Montag, 30. November 2020

BalkanDetox LIFE Kick-off Meeting

Am 01.10.2020 startete das neue BalkanDetox LIFE Projekt zur Bekämpfung illegaler Wildtier-Vergiftungen in sieben Balkan-Ländern mit einer Laufzeit von 5 Jahren (bis 30.09.2025).

LIFE (L'Instrument Financier pour l'Environnement) ist das einzige EU-Förderprogramm, das seit 1992 ausschließlich Umweltschutzbelange unterstützt. Darunter fallen natürlich auch Projekte zum Schutz von Arten und Lebensräumen. Zwischen 2014 und 2020 steht ein Gesamtbudget von 3,456 Milliarden Euro zur Verfügung. 81 % davon werden für die Förderung von Projekten der Mitgliedstaaten eingesetzt. Die VCF verfolgt bereits mehrere LIFE-Projekte im Geierschutz, BalkanDetox LIFE ist das neueste in der Runde.

Netterweise fand das von der Vulture Conservation Foundation (VCF) organisierte große Kick-off Meeting des Projektes online statt und war auch für Interessierte, die nicht aktiv am Projekt beteiligt sind, freigeschaltet. Diese Gelegenheit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie solche LIFE-Projekte durchgeführt werden. Das Meeting war auf 6 Stunden angesetzt, unterbrochen von einer einstündigen Mittagspause. In der ersten Session wurden die Rahmendaten rund um das Projekt vorgestellt, jeder Projektpartner erhielt die Chance zu berichten, was er seit dem Projektbeginn bereits umgesetzt hat und es blieb Zeit für offene Fragen. Außerdem wurden wichtige Termine und Meilensteine für 2021 vorgestellt und die Mitglieder des Lenkungskreises vorgestellt, soweit diese bereits offiziell ernannt waren. Nach der Mittagspause ging es mit technischen Details weiter, darunter Informationen zu Finanzen, Kommunikation, Details zu Partnerschaftsvereinbarungen etc. Bei diesem Teil habe ich mich dann allerdings ausgeklinkt, da er vorwiegend an die aktiven Projektmitglieder adressiert war. Moderiert wurde das Kick-Off Meeting durch VCF-Projektmanager Jovan Andevski.

In der Einleitungsrede sprach VCF-Direktor José Tavares die positive Entwicklung der Geier-Population in Europa aufgrund diverser Wiederansiedlungs- und Schutzprojekte an. Diese Erfolge sollen nun auch auf den Balkan ausgeweitet werden. Leider ist das Auslegen von Giftködern im Balkan, meist gegen streunende Hunde oder andere Wildtiere, noch weit verbreitet. Nur wenn dieses große Problem bekämpft wird, macht es Sinn über weitere Wiederansiedlungsprojekte nachzudenken.

Das BalkanDetox LIFE Projekt umfasst die Länder Albanien, Bosnien & Herzegowina, Kroatien, Griechenland, Nordmazedonien und Serbien. Ziel ist es die entsprechenden Regierungsvertreter und Verantwortlichen in den jeweiligen Ländern zu erreichen, um illegale Giftköder zu verbieten und zu bekämpfen. Hierfür steht im Projektzeitraum von 5 Jahren ein Budget von 1,8 Mio. € zur Verfügung. Das Projekt umfasst im Wesentlichen:

  • Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung, um Alternativen zu Gift aufzeigen
  • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Regierung und Naturschutzprojekten
  • Reduzierung der Giftköder
  •  Auflistung der Probleme für Geier auf der Balkanhalbinsel
  • Auswirkungen von Pestiziden auf Menschen
  • Erarbeitung von Protokollen und Leitfäden zur Untersuchung vergifteter Kadaver (Basis: Best Practice aus Spanien)
  • Verfolgen der National Anti-Poisoning Road Map
  • Aufbau einer Datenbank zu allen Vergiftungsvorfälle
  • Trainingsprogramm für Naturschütze
  • Aufbau eines Balkan-Netzwerkes zur besseren Verknüpfung und Erfahrungsaustausch
  •  Ermittlung der Herkunft von legalem und illegalem Gift
  • Ausstatten von 25 Gänsegeiern mit GPS-Sendern
  • Entwicklung einer Frühwarn-App
  • Spezielle Kommunikation in Hotspot-Gegenden mit Ursachenanalyse

Nach der allgemeinen Projektvorstellung bekamen die Ansprechpartner aller involvierten Länder die Gelegenheit sich und ihre Organisation bzw. Projektpartner kurz vorzustellen. Außerdem wurde jeweils über die ersten Aktivitäten seit Start des Projektes Anfang Oktober berichtet. Aufgrund von Corona mussten leider einige Auftaktgespräche verschoben werden oder konnten nur online stattfinden. Das ist beim Start eines solch wichtigen Projektes natürlich sehr schade für das gemeinsame Verständnis und das bessere Kennenlernen. Eine Vorbereitungsgespräche, unter anderem mit Stakeholdern, konnten allerdings bereits durchgeführt werden. Teilweise haben die einzelnen Projektpartner bereits ihre Webseiten angepasst und das neue Projekt in den Sozialen Medien beworben. In einigen wenigen Fällen war es sogar möglich Berichte zum LIFE-Projekt in den nationalen Medien abzubilden. So konnten allein in Griechenland bereits gut 36.000 Menschen erreicht werden. In Serbien wurde sogar im Radio und Fernsehen über den Start des Projektes berichtet. In Bulgarien wurden bereits zwei Einfangvolieren für wilde Geier vorbereitet und praktisch überall werden bereits Aufklärungskampagnen verfolgt. Es zeigt sich aber auch, dass die Möglichkeiten zur Terminierung der nächsten Schritte aufgrund von Corona sehr eingeschränkt sind.

Als nächstes stellte Jovan die Schlüsselprozesse des länder- und organisationsübergreifenden Projektes vor. Wichtig sind zum Beispiel die nationalen Arbeitsgruppen zur Giftbekämpfung, die teilweise bereits vor 2 Jahren gegründet wurden. Gift lässt sich nicht über Nacht bekämpfen und es ist sehr wichtig die entsprechenden Regierungsvertreter in den Prozess einzubinden. Es muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, was zwar mühselig aber unbedingt notwendig ist, um ggfs. Gesetzesänderungen durchzubringen. Ein weiteres Thema sind die nationalen Road Maps zur Giftbekämpfung. Auch diese wurden bereits vor 2 Jahren in Angriff genommen. In Griechenland liegt bereits ein Plan vor, der als Grundlage für das neue LIFE-Projekt genutzt werden kann. Hier ist es besonders wichtig, dass nationale Erfahrungen und „Eigenarten“ in den Plan einfließen, damit dieser landesweit akzeptiert wird. Im Rahmen des LIFE-Projektes soll in mindestens 2 von 6 Ländern ein solcher Plan eingeführt werden, im Idealfall natürlich in allen Ländern. Jedes Land muss ein Standard-Protokoll zum Umgang mit Wildtier-Vergiftung entwickeln und umsetzen. Zwar dienen Best Practice Dokumente als Grundlage, aber nicht alle Informationen/Vorgehen sind auf jedes Land übertragbar. Ein weiterer großer Meilenstein ist das Mitwirken an der Wildlife Crime Academy. In verschiedenen Ländern werden Workshops und Seminare angeboten, um Naturschützer und Regierungsvertreter zu Themen rund um Gesetze, Gerichtsverfahren und Tiermedizin zu coachen und spätere Wildtier-Verbrechen besser verfolgen und aufklären zu können. Der Fokus liegt hierbei nicht nur auf Gift, sondern auch auf Waffen und Munition, Stromleitungen und ähnlich gefährliche Infrastrukturen, das Erlernen des Verstehens von Körpersprache bei Befragungen von Tätern sowie Laborpraktiken zur Forensik. Es gibt 3 Kurse (basic, advanced, supreme) mit einer Dauer von je 4 Tagen (9 Stunden Theorie, 11 Stunden Praxis). Ziel ist, dass die in der Akademie ausgebildeten Teilnehmer das Wissen in ihre Länder übertragen und dort weitere Kollegen ausbilden.

Nach einer kurzen Fragerunde und Kaffeepause ging es mit Details zum weiteren Projektablauf weiter. Hierbei wurde angemerkt, dass aufgrund von Corona leider viele wichtige Termine nur online stattfinden können, worunter vermutlich auch die Qualität leiden wird. So ist es zum Beispiel für Termine wie den Kursen der Wildlife Crime Academy wichtig, dass diese mindestens 2 Monate im Voraus angekündigt werden. Nur so können die Teilnehmer diverse Formalien und Anträge zur Genehmigung von Reisen ins Ausland rechtzeitig einreichen. Aufgrund von Corona kann es allerdings jederzeit zu kurzfristigen Terminverschiebungen kommen.

Anschließend wurden die Projektpartner nach der Benennung ihrer jeweiligen Lenkungskreismitglieder abgefragt. Je Land sollte ein Repräsentant der Regierung benannt werden. In den meisten Fällen wurden mögliche Mitglieder bereits angesprochen, die finalen Zusagen stehen allerdings noch aus. Hinzu kommt ein Vertreter der spanischen Regierung als Best Practice Unterstützung und Vertreter von 3 internationalen Naturschutzorganisationen (MAVA, Euronatur, BirdLife International). Der Lenkungskreis  soll über die gesamte Projektdauer 10x tagen, 2x pro Jahr.

Bevor es dann in der 2. Session mit dem internen Part weiterging, gab es noch Zeit für einige Fragen. Hierbei wurde seitens eines Teilnehmers aus Montenegro bemerkt, dass auch Montenegro als Balkan-Land stark an einem gemeinsamen Geierschutz-Projekt interessiert ist. Viele Geier aus Kroatien kommen öfters vorbeigeflattert und leider wurden bereits einige Vergiftungen dokumentiert. Montenegro ist war bereits seit 10 Jahren offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union, aber es konnte noch keine Einigung erzielt werden. Daher liegt Montenegro nicht im Rahmen der Unterstützung von LIFE-Projekten. Geiern sind allerdings Länder- und EU-Grenzen während ihrer Nahrungssuche oder Migration völlig egal. Es wird daher geprüft, ob Montenegro zumindest informell am Projekt teilnehmen kann.

Eine wirklich spannende Veranstaltung, bei der ich wieder viel über Geier und das Projektmanagement hinter den Schutzprojekten gelernt habe. Außerdem könnte ich Geierexperten wie José und Jovan stundenlang zuhören!!! Nicht jeder hat so ein ausgeprägtes Talent wichtige Informationen leicht verständlich und mitreißend zu vermitteln wie diese beiden!

Freitag, 27. November 2020

In der Weihnachtsbäckerei...

... gibt es manche Leckereien,

zwischen Knochen und Blut,

schmecken Eingeweide gut,

eine riesengroße Kleckerei,

in der Weihnachtsbäckerei,

in der Weihnachtsbäckerei!

Donnerstag, 19. November 2020

Gänsegeier-Nachzuchten aus dem Zoo Dresden werden auf Sardinien ausgewildert

Tolle Nachrichten aus dem Zoo Dresden:

In zwei mit Stroh gefüllten Kisten traten vergangene Woche die beiden männlichen Gänsegeier-Nachzuchten aus den Jahren 2019 und 2020 eine gut 1.600 km lange, spannende Reise an. Ihr Ziel: Monte Minerva auf Sardinien, wo sie in das von der Vulture Conservation Foundation (VCF) unterstützte Auswilderungsprojekt „LIFE Under Griffon Wings“ aufgenommen werden. 

In diesen Transportkisten geht es nach Sardinien (c) Zoo Dresden

Wiegen vor der Abreise (c) Zoo Dresden

Gemeinsam mit drei weiteren Artgenossen verbringen die Jungvögel zunächst circa 20 Tage in einer Quarantänestation.

Heil am ersten Zielort angekommen (c) Zoo Dresden

Erst danach geht es in die eigentliche Auswilderungsvoliere am Monte Minerva, wo sie sich in den nächsten Monaten an die Umgebung und ihre neuen Artgenossen gewöhnen. Mit einem GPS-Tracker ausgestattet werden sie dann voraussichtlich im März 2021 in die Natur entlassen. Auf Sardinien konnten in den vergangenen Jahren mehr als 60 Gänsegeier ausgewildert werden. Ein großartiger Erfolg und der Zoo Dresden hat bereits angekündigt auch weiterhin einen Teil zu dieser Erfolgsgeschichte beitragen zu wollen.

In freudiger Erwartung auf ein Leben in Freiheit (c) Zoo Dresden

Meinen ganz, ganz herzlichen Dank an das nette Team des Zoo Dresden für die Bereitstellung der Informationen und des Bildmaterials! Ich finde es wirklich klasse, dass ihr ein Wiederansiedlungsprojekt unterstützt und die jungen Gänsegeier die Chance auf ein Leben in Freiheit haben, wo sie hoffentlich in ein paar Jahren durch eigenen Nachwuchs zum Bestand ihrer Population beitragen können!

Das LIFE Under Griffon Wings Projekt unter Leitung der Sassari Universität hat sich zum Ziel gesetzt den Schutzstatus der Gänsegeierpopulation auf Sardinien zu verbessern. Dazu zählt vor allem die Bereitstellung von mehr sicherem Futter durch ein Netzwerk der dort ansässigen Farmer und spezieller Futterstellen (Geier-Restaurants). Leider gibt es auch auf Sardinien Probleme mit Giftködern, die zum Schutz von Nutztieren gegen wilde Raubtiere ausgelegt werden. Daher soll eine Giftspürhund-Einheit eingeführt und Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung zu den Folgen von Giftködern auf die Geierpopulation durchgeführt werden. Außerdem wird die Geierpopulation auf Sardinien durch Auswilderung rehabilitierter Gänsegeier aus Auffangstationen in Spanien oder durch Nachzuchten aus Zoos, wie dem Zoo Dresden, aufgestockt.

Da er nicht gerade um die Ecke liegt, hatte ich den Zoo Dresden leider erst einmal besucht. 2016 bin ich extra zum Weltgeiertag (IVAD) hingefahren, nachdem ich informiert worden bin, dass der Zoo eine Aktion zum Weltgeiertag geplant hatte. Außerdem wollte ich gerne die beiden Gänsegeier-Nachzuchten aus dem Zoo Duisburg wiedersehen. Die beiden Männchen waren 2011 und 2013 geschlüpft und anschließend nach Dresden umgesiedelt worden. Das Küken aus 2011 hatte ich selber alle paar Tage im Zoo Duisburg besucht und beim Aufwachsen bestaunt. Hierzu gibt es ab April'11 hunderte Fotos in meinem Blog.

12 Tage junges Gänsegeierküken im Zoo Duisburg, April'11

Als das andere Küken im April'13 schlüpfte, war ich gerade in meinem Geierjahr unterwegs. Netterweise hat aber meine Schwester hin und wieder das Küken besucht und mich und den Geierblog mit süßen Fotos versorgt. Auch hier lohnt sich ein Blick in die alten Artikel.

2 Tage junges Gänsegeierküken im Zoo Duisburg, April'13 (c) C. Stollmeier

Wer sich jetzt genau wie ich gefragt hat, ob eines der beiden Duisburger Nachzuchten Papa der nach Sardinien umgesiedelten Junggeier ist: Leider nein. Die beiden Junggeier stammen von anderen Gänsegeiern aus dem Zoo Dresden ab. Ein Duisburger Geier hatte zwar mit seiner Dame bereits ein Ei gelegt, leider war dieses aber nicht befruchtet. Ich werde aber in jedem Fall mit dem netten Zoo Dresden in Kontakt bleiben und das Wiederansiedlungsprojekt der Gänsegeier auf Sardinien weiter verfolgen. Vielleicht ziehen eines Tages ja wirklich Nachkommen aus meiner Heimat auf die sonnige Insel und können ein Leben in Freiheit genießen.

Montag, 16. November 2020

Petition zum Schutz der Andenkondore

Heute habe ich eine Petition zum Schutz von Andenkondoren entdeckt, über die ich hier gerne berichten möchte.

In den Bergen der Region O'Higgins in Zentral-Chile ist der Bau von 65 Windkraftanlagen auf einer Länge von 17 km auf einer Höhe von 2.400 - 3.300 m geplant. So zukunftsorientiert grüner Strom auch ist, der geplante Windpark liegt leider direkt in einem wichtigen Flugskorridor der majestätischen Andenkondore und anderer bedrohter Vogelarten.

Eine Umweltverträglichkeitsstudie hat ergeben, dass der neue Windpark gut 120 Andenkondoren durch Kollison mit den Rotoren das Leben kosten kann. 120 Andenkondore entspricht praktisch der Hälfte der gesamten Andenkondor-Population von Venezuela, Kolumbien und Ecuador zusammen. Die in der Umweltverträglichkeitsstudie vorgeschlagenen Minderungs- und Ausgleichmaßnahmen werden von Naturschützern als unzureichend bewertet und widersprechen den Umweltgesetzen von Chile und Argentinien.

Seit 30 Jahren kooperieren Chile und Argentinien in einem grenzübergreifenden Projekt zum Schutz des Andenkondors. So wurden mittlerweile 76 Kondorküken in Argentinien und 25 Kondorküken in Chile aufgezogen und in die freie Natur ausgewildert, um den stetig sinkenden Bestand des bedrohten Andenkondors zu unterstützen. Außerdem gibt es Forschungsprojekte, Auffangstationen und viele Aufklärungskampagnen in der lokalen und indigenen Bevölkerung, um das Überleben des größten Geiers der Welt zu sichern. Chile und Argentinien teilen sich zwar noch die größte Population von Andenkondoren in Südamerika, aber Eingriffe in die natürlichen Lebensräume wie der Bau einer Windfarm können empfindliche Folgen haben. Ein Verlust von 120 Exemplaren würde die gesamte Arbeit von 3 Jahrzehnten schlagartig zunichte machen.

Der Andenkondor hat keine natürlichen Feinde - außer den Menschen - und kann gut 75 Jahre alt werden. Allerdings wird er erst im Alter von 8 Jahren geschlechtsreif und hat eine der niedrigsten Fortpflanzungsraten in der Vogelwelt. Ein Andenkondor-Pärchen zieht immer nur ein Küken alle zwei bis drei Jahre auf. Unnatürliche Verluste sind daher kaum wieder auszugleichen.

Die größten Gefahren für den Andenkondor sind Vergiftung durch Giftköder oder das Fressen von Rückständen bleihaltiger Munition im Aas sowie Abschuss durch Wilderer oder Verfolgung zu traditionellen Riten wie die Yawar Fiesta. Der Bau von Windkraftanlagen würde sich nahtlos in die Reihe der Gefahren einfügen, wie die traurigen Geier-Verluste durch Windkraftanlagen in Europa deutlich zeigen.

Hoffentlich zeigen die Proteste Wirkung und es werden Andenkondor-verträgliche Lösungen gesucht!

Freitag, 13. November 2020

Bearded Vulture Technical Webinar - Session 2

Nach einer kurzen Pause ging es in der 2. Session des Bearded Vulture Technical Webinar der Vulture Conservation Foundation (VCF) mit Informationen aus der Geierwelt über Europas Grenzen hinaus weiter.

Zunächst berichtete Tulsi Subedi über den Schutz des Bartgeiers in Nepal. 

Auf Nepalesisch wird der Bartgeier „Haadfor“ genannt, das bedeutet so viel wie „Knochenbrecher“. Dies liegt natürlich an seinem ganz besonderen Talent große Knochen aus luftiger Höhe herabfallen zu lassen, damit diese auf felsigem Untergrund zersplittern und er sie anschließend leichter verschlingen kann. In Nepal gibt es insgesamt 9 Geierarten, aber keine davon gilt dort als geschützte Tierart. 

Der Bartgeier wurde erstmalig im 19. Jahrhundert dokumentiert und nistet bevorzugt in über 1.200 m Höhe. Das höchstgelegene Nest wurde 2020 auf über 5.000 m Höhe entdeckt, historisch liegt der Rekord bei 7.500 m Höhe. 1991 galt der Bartgeier in Nepal noch als weit verbreitet, aber nach dramatischen Rückgängen wird er seit 2016 auf der nationalen Roten Liste der bedrohten Tierarten gelistet. Vermutlich sind weniger als 500 Exemplare übrig, Tendenz weiter sinkend. Allein in den letzten 20 Jahren sanken die Zahlen um über 50 %. Die größten Bedrohungen für den Bartgeier in Nepal sind vergiftete Kadaver, Störungen der Nester durch Feuer und Kletterer, Kollisionen mit Stromleitungen und der Verlust des Lebensraumes durch den Klimawandel. Zur besseren Untersuchung des Bartgeiers wurden zwischen Mai 2016 und Juni 2017 insgesamt 13 Geier mit GPS ausgestattet. Dadurch konnte das Ausbreitungsgebiet der Bartgeier über Nepal und China analysiert werden. Dabei stellte sich heraus, dass die Geier sich nur zu gut 30 % in geschützten Gebieten aufhalten, was sie deutlich anfälliger für Gefahren und Bedrohungen macht. In der Vergangenheit wurden zwar bereits Aktionspläne zum Geierschutz verabschiedet, aber es gibt keinen konkreten Plan für den Schutz des Bartgeiers. Für die Zukunft sind der Aufbau eines nationalen Netzwerks zum Schutz des Bartgeiers, Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung, die Identifikation von gefährlichen Hotspots für Gift und Kollisionen mit Stromleitungen sowie die Ausstattung von mehr Exemplaren mit GPS-Sendern geplant.

Von Nepal ging es im nächsten Vortrag rüber nach Südafrika, wo es auch noch eine kleine Bartgeier-Population gibt. Sonja Krüger, Koordinatorin des dortigen Bartgeier-Schutzprogrammes, gab einen Überblick zum Status der Population und der Wiederansiedlungsstrategie. Früher waren Bartgeier auch im Süden Südafrikas vertreten, aber heute sind sie nur noch im Nordosten zu finden. Untersuchungen zum Bestand gibt es seit den 1980er-Jahren und es wurden seitdem viele Projekte zu ihrem Schutz durchgeführt. Aktuell gibt es schätzungsweise nur noch 313-380 Individuen in Südafrika, darunter 92-112 Brutpaare (inkl. 4 Trios). 125-152 Bartgeier sind derzeit noch nicht geschlechtsreif. Die aktuelle Produktivität liegt bei 46 %, also nichtmal ein Küken auf 2 Paare pro Jahr. Die Küken, die 2020 geschlüpft sind, werden erst in wenigen Wochen flügge. Es gab 156 Territorien und in 79 % wurde eine Brut bestätigt. Drücken wir alle die Daumen, dass bald viele gesunde Bartgeier-Jungtiere flügge werden und Südafrikas Himmel verschönern werden.

Shannon Hoffmann, Brutmanagerin, ergänzte den Vortrag um Details zum Bartgeier-Zuchtprogramm in Südafrika. Geplant ist der Aufbau eines Zucht-Bestandes von 20-30 nicht verwandten Individuen und die Aufzucht vielen Bartgeierküken zur Wiederansiedlung in freier Natur. Das Problem ist aber, dass für das Zuchtprogramm keine erwachsenen Bartgeier aus der Natur eingefangen werden können, sondern der Zucht-Bestand in „Gefangenschaft“ aufgebaut werden muss. Da Bartgeier normalerweise zwei Eier legen und das ältere Jungtier sein kleines Geschwisterchen tötet, werden im Rahmen des Zuchtprojektes die zweiten Eier aus wilden Nester entfernt und im Zuchtprogramm ausgebrütet. Allerdings werden für eine genetische Vielfalt nicht zwei Jahre in Folge Eier aus den gleichen Nestern entfernt. Anschließend werden mehrere Küken gemeinsam vorsichtig per Geierhandpuppe aufgezogen und später einem erwachsenen Geier untergeschoben. Ab einem Alter von 20 Tagen werden die Küken in eine Felsnische in einer Geiervoliere gesetzt und können ihren großen Artgenossen sehen. Gefüttert werden sie weiterhin ohne menschlichen Sichtkontakt mittels Handpuppe. Mit einem Alter von 120 Tagen werden die Junggeier flügge und dürfen sich dann gemeinsam frei in der Voliere bewegen. 2019 wurden 6 Bartgeier-Eier aus wilden Nestern entfernt und dem Zuchtprogramm zugeführt. 4 Küken schlüpften, 2 waren nicht überlebensfähig. Leider hatte eines der geschlüpften Küken ein deformiertes Beinchen und verstarb, so dass nur 3 Küken dem Zuchtprogramm zugeführt werden konnten. Damit stieg der Bestand auf insgesamt 8 Vögel. Das Projekt hat also noch einen langen und mühseligen Weg vor sich, um einen Bestand von 20-30 Geiern zur Nachzucht von späteren Wiederansiedlungsküken aufzubauen.

Im Anschluss an die Beiträge aus Asien und Afrika stellte Louis Phipps eine Übersicht aktueller Forschungsprojekte und Veröffentlichungen rund um den Bartgeier vor:

Dabei gab es viele positive Entwicklungen zu berichten. Z. B. stiegt in den gesamten Pyrenäen die Bartgeier-Population zwischen 2006 und 2016 um 2,3 % an. 2016 gab es somit insgesamt 1026 Individuen, darunter 365 Brutpaare in über 160 Territorien. In den französischen Pyrenäen ist von 1994 bis 2017 die Anzahl territorialer Paare von 16 auf 44 angestiegen. Die Paare legten allerdings im Schnitt erst nach 5 gemeinsamen Jahren ihr erstes Ei. Der Bruterfolg in Schutzgebieten ist größer als in den übrigen Gebieten und die meisten Brut-Verluste erfolgen aufgrund schlechten Wetters und Störungen. In Armenien stieg die Anzahl an Brutpaaren zwischen 2003 und 2019 von 7 auf 11.

Eine Studie zum Fressverhalten der europäischen Geierarten ergab eine klare Dominanz von großen Geiern zu kleinen Geiern. Der Mönchsgeier ist am dominantesten, gefolgt vom Gänsegeier, Bartgeier und schließlich dem kleinen Schmutzgeier.

In einer weiteren Studie wurde die chemische Zusammensetzung von Bartgeier-Ausscheidungen, die in Nestnähe gesammelt wurden, analysiert. Zu 43 % bestehen die Ausscheidungen aus Kalzium und Phosphor. Dies ist auf die spezielle Ernährung des Bartgeiers zurückzuführen, der sich zum Großteil von Knochen ernährt. Dementsprechend wurden bei einer Untersuchung der Futterrückstände im Nest festgestellt, dass 65 % des Futters aus Knochen-Fragmenten bestehen, davon 76 % von Extremitäten. Während der Kükenaufzucht besteht die Ernährung bis zu 15 % aus Fleisch.

Bei einer Untersuchung des Flugverhaltens bei Nacht wurden die GPS-Daten von 11 Bartgeiern in den spanischen Pyrenäen sowie Kameraaufzeichnungen von 88 Kadavern ausgewertet. 6 von 11 Individuen flogen 0,7-6,1 km in wenigstens 19 unterschiedlichen Nächten. 37 % der Flüge erfolgten, obwohl der Mond weniger als 20 % erleuchtet war. Es konnten allerdings keine nächtlichen Besuche an den Kadavern beobachtet werden, sondern maximal eine Stunde nach Sonnenaufgang oder vor Sonnenuntergang.

Untersuchungen in drei archäologischen Fundstellen im Südwesten Frankreichs zeigen, dass in der Steinzeit Geierknochen wie z. B. vom Bartgeier genutzt wurden. Spezielle Schnittmarkierungen an den Knochen lassen vermuten, dass die Geier nicht (nur) zum Verzehr getötet wurden.

Außerdem gab es noch einige weitere Studien, zu denen ich leider nicht schnell genug mitschreiben konnte.

Zu guter Letzt fasste José die wichtigsten Informationen des Webinares zusammen: Das Wiederansiedlungsprojekt des Bartgeiers in Europa ist eines der erfolgreichsten Wildtier-Comebacks aller Zeiten. Dieses großartige Projekt basiert auf motivierten, leidenschaftlichen Partnern und bildet die Visionen vieler Artenschützer ab. Es handelt sich dabei nicht nur um ein Naturschutzprojekt, sondern um ein humanitäres und soziales Abenteuer mit tollen Ergebnissen sozialer, politischer, wirtschaftlicher und ökologischer Natur. Aus einem kleinen Projekt mit fest abgesteckten Grenzen hat sich über die Jahrzehnte ein Riesen-Projekt mit internationaler Tragweite entwickelt. Nicht zuletzt durch das IBM-Projekt werden mittlerweile Daten der unterschiedlichsten Teil-Projekte zusammengeführt und ein riesiges Netzwerk geschaffen. Auch weiterhin wird das Bartgeier-Projekt den Fokus auf ein intensives Brutprogramm legen, um möglichst viele Junggeier über Europa verteilt auswildern zu können und eine Verbindung der einzelnen Populationen zu schaffen. Außerdem wird die Strategie auch weiterhin auf unkalkulierbare Einflüsse wie Covid, West Nile Virus und den Klimawandel angepasst werden, um auch in Krisenzeiten den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Zudem wird weiter an der Bekämpfung der Hauptgefahren für Geier gearbeitet: Giftköder, Stromschlag, Kollisionen und Bleivergiftung.

Mittlerweile gibt es in den Alpen wieder 63 Bartgeier-Paare, von denen 53 brüten. In Andalusien sind es 7 Paare, von denen 3 brüten. Eine einst ausgestorbene Tierart konnte also tatsächlich wieder zurückgeholt werden und schafft es langsam aber sicher sich selber fortzupflanzen. Auch Grand Causses und Maestrazgo sind mittelfristig auf einem guten Wege. Ergänzt wird das Wiederansiedlungsprojekt in den nächsten 5 Jahren um den Balkan. Betrachten wir ganz Europa, so stieg die Population von 50 Paaren in den 80er-Jahren auf satt 250 Paare in 2020! Ein Wahnsinns-Comeback!!! So positiv sich der Bartgeier-Bestand in Europa entwickelt, so dramatischer sind die sinkenden Zahlen aus dem Himalaya und Südafrika. Hoffentlich kommen auch die dortigen Schutzprojekte gut in Schwung mit der nötigen Unterstützung der Regierung und der öffentlichen Bevölkerung.

Natürlich kam dieses 3-stündige Webinar nicht einer 3-tägigen Live-Konferenz gleich, wo man jede freie Minute zwischen den Vorträgen zum Netzwerken und Treffen guter Geierfreunde nutzen kann. Aber ich bin trotzdem sehr dankbar, dass das Meeting nicht komplett ausgefallen ist. Gerade in Zeiten, wo aus allen Richtungen nur negative Schlagzeilen prasseln, ist es tröstlich auch die ein oder andere Geier-Erfolgsgeschichte zu hören.

Wenn alles gut geht und Covid sich hoffentlich endlich wieder verzieht, wird das nächste Annual Bearded Vulture Meeting im November 2021 in Baronnies, Frankreich, stattfinden. Hoffentlich bin ich dann wieder mit von der Partie!

Bearded Vulture Technical Webinar - Session 1

Eigentlich sollte das Annual Bearded Vulture Meeting der Vulture Conservation Foundation (VCF) dieses Jahr vom 13.-15.11. in Parco Natura Viva, Italien, stattfinden. Für dieses Jahr hatte ich mir eine Teilnahme fest vorgenommen und als die Geierurlaube wegen Corona in weite Ferne rückten, war diese Konferenz irgendwie noch mein Hoffnungsschimmer für Ende des Jahres. Leider blieb mir auch dies nicht vergönnt, denn Anfang September musste die Konferenz endgültig abgesagt werden. Zu viele europäische Länder galten nach wie vor als Risikogebiete, von unnötigen Reisen wurde vielerorts abgeraten und auch Versammlungen ab einer bestimmten Personenzahl sind nicht mehr gestattet. Zu dem Annual Bearded Vulture Meeting reisen normalerweise gut 200 Leute aus den unterschiedlichsten Ländern an, dies ist in Corona-Zeiten leider einfach nicht möglich. Auch wenn die Absage natürlich die ganze Zeit im Raum stand, hatte ich doch irgendwie gehofft nach Italien fahren und ein paar Geierfreunde wiedersehen zu können. Echt frustrierend.

Netterweise hat die VCF die Bartgeier-Konferenz nicht komplett gecancelled, sondern immerhin ein dreistündiges Bearded Vulture Technical Webinar mit vielen spannenden Kurzvorträgen auf die Beine gestellt. Da ich mir den Tag sowieso bis zum Ende freigehalten hatte, war eine Teilnahme also kein Problem. Das Webinar wurde über ZOOM, Facebook & YouTube übertragen und im Vorfeld hatten sich über 250 Teilnehmer angemeldet. Darunter sogar ein Teilnehmer aus Australien!

Die Begrüßung und Moderation erfolgte durch Daniel Hegglin. Er gab einen kurzen Ausblick über die Agenda des heutigen Webinares und wies darauf hin, dass das Bartgeier-Wiederansiedlungsprojekt als Vorbild für viele Artenschutzprojekte gilt. Nur selten konnte eine ausgestorbene Tierart mit einer so geringen Reproduktion wieder flächendeckend – wie hier in den Alpen – angesiedelt werden.

Der erste Vortrag kam von Alex Llopis Dell, EEP-Koordinator und VCF Vulture Captive Breeding Manager. EEP steht für das Europäischen Erhaltungszuchtprogramme, an dem sich viele Naturschutzorganisationen, Zoos und Privatleute beteiligen. Er stellte die Ergebnisse des Brutjahres 2020 und die Erwartungen für die kommenden Jahre vor. Bei der Bartgeierzucht ist das Verpaaren erwachsener Geier sehr schwierig und in der Vergangenheit verstarben sogar einige Exemplare bei dem Versuch. Daher ist das Einhalten der Zuchtvorgaben und Leitlinien sehr wichtig. Das Bartgeierprojekt wird von 34 (meist) europäischen Zoos, 2 privaten Partnern und 3 Auffangstationen unterstützt. Außerdem gibt es drei große und zwei kleinere spezialisierte Brutcentren. Insgesamt umfasst der Bestand 181 Bartgeier. In 2020 (2019) gab es 41 (40) Brutpaare, die 71 (65) Eier legten. Davon waren 53 (44) befruchtet und 38 (36) Küken schlüpften. 25 (30) wurden erfolgreich flügge. Leider gab es im Vergleich zum Vorjahr deutlich mehr Ei-/Küken-Verluste während der Bebrütung und Aufzucht. Dies lag vermutlich an den Folgen der Corona-Pandemie, da die Brutpaare nur mit absolut minimalem Personal betreut und daher weniger beobachtet werden konnten. Außerdem war der Transport von Küken zu Ammen-Eltern in anderen Ländern weitestgehend eingeschränkt oder verboten, so dass Küken unerfahrenen Ammen-Geiern anvertraut werden mussten. Covid führte somit zur größten Krise seit Beginn des Wiederansiedlungsprojektes in 1978. Von den 25 überlebenden Küken blieben 4 im Zuchtprogramm und 21 konnten ausgewildert werden: 8 Bartgeier gingen nach Andalusien, 5 nach Grands Causses, 2 nach Baronnies (Voralpen), 2 nach Vercors (Voralpen), 2 in die Schweiz und 2 nach Maestrazgo. 

Im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes wurden zwischen 1978 und 2020 insgesamt 585 Junggeier erfolgreich großgezogen (244 in Zoos oder bei Privatleuten, 341 in den spezialisierten Brutcentren). 344 der Junggeier wurden über die Jahre in den (Vor-)Alpen (233), Andalusien (71), Grand Causses (25), Sardinien (3), Korsika (6) und Maestrazgo (6) ausgewildert. Mit Blick auf die Zukunft ist es wichtig die genetische Vielfalt durch Bildung neuer Brutpaare sicherzustellen, um auch weiterhin jährlich den Zielwert von 25 Küken zu erreichen.

Der nächste Vortrag war von Mirco Lauper, IBM-Koordinator. IBM steht in diesem Fall für das International Bearded Vulture Monitoring. Datenbasis für dieses Projekt sind die Aufzeichnung zahlreicher Geierschutzprojekte Europas. Auswertungen ergaben, dass derzeit 63 Bartgeier-Territorien in Europa mit insgesamt 53 Brutpaaren beobachtet werden, ein deutlicher Anstieg. 10 Brutversuche scheiterten frühzeitig, 6 Küken starben, bevor sie flügge wurden und 37 Jungtiere flogen erfolgreich aus. Desweiteren befasst sich das IBM-Projekt mit Auswertungen zum Erfolg und den Verlusten im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes, mit der demographischen Modellierung anhand von markierten Geiern sowie dem Formen eines internationalen Netzwerkes ohne politischen Einfluss.

Den dritten Vortrag steuerte Franziska Lörcher zum Thema GPS und genetische Daten bei. Junge Bartgeier fliegen in Europa kreuz und quer umher. Die Populationen durchmischen sich allerdings selten, da die Geier meistens wieder in ihre Heimat zurückfliegen. Die Exemplare auf Korsika blieben allerdings auf ihrer Insel bzw. einer kleinen Nachbarinsel, flogen jedoch nicht zum Festland. In Zentral-Frankreich wurde ein verletzter Bartgeier gefunden, dessen Blutprobe zu keinem Geier in der Datenbank passte. Allerdings konnten durch Abstammungsprüfungen seine Eltern ausfindig gemacht worden. Diese stammten aus Haute-Savoy. Nachdem der Geier wieder freigelassen werden konnte, flog er munter durch Frankreich, Italien und die Schweiz. 

Highlight des Sommers 2020 war der Bartgeier Vigo, der von Juni bis Oktober einen ausgiebigen Abstecher nach Großbritannien machte. Da Bartgeier dort nicht heimisch sind, wurde der Vogel eine riesige Attraktion und lockte tausende Ornithologen und Geierfreunde an. Nachdem einige ausgefallene Federn eingesammelt und genetisch analysiert werden konnten, stellte sich heraus, dass es sich bei Vigo um ein Weibchen handelt, dass 2019 in Südfrankreich geschlüpft ist. Dies erklärt vermutlich auch, warum der Geier mittlerweile wieder nach Frankreich heimgekehrt ist.

Beim vierten Vortrag stellte VCF-Direktor José Tavares die Auswilderungspläne für 2021 vor. Nachdem in einigen Teilen Europas Bartgeier wieder erfolgreich angesiedelt werden konnten, gilt es nun Korridore zu schaffen, damit sich die Populationen von den Alpen über die Pyrenäen bis nach Andalusien untereinander besser vermischen können. 

Daher ist es besonders wichtig jedes Jahr eine gute Anzahl von Junggeiern zu züchten. Neben den erfahrenen Brutpaaren im EEP werden 16 weitere Pärchen 2021/2021 vermutlich die Geschlechtsreife erreichen, so dass mittelfristig mit weiteren Küken aus neuen Blutlinien zu rechnen ist. Der erste Wurf wird dann erstmal im Brutprogramm bleiben, aber alle weiteren Küken können später ausgewildert werden. Natürlich werden Geierküken nicht an den Meistbietenden abgegeben, sondern es gibt klare Regeln, wie entschieden wird, wer wie viele Geier zur Auswilderung bekommt. Es werden nur Geier ausgewildert, wenn die Gegend nachweislich sicher ist. So werden derzeit fleißig Vorkehrungen zur Giftbekämpfung in Bulgarien getroffen, um vielleicht ab 2024/2025 auch dort Bartgeier wiederansiedeln zu können. Außerdem werden vielleicht sogar bereits 2021 die ersten Bartgeier in Berchtesgaden freigelassen, was mich natürlich ganz besonders freuen würde. Da andere Länder/Standorte Priorität haben, müsste es mindestens 25 zur Auswilderung verfügbare Küken geben, um Berchtesgaden in 2021 berücksichtigen zu können. Ich drücke meinen Geierfreunden in Bayern die Daumen und wäre sehr daran interessiert an der Auswilderung teilzunehmen!!!

Donnerstag, 12. November 2020

Schlimme Buschbrand-Saison für den Kalifornischen Kondor

In den letzten Wochen hatte ich mehrfach Updates der Ventana Wildlife Society (VWS) zu dem verheerenden Dolan Fire in Kalifornien gepostet, das leider neun Kalifornischen Kondoren und zwei Küken das Leben kostete, insgesamt 10 % der Big Sur Population. Es zerstörte zudem 120.000 Morgen Land, etwa 31.250 Hektar.

Dieses Feuer war allerdings nicht das einzige in diesem Jahr, das die Kondore bedrohte. Allein in Kalifornien brannten 3,2 Millionen Morgen Land, also 800.000 Hektar. Zwei der dortigen Feuer kamen auf die Top10-Liste der schlimmsten Buschbrände aller Zeiten in der Geschichte des Staates. Im Vergleich gab es landesweit sogar 3.500 mehr Buschbrände als im Vorjahr.

Anfang des Sommers brach nahe des Grand Canyons das Pine Hollow Fire aus und raste auf die Felshöhle eines 3 Monate jungen Kalifornischen Kondorkükens zu. Ein Kondorschützer machte sich sofort auf den Weg und wanderte stundenlang bei über 41 Grad Celsius durch eine verbrannte Wüste Richtung Bruthöhle. Erleichtert konnte er das lebenden Küken ausfindig machen, das gut von seinen Eltern gefüttert wurde. Während das Feuer an der Bruthöhle vorbei zog, hat es sich offenbar in den hintersten Bereich der Höhle zurückgezogen und glücklicherweise überlebt. Als das Feuer weitergezogen war, kamen seine Eltern sofort zurück.

Das Pine Hollow Fire und das Mangum Fire haben in Arizona zwar keine Kalifornischen Kondore getötet, aber dennoch viele von ihnen gefährdet. Aus Sicherheitsgründen wurden sogar einige wilde Kondore eingefangen und in Brutcentren in Sicherheit gebracht. Zwischenzeitlich brach der Kontakt zu einem 6 Wochen jungen Küken ab, aber zum Glück überlebte auch dieses.

Normalerweise werden alle ausgewilderten Kalifornischen Kondore mit GPS und Telemetrie überwacht. Dabei folgen ihnen die Geierschützer per Auto oder zu Fuß und bleiben wenn möglich in Sichtkontakt. Aufgrund der vielen Buschbrände mussten dieses Jahr allerdings die Straßen für die Feuerbekämpfung freigehalten werden. Außerdem durften aufgrund der Corona-Restriktionen viele Exkursionen nicht durchgeführt werden. Teilweise blieben einige Kondore über 3 Monate ohne Sichtkontakt. Die engmaschige Kontrolle ist aber enorm wichtig, um frühzeitig zu erkennen, ob Kondore von bleihaltigen Kadavern fressen, den größten Bedrohung des Kalifornischen Kondors.

Viele Kondore kommen regelmäßig zu ihren Auswilderungsplätzen und Kondorgebäuden zurück, um dort in Ruhe zu rasten oder ausgelegtes Futter zu fressen. In Big Sur ist dieses Kondorgebäude während des Dolan Fires komplett abgebrannt. Als das Feuer ganz in der Nähe vermutlich durch Brandstifter gelegt wurde, hatten sowohl Personal als auch Kondore kaum Vorwarnzeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Hinzu kommt, dass Kondore nicht im Dunkeln fliegen. Vermutlich hatten sie sich während des Feuers an einer ungünstigen Stelle befunden und konnte nicht mehr rechtzeitig fliehen.

Im Nachgang zum Dolan Fire entdeckten Mitglieder der VWS zudem Kalifornische Kondore mit schweren Brandverletzungen an ihren Krallen, als sei die Haut weggeschmolzen. Für die Geierschützer ein herzzerreißender Anblick. Einige der Pechvögel mussten eingefangen und behandelt werden.

Da in der Vergangenheit nur wenige Verluste aufgrund von Buschfeuern dokumentiert wurden, ist eine Abschätzung der Folgen künftiger Brände schwer abzuschätzen. Fest steht aber, dass sich der Verlust vieler erwachsener Tiere, wie beim Dolan Fire, enorm auf das Gleichgewicht der gesamten Population in einem Einzugsgebiet auswirkt. Kondore werden erst im Alter von 6-8 Jahren geschlechtsreif und das Weibchen legt nur ein Ei, manchmal auch nur jedes zweite Jahr. Geht nun ein erfahrener Brutvogel verloren, so wirkt sich dies zwei bis dreimal schlimmer auf eine Population aus als der Verlust eines Jungvogels.

In jedem Fall haben sich bereits einige Geierschutzorganisationen zusammen geschlossen und entwickeln Notfallpläne für weitere Buschfeuer. Hierzu zählt die Bereitstellung und Koordination von Auffangvolieren in Brutcentren und Zoos, falls es wieder zu zahlreichen Verbrennungen unter den wilden Kalifornischen Kondoren kommt. Außerdem darf eine Gegend nicht von einem Kondorgebäude abhängig sein, falls dieses wie in Big Sur durch ein Feuer zerstört wird. Die Ventana Wildlife Society hat Glück im Unglück, da sie bereits eine weitere Auswilderungsstelle mit Kondorgebäude in San Simeon errichtet hatten. So können auch weiterhin Kalifornischen Kondore ausgewildert werden, während in Big Sur in den nächsten Jahren die Schäden erst noch behoben werden müssen.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Kalifornische Kondore durchaus an ein sich änderndes Klima anpassen können. Sie brauchen weder besondere Nahrung noch eine spezielle Baumart zum Nisten. Bereits einmal haben sie sich von der drohenden Ausrottung zurückgekämpft. Ein paar Buschbrände werden dieses Comeback hoffentlich nicht ruinieren.