit herrscht, sind wir froh, über ihren Verbleib zumindest nicht weiter im Dunkeln tappen zu müssen.“ Die Überreste des Bartgeierweibchens wurden von uns umgehend zur Untersuchung bei einer unabhängigen Fachstelle eingereicht. Die Todesursache ist völlig unklar und noch ist offen, ob eine wissenschaftlich belegbare Aussage darüber getroffen werden kann.

Kurzzeitiges Signal ermöglichte Bergung der Überreste

Nachdem wir kürzlich das erste Mal seit dem 15. April völlig unerwartet ein kurzzeitiges Signal des GPS-Senders erhalten hatte, konnte nach Ende der Schlechtwetterperiode am Samstag endlich eine erneute Suche starten. Ein von uns initiierter Suchtrupp hat in einem steilen Felshang des Mauerschartenkopfes die Überreste des Vogels geborgen.

„Das Team ist hoffungsvoll mit einer noch genaueren Vorstellung vom möglichen Fundort losgezogen, doch ein solch trauriges Ergebnis ist natürlich für alle Projektbeteiligten bitter“, so unser Projektleiter Toni Wegscheider. „Alles, was ein Bergführer und ein Biologe in einer Felsrinne im Steilgelände von Wally noch vorfinden konnten, waren große Federn und Knochen, der Wally zugeordnete Beinring und der GPS-Sender“, berichtet unser Bartgeierexperte.

Toni Wegscheider mit Richtantenne bei einer früheren Suchaktion © LBV

Suche nach Ursachen beginnt

Dass der junge und nach allen bekannten Daten und vorherigen Beobachtungen gesunde Vogel in den unzugänglichen Hängen des Naturschutzgebiets Reintal umgekommen sein könnte, wurde auch von internationalen Experten bis zuletzt für unwahrscheinlich gehalten. „Zwar überleben neun von zehn Jungvögel im internationalen Auswilderungsprogramm das erste Jahr, man kann aber eben auch nicht ausschließen, dass mal etwas passiert oder es gar vorhersehen. Wir suchen nun nach möglichen Ursachen, wobei es noch viel zu früh ist, um etwas Konkretes dazu zu sagen und wir wollen keinesfalls spekulieren“, so Nationalpark-Projektleiter Ulrich Brendel.

Wiederansiedlung in den europäischen Alpen insgesamt erfolgreich

Auch in anderen am Projekt beteiligten Ländern wie Österreich, Frankreich oder der Schweiz ereignen sich immer wieder Todesfälle. Trotzdem verläuft die Wiederansiedelung des Bartgeiers in den europäischen Alpen so erfolgreich wie kaum ein anderes Auswilderungsprogramm. „Der Tod von Wally bestätigt uns, dass wir dieses Projekt nicht als Sprint, sondern als Marathon auf zehn Jahre angelegt haben, und dass eine einmalige erfolgreiche Auswilderung eben noch lange nicht ausreicht und keine Garantie ist, um die Bartgeierpopulation in den Ostalpen langfristig zu stärken“, ergänzt Norbert Schäffer.

Seit 15. April: Kein Signal von Wallys GPS-Sender

Die Anteilnahme über das unklare Schicksal von Wally in den letzten Wochen war groß und so erreichten uns seither regelmäßige sorgenvolle Nachfragen der bundesweiten Bartgeier-Fangemeinde. Doch das seit 15. April ausbleibende Signal von Wallys GPS-Sender wurde bisher auf eine vorzeitig gerissene Senderbefestigung zurückgeführt, wie es auch bei vier anderen besenderten Bartgeiern in den Alpen in den letzten beiden Monaten der Fall war.

„Wir sind zu 90 Prozent davon ausgegangen, dass dort nur der Sender liegt. Trotzdem wollten wir Gewissheit über das Schicksal von Wally haben“, erklärt Toni Wegscheider weiter. Unser Aufruf zum Einsenden möglicher Sichtungen des vermissten Bartgeiers resultierte zwar in einer Vielzahl von Meldungen durch engagierte Beobachter*innen, ein Beweisfoto oder eine eindeutige Beschreibung der gesuchten Bartgeierdame blieb jedoch aus.

Im Reintal in einer unzugänglichen Felsrinne auf 1.500 Metern fand der Suchtrupp die Überreste des Bartgeiers © LBV

Rückschläge sind Teil von Wiederansiedlungsprojekten

Obwohl junge Bartgeier hohe Überlebensraten haben, sind in den letzten Jahren im Alpenraum immer wieder Todesfälle bekannt geworden. Neben menschlichem Einfluss wie Kollision mit Seilbahnkabeln, Vergiftung durch bleihaltige Jagdmunition oder illegalem Abschuss, gibt es eine Vielzahl nachgewiesener natürlicher Ursachen wie Lawinenabgänge oder Kämpfe mit Steinadlern. „Auch Rückschläge sind leider Teil eines solchen Langzeitprojekts und wir wissen, dass ausgewilderte Bartgeier problemlos in den Alpen überleben können. Wir werden deshalb das Projekt voller Energie und unbeirrt fortführen“, sagt Nationalparkleiter Dr. Roland Baier.

Bavaria wohlauf – Schwester von Wally im Anflug für den 9. Juni

Nachdem die erste Auswilderung 2021 ein voller Erfolg war und beide Vögel den Winter, inklusive längerer Ausflüge und erfolgreicher Nahrungssuche, eigenständig problemlos überstanden haben, ist der zweite, zusammen mit Wally im letzten Jahr ausgewilderte Bartgeier Bavaria wohlauf. Sie befliegt auf weiten Streifzügen momentan das Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden. In Kürze werden wir und der Nationalpark dann zwei weitere junge Bartgeier zur Stützung des ostalpinen Bestandes auswildern, darunter auch die diesjährige Schwester von Wally. „Wallys Schicksal unterstreicht die Notwendigkeit dafür, dass Auswilderungsprojekte langfristig ausgelegt sein müssen. Wir blicken daher zuversichtlich auf die anstehende Auswilderung von zwei weiteren jungen Bartgeiern im Nationalpark Berchtesgaden“, so Ulrich Brendel.

Bavaria ist wohlauf und befliegt derzeit das Umfeld des Nationalparks Berchtesgaden © Markus Leitner

Hintergrund

Wally war am 11. April zum letzten Mal von einer LBV-Aktiven beobachtet worden, wobei der Vogel völlig normal wirkte und keine Anzeichen einer Beeinträchtigung zu erkennen waren. Das letzte GPS-Signal sendete sie vier Tage später am späten Vormittag aus dem Reintal östlich der Zugspitze. Trotz den bisherigen Erfahrungen mit technischen Störungen der aktuellen Sender und der Bestätigung einer schlechten Netzabdeckung im Aufenthaltsgebiet, erfolgten intensive Suchaktionen durch klettererfahrene Teams des LBV, die mit Seilen und Schutzhelmen ausgerüstet immer wieder im Steilgelände des Reintals mittels Handantenne nach dem Sender suchten.

Mit freundlicher Genehmigung des LBV. Weitere spannende Infos findet ihr im Bartgeier-Blog des LBV!

Donnerstag, 26. Mai 2022

Dritter Kalifornischer Kondor im Yurok Tribe Territory ausgewildert

Nun hatte auch Kalifornischer Kondore Nummer 3 seine Auswilderung im Yurok Tribe Territory erfolgreich gemeistert!

Nach der Freilassung von Poy'-we-son (A3) und Nes-kwe-chokw' (A2) Anfang Mai hat sich nun auch für Ney-gem' 'Ne-chween-kah (A0) die Tür der Auswilderungsvoliere geöffnet und das majestätische Tier konnte seine Flügel Richtung Freiheit bewegen.  Die Freilassung konnte über einen Livestream verfolgt werden. Leider hatte ich kaum Zeit reinzuschauen, aber für ein paar Minuten konnte ich die Kondore in der Voliere beobachten sowie wilde Truthahngeier am ausgelegten Aas vor der Voliere futtern sehen.

Der Name von Kondor-Weibchen A0 hat eine starke Bedeutung: „Sie trägt unsere Gebete!“ Nach dem Glauben des Yurok Tribe sind Kalifornische Kondore (Prey-go-neesh) heilige Tiere, die die Gebete des Volkes, ihre Energie und ihren Glauben tragen, wenn die Welt droht ihre Balance zu verlieren.

Kondor A1 muss leider noch eine Weile in der Voliere bei seinem Mentor-Kondor ausharren, bevor auch er freigelassen wird.

Kondor Ney-gem' 'Ne-chween-kah (A0) kurz vor der Freilassung, die Freilassung von A1 steht noch aus © Yurok Tribe

Kondor Ney-gem' 'Ne-chween-kah (A0) kurz nach der Freilassung auf dem Dach der Auswilderungsvoliere © Tribe

Hier einige der Projektpartner des tollen Wiederansiedlungsprojekts in Redwood: Yurok Wildlife Programm, United States Fish and Wildlife Service, Redwood National and State Parks, Ventana Wildlife Society (VWS), Sequoia Park Zoo und Oakland Zoo.