Donnerstag, 9. Juni 2022

Bartgeierauswilderung - Weg in die Freiheit

Es ist geschafft: Bartgeiermädchen Dagmar & Recka sind frei!!! 

Nach der Vorstellung der beiden Bartgeiermädchen wurden die beiden vorsichtig in ihren Transportkisten verstaut

Danach setzte sich ein ganze Tross aus Parkrangern vom Nationalpark Berchtesgaden, Angestellte und Freiwillige vom LBV, Kollegen von der Vulture Conservation Foundation (VCF), die Crew des Tiergarten Nürnberg und viele Pressevertreter sowie private Geierfans in Bewegung, um die beiden Geier bei ihrer Auswilderung zu begleiten.
Die Abzweigung zur Halsalm und mein persönlicher Horroraufstieg!  Ich glaube in etwas mehr als einem Kilometer werden hier 500 Höhenmeter zurückgelegt. Zwar war die Temperatur heute in Ordnung (besser als 30 Grad), aber in Regenklamotten fühlt man sich nicht unbedingt beweglicher. Der einzige Trotz war: Bergsteigen für die Bartgeier und die Gewissheit, dass ich diesen Aufstieg im letzten Jahr 5x überlebt habe.
An der Halsgrube teilte sich die Gruppe auf. Der enge Kreis ging weiter zum Beobachtungszelt in der Halsgrube, von wo aus es weiter die Felswand hoch zur Auswilderungsnische ging. Alle anderen folgten dem Wanderweg weitere 10 Minuten bis zum Bartgeier-Infostand. Ich durfte wieder mit zur Halsgrube und konnte einem der Geierträger auf schlammigem, rutschigem, kurzen Abstieg mit meinen Wanderstöcken aushelfen, bevor es weiter bergauf ging.
Am Beobachtungszelt angekommen, wurden die Geier kurz abgeladen, damit alle Träger verschnaufen und sich mit Getränken versorgen konnten. In diesem Jahr wurden übrigens leichte Plastikkisten für den Geiertransport genutzt, die ca. 10 kg wogen. Im letzten Jahr waren es noch massive Holzkisten, die mit Geier um die 27 kg wogen. Den Geiern ist es herzlich egal und für die Träger war es eine riesige Erleichterung.
Vom Beobachtungszelt aus ging nun wirklich nur noch der harte Kern mit, denn die Auswilderungsnische befindet sich in einer steilen Felswand, die bei diesem Sauwetter zudem übelst rutschig, schlammig und durch Steinschlag gefährdet ist. Daher mussten auch alle Helfer Helme tragen und wurden im oberen Teil durch Seile gesichert. Die Auswilderungsnische ist im nächsten Bild mit dem roten Pfeil markiert. Dort den Nebelschleier wird allerdings nicht deutlich, wie steil der Aufstieg dorthin ist.
Ich blieb bei den Beobachtern und freute mich sehr darüber Wildtierführer Lukas und Geierbeobachterin Silke wiederzusehen, nachdem wir letztes Jahr bereits einige Zeit miteinander verbracht hatten. Auch die anderen Kollegen von LBV und Nationalpark sind einfach supernett und jede Geierfachsimpelei eine Bereicherung!
Nach etwa 40 min konnten wir in der Ferne die Geierträger auf der steilen Wiese schräg unterhalb der Nische entdecken. Dort waren viele Seile gespannt, um den Aufstieg zu sichern. Außerdem warteten diesmal zusätzliche Bergsteigexperten in der Felswand, um die Geierleute zusätzlich mit Klettergurt & Co zu sichern.
Am oberen Ende der Wiese geht der Weg weiter rüber nach rechts, wo in der Felswand dann die Auswilderungsnische zu finden ist.
Während die beiden Geiermädchen in der Auswilderungsnische ihre GPS-Sender angepasst bekamen, machten sich zwei Kistenträger bereits runter auf den Abstieg. Wir warteten derweil im ununterbrochenen Regen. Da sämtliches Regenequippment jämmerlich versagte, waren sowohl ich als auch die Inhalte meines Rucksacks bereits nach dem Aufstieg komplett durchnässt. Zwar hatte ich ein Wechselshirt dabei, aber das nützte nur wenige Minuten etwas, da meine REGENJACKE komplett durchnässt war, von außen wir von innen! Echt merkwürdig, denn sowohl Regenjacke als auch Rucksackcover hatten mir bei diversen Regenwanderungen im letzten Jahr eigentlich super Dienste geleistet. Sehr zu Bartys Leidwesen ging der Regen heute leider einfach quer durch!
Toni nach erfolgreicher Auswilderung seiner Schützlinge!
Die tapfere Auswilderungscrew, die auch bei diesem Sauwetter souverän und unfallfrei den Weg zurückgefunden hat!
Hans von der VCF, der beim gemeinsamen Abstieg den mittlerweile leeren Aaseimer aufgeschultert hat. Heute hatten die Geier nämlich direkt eine ordentliche Ration lecker Gams in ihrer Nische ausgelegt bekommen - Nachschub gibt es ab jetzt zweimal die Woche.
Da ich selber nicht in der Auswilderungsnische dabei war, durfte ich mich der Bilder vom Top-Fotografen und Geierfreund Hansruedi bedienen. Ihn kenne ich bereits auch seit Jahren und seinen genialen Bildband über Bartgeier kann ich nur wärmstens empfehlen!!!
Mein armer Barty war im Rucksack übrigens so patschnass geworden, dass er den durchweichten Geiermädchen in nichts nachstand. Als ich später auf meinem Zimmer ankam, habe ich ihn erstmal 15 Minuten trocken geföhnt, bevor ich mich selber umgezogen habe. Geier gehen selbstverständlich vor!!!
Während der Auswilderung hatte ich irgendwann einige Nachrichten bekommen, aber wegen des fiesen Regens nicht beachtet. Als wir wieder in Tal ankamen und ich sie lesen wollte, hatten mir sowohl eine Nachbarin als auch ein Arbeitskollege geschrieben, dass sie mich im ZDF-Mittagsmagazin gesehen haben. Mein Kollege schickte mir sogar ein Beweisfoto. Der kurze Bericht ist scheinbar ein Jahr lang online verfügbar.
Zurück im Klausbachtalhaus gab es für alle Helfer noch ein kleines Buffet und Getränke. Der steile Abstieg hatte zwar kurzzeitig aufgewärmt, aber natürlich war ich noch immer patschnass bis auf die Knochen. Dank des Geieradrenalins war es trotzdem auszuhalten und ich genoss weiterhin die spannenden Geierfachsimpeleien. Manche der Geierleute bleiben noch einige Tage hier, so dass wir uns hoffentlich wiedersehen, wenn ich hier und da am Beobachtungszelt oder dem Infostand aushelfe.
Auch wenn das Wetter echt mies war, die Bartgeierauswilderung war einfach wieder ein unvergessliches Erlebnis! Ich wünsche Dagmar und Recka alles, alles Gute für ihre erste Nacht in Freiheit, dass sie gesund und munter ihre Muskeln kräftigen und in einigen Wochen ihre majestätischen Flügel in die Lüfte schwingen!

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