Dienstag, 15. Februar 2022

Bartgeier-Brutprogramm in Südafrika

Auf der Webseite der Vulture Conservation Foundation (VCF) wurde heute eine tolle Fotostrecke von einem Bartgeier-Brutprogramm in Südafrika geteilt mit spannenden Informationen zum Bruterfolg aus 2021.

In Europa haben sich einige Bartgeier-Brutcentren seit vielen Jahren etabliert und liefern wertvolle Nachzuchten zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in freier Natur. Hierzu gibt es viele erfahrene Brutpaare und Ammengeier, die sich liebevoll um den Nachwuchs kümmern. Im Brutcenter in Südafrika gibt es hingegen derzeit kein Brutpaar. Wie also kann so ein Brutprogramm erfolgreich sein?

Die Bartgeier-Unterart Gypaetus barbatus meridionalis, die nur in Südafrika und Lesotho beheimatet ist, gilt als kritisch vom Aussterben bedroht. Nachdem die Population in jüngsten Jahren um über 30 % zurückgegangen ist, musste endlich gehandelt werden, um die noch verbliebene isolierte Population in den Maloti-Drakensberg Mountain zu erhalten. Hierbei entstand auch das Bartgeierschutz- und Brutprogramm.

2015 beschloss das bilaterale (Südafrika/Lesotho) Bearded Vulture Recovery Programme der Bearded Vulture Task Force die Gründung einer Zuchtpopulation im Süden Afrikas. Hierzu startete das African Raptor Centre nahe Durban schließlich das Programm Bred4theWild. Dieses Programm folgt den gleichen Richtlinien wie das Europäische Bartgeier-Zuchtnetzwerk, das durch die VCF koordiniert wird.

Ziel des Programmes im südlichen Afrika ist die Bildung einer genetisch vielfältigen Zuchtpopulation von 20-30 nicht verwandten Gründergeiern in den nächsten Jahren. Die Nachzuchten dieser Geier sollen ausgewildert werden und zum Erhalt der wilden Population beitragen. In 2015 gab es nur einen erwachsenen Bartgeier in Gefangenschaft, der aus dem Besitz eines Wunderheilers konfisziert wurde. Das Weibchen erhielt des Namen Lesli. Um trotzdem ein Brutprogramm starten zu können, werden nun Eier aus Nestern wilder Bartgeier entfernt und in dem Brutcenter künstlich bebrütet. Dies ist möglich, da Bartgeier normalerweise zwei Eier legen, aber nur ein Küken großziehen. Bei Bartgeiern ist nämlich der Kainismus weit verbreitet, bei dem das ältere Küken das jüngere tötet, um selber genug Nahrung von seinen Eltern zu erhalten.

Im folgenden Text werden die Geier durch eine Brutsaison begleitet.

Start der Brutsaison in freier Natur

In der südlichen Hemisphäre ist die Paarungs- und Nestbauzeit im April und Mai. Mitte Juni werden die Eier gelegt, aus denen nach rund 54tägiger Brutphase die Geierküken schlüpfen. In dieser Zeit suchen die Mitglieder des Bearded Vulture Recovery Programme nach wilden Nestern in den Maluti-Drakensberg Mountain und beobachten die Brutaktivitäten.

Nest-Cam-Foto eines bekannten Bartgeier-Brutpaares © Dr Sonja Krüger/ Ezemvelo KZN Wildlife

Sammeln der Eier

Ende Juli beginnt die Zeit, in der die Zweitgelege der Bartgeier eingesammelt werden. Hierzu klettern die erfahrenen Geierschützer in unwegsamem Gelände zu den wilden Geiernestern und entfernen jeweils ein Ei. Auf sicherstem und schnellstem Weg werden die Eier in das African Raptor Centre zwecks künstlicher Inkubation gebracht. Entgegen aller Erwartungen konnten 2021 sogar sieben statt erhoffter sechs Eier gesammelt werden.

Abseilen zum Geiernest und Bild eines Nests mit zwei Eiern © African Raptor Centre

Bebrütung der eier

Da es derzeit keine Geiereltern für eine natürliche Bebrütung im Brutzentrum gibt, müssen die Geier künstlich im Inkubator bebrütet werden. Viermal täglich werden die Eier von den Geierschützern zwecks Temperaturschock herausgeholt und für kurze Zeit der Außentemperatur ausgesetzt. Dies ist eine Vorgabe der VCF und dient dem Gasaustausch (CO2 und O2) sowie der Entwicklung des Embryos. Es simuliert den Moment, bei dem Geiereltern in freier Wildbahn den Platz im Nest auf dem Ei tauschen und dabei ebenfalls das Ei für kurze Zeit ungeschützt lassen.

Eier bei Außentemperatur zwecks Temperaturschock © African Raptor Centre

Beobachtung der Eier

Jeden Abend werden die Eier durchleuchtet, um die Entwicklung des Embryos zu untersuchen. Diese Beleuchtung wird im Englischen „candled“ genannt. Hierbei wird am breiten Ende des Eies eine spezielle Lampe angehalten und somit Entwicklung und Bewegungen des Embryos sichtbar gemacht. Dabei kann nach einigen Tagen auch herausgefunden werden, ob das Ei überhaupt befruchtet ist. 2021 war eines der sieben Eier leider unbefruchtet.

Die Beleuchtung des Eies zeigt den dunklen Embryo und den gut entwickelten Luftsack rechts im Bild © African Raptor Centre

Der Schlupf

Sobald das Küken den Luftsack durchbricht, kann man es aus dem Ei heraus fiepen hören. Ich kann mich noch richtig gut an diesen magischen Moment vor vielen Jahren in Südafrika erinnern, als zum ersten Mal ein Ei mit mir „gesprochen“ hat. Das süßeste Geräusch, das ich je gehört hatte! Ein ganz besonderes Erlebnis!!! Nun muss das Ei rund um die Uhr beobachtet werden, um beim Durchbrechen der Eischale notfalls unterstützt zu werden.

Drei Küken versuchen gleichzeitig die harte Eierschale zu durchbrechen © African Raptor Centre

Winzige Geierküken © African Raptor Centre

Kükenaufzucht

Um die Küken gesund und munter großzuziehen, werden drei Techniken angewendet: Fütterung mit einer Geierhandpuppe, Sozialisierung mit weiteren Geierküken und Bekanntschaft mit einem erwachsenen Geier.

Fütterung mit einer Geierhandpuppe

Eine Woche nach dem Schlupf können Geierküken registrieren, wer sie füttert. Damit sie sich nicht auf Menschen prägen, werden sie von nun an mit einer Geierhandpuppe gefüttert, die einem Elterngeier nachempfunden ist. Den Menschen können sie dabei nicht sehen.

Fütterung mittels Geierhandpuppe © African Raptor Centre

Sozialisierung mit weiteren Geierküken

Geierküken fühlen sich wohler, wenn sie Artgenossen um sich haben. Daher werden die Geierküken jeweils in Sichtweite aufbewahrt, allerdings mit Barrieren, damit sie sich nicht gegenseitig verletzen können.

Mehrere Geierküken in Sichtweite © African Raptor Centre

Bekanntschaft mit einem erwachsenen Geier

Im Alter von 20 Tagen können Geierküken selber ihre Körperwärme regulieren. Dies ist der Moment, wenn sie in eine Außenvoliere umziehen dürfen. Dort sitzen sie dann in einer nachgebauten Felshöhle und können – sicher geschützt durch eine Plexiglaswand – einen erwachsenen Bartgeier beobachten und Verhaltensmuster von ihm erlernen.

Erwachsener Geier in Sichtweite © African Raptor Centre

Geschlechtsbestimmung

Mittels Blutprobe kann das Geschlecht der Geierküken bestimmt werden. Von den sechs geschlüpften Küken wurden drei Männchen und drei Weibchen identifiziert. Gerade in Brutprogrammen ist eine halbwegs gleiche Verteilung von Männchen und Weibchen sehr wichtig, wenn es um die spätere Verpaarung möglicher Bruttiere geht. Aktuell befinden sich etwas mehr Weibchen als Männchen in diesem Brutprogramm.

Beobachtung der Entwicklung

Jede Woche werden die flauschigen Küken gewogen, ihre physische Entwicklung bewertet und mit den Idealgewichten der VCF-Vorgaben verglichen.

Wiegen und Dokumentation der Kükenentwicklung © African Raptor Centre

Je weiter die Entwicklung, desto mehr geht der Flaum in graue und weiße Federn über. An Nacken und Hinterkopf hält sich der Flaum etwas länger. Außerdem wird die Lederhaut der Augen sichtbar, der charakteristische rote Ring.

Im Alter von 4-5 Wochen kann das Küken stehen © African Raptor Centre

Mehr Federn statt Flaum © African Raptor Centre

Endlich flügge

Im Alter von 3 Monaten sind die Geierküken so weit entwickelt, dass sie untereinander und mit dem erwachsene Geier zusammengeführt werden können.

Die Junggeier sind endlich flügge © African Raptor Centre

Anfang Dezember verlassen die Junggeier ihr Nest und sind endlich flügge.

Bartgeierkinder im Alter von 6 Monaten © African Raptor Centre

Die Brutsaison 2021 war für die Programm-Partner ein Riesenerfolg! Meinen herzlichen Glückwunsch!!!

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