Freitag, 12. März 2021

Glücksmomente im Geierschutz

Nach viel zu vielen traurigen Nachrichten möchte ich heute von den großen Glücksmomenten im Geierschutz berichten: Der Geburt süßer Geierküken!!! Hierzu bediene ich mich diverse Informationen der Vulture Conservation Foundation (VCF), die einfach an der besten Quelle sitze.

Bereits am 23.01.2021 schlüpfte das erste Bartgeierküken der diesjährigen Brutsaison im Bartgeier-Brutcenter EGS Haringsee (Richard Faust Zentrum) bei Wien und wird liebevoll von seinen stolzen Eltern umsorgt.

(c) Hans Frey, VCF-Webseite

(c) Hans Frey, VCF-Webseite

Der Vater des Kükens schlüpfte 1989 und ist ein Abkömmling aus Kreta, während seine Mutter 1992 schlüpfte. Zwar hatten beide bereits andere Partner in der Vergangenheit, aber seit sie 2001 verpaart wurden, waren sie sehr produktiv. Bisher konnte das Weibchen 34 Eier legen, aus denen 26 Küken schlüpften, von denen 24 überlebten. Nach dem Schlupf des ersten Kükens wurde das zweite gelegte Ei vorsichtshalber entfernt. Leider ist unter Bartgeierküken der Kainismus weit verbreitet. Das bedeutet, dass das ältere Küken seinem jüngeren Geschwisterchen das Fressen stibitzt und es aus dem Nest schubst, um es zu töten. Dadurch wird sichergestellt, dass zumindest ein Küken groß und stark wird und selbst unter schwierigen Bedingungen überlebt. Das zweite Ei ist sowieso nur ein Back-up, falls das erste Ei unbefruchtet ist oder der Embryo abstirbt. In Brutcentren muss man diese unnötigen Kükenverluste natürlich nicht hinnehmen. Das zweite Ei wird also aus dem Nest entfernt und entweder einem eierlosen Pärchen untergeschoben oder in einer Brutmaschine ausgebrütet, bevor es nach wenigen Tagen Handfütterung anschließend in die Obhut eines Ammen-Geierpärchens übergeben wird. Da das Geschwister-Ei des erste Bartgeierkükens ebenfalls befruchtet ist, wird hoffentlich bald ein zweiter Winzlingsgeier schlüpfen. Das Richard Faust Zentrum züchtet bereits seit über 40 Jahren erfolgreich Bartgeier und konnte über 170 Bartgeier-Küken für das Wiederansiedlungsprojekt der Bartgeier in Europa bereitstellen. Zusammen mit den über 40 weiteren Bartgeier-Brutpartnern wurden bis zum heutigen Tag insgesamt 343 Bartgeier ausgewildert.

Nur eine Woche später, am 01.02.2021, wurde schließlich das Geschwister-Küken erfolgreich aus dem Ei gepellt.

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

Kurz nachdem das Küken mit vorsichtiger Unterstützung schlüpfte, brachte es ein Gewicht von 153 g auf die Waage. Die ersten Tage wurde von Hand gefüttert und sein Gesundheitszustand überwacht.

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

Eine Woche später wog es bereits 190 g und konnte in das Nest eines guten Ammen-Pärchens übergeben werden, die es sofort adoptiertem und mit der Pflege und Fütterung des Kükens begannen.

(c) Sigrid-Kubka Frey, VCF-Webseite

Es ist wichtig, dass die kleinen Küken nur wenige Tage beobachtet und von Hand aufgezogen werden, damit sie sich nicht an den Menschen gewöhnen. Schließlich müssen auch sie später in der Lage sein in freier Natur ihre eigenen Küken großzuziehen, ohne die Unterstützung des Menschen. Das Ammen-Pärchen besteht aus einem flügelamputierten Männchen aus Kasachstan und einem Weibchen, das selber 1997 im Richard Faust Zentrum geschlüpft ist. Das Pärchen hatte selber am 03.01.2021 ein befruchtetes Ei gelegt. Dieses wird etwa Mitte Februar schlüpfen und dann ebenfalls anderen Geiern zugeordnet.

Nach dem Start der Brutsaison Ende September 2020, dem Start der Ei-Ablage Ende November 2020 und dem ersten geborenen Küken Ende Januar 2021, haben Stand heute (11.03.2021) 43 Bartgeier-Pärchen insgesamt 64 Eier gelegt, von denen leider 25 nicht erfolgreich ausgebrütet werden konnten (7 gingen verloren, 12 waren unfruchtbar, 4 wurden zerbrochen und 2 waren faulig). Aus den übrigen 39 Eiern schlüpften 21 Küken, 18 davon haben überlebt. Drücken wir alle die Daumen, dass aus den 18 verbliebenen Eiern noch viele weitere gesunde Küken schlüpfen werden.

(c) VCF-Webseite

In der letzten Brutsaison legten zum jetzigen Zeitpunkt 41 Brutpaare 71 Eier, aus denen 12 gesunde Küken schlüpften. Dass die aktuelle Anzahl von Eiern niedriger ist als im letzten Jahr, liegt wohl daran, dass derzeit nicht alle Nester eingesehen werden konnten. Es kann also sein, dass es noch weitere, unentdeckte Eier gibt. Außerdem legten einige erfahrene Brutpaare in diesem Jahr nur ein Ei, was sehr ungewöhnlich ist. Außerdem gingen dem Bartgeier-Brutprogramm leider zwei erfahrene Brutpaare verloren, darunter ein sehr altes Paar aus dem Brutzentrum Vallcalent, dessen Weibchen Dama leider Ende letzten Jahres an einer Perforation des Zwölffingerdarms verstarb. Sie und ihr Partner hatten in 13 Brutjahren 24 Küken das Leben geschenkt, von denen 16 ausgewildert wurden. Die übrigen 8 wurden dem Bartgeier-Brutprogramm zugefügt, damit sie ebenfalls eines Tages für Nachwuchs sorgen können.

In dieser Saison haben allerdings auch sieben neue Geierpaar erstmals Eier gelegt. Das neue Paar im Richard Faust Zentrum hat sogar zwei befruchtete Eier gelegt, aus denen bereits ein gesundes Küken geschlüpft ist. Außerdem haben Paare, deren Brutversuche in den letzten Jahren leider erfolglos waren, dieses Jahr erstmalig Küken bekommen. So zum Beispiel ein Pärchen im Helsinki Zoo, das seit 2017 regelmäßig Eier gelegt hat und nun endlich mit einem gesunden Küken gesegnet wurde.

Natürlich ist die Brutsaison auch für die wilden Bartgeier in freier Natur in vollem Gange. Nach einer Rekord-Saison 19/20 steht für die Bartgeier im französischen Savoie in dieser Brutsaison vermutlich der nächste Rekord vor der Tür. Im Vergleichen zu den sieben Brutpaaren aus dem letzten Jahr, konnten Anfang 2021 sogar neun Pärchen gesichtet werden. Stand 19.02.2021 haben sieben Paare bereits Eier gelegt und ein achtes Pärchen steht offenbar kurz bevor. Im vergangenen Jahr wurde das große Wunder Wirklichkeit, dass tatsächlich alle geschlüpften Küken nach einigen Monaten gesund und munter flügge wurden. Eine solche 100 %-ige Erfolgsrate ist weltweit einmalig. Ob sich dieses Wunder in der Brutsaison 20/21 wiederholt?

Auch von den anderen Geierarten gibt es süße Küken-Neuigkeiten. Das Projekt LIFE Egyptian Vultures zur Wiederansiedlung der Schmutzgeier in Italien und auf den Kanarischen Inseln hat eine tolle 20-minütige Dokumentation über seine super Arbeit veröffentlicht. Entzückende Kükenbilder dürfen hier nicht fehlen.

(c) CERM / LIFE Egyptian Vulture, VCF-Webseite


In Italien gibt es nur noch 15 Brutpaare der stark bedrohten Geierart. Schmutzgeier migrieren bereits wenige Monate nachdem sie flügge geworden sind Richtung Afrika, wo sie die ersten 3 bis 4 Jahre ihres Lebens verbringen. Unterwegs sind sie vielen Gefahren ausgesetzt und müssen teils hunderte Kilometer Mittelmeer überfliegen. Keine leichte Aufgabe für einen jungen, unerfahrenen Krummschnabel. Da nicht mehr viele Schmutzgeier übrig sind, können sich die Jungtiere meist auch nicht nach Alttieren richten und deren sicherere Routen nutzen. Die ausgewilderten Jungtiere werden wann immer möglich mit GPS-Sendern ausgestattet, um ihre Flugrouten analysieren zu können. Außerdem werden Giftspürhunde und Patrouillen gegen Wilderer eingesetzt, um den Lebensraum der Schmutzgeier zu sichern.

Ende Februar ist zudem das erste Gänsegeierküken der Saison bei Green Balkans in Bulgarien geschlüpft.

(c) Green Balkans, VCF-Webseite

(c) Green Balkans, VCF-Webseite

Das Ei, das am Heiligabend gelegt wurde, war bereits früh aus dem Nest entfernt worden, damit seine Eltern noch ein zweites Ei legen könnten, was sie auch taten. Da das erste Ei befruchtet war, wurde es im Inkubator ausgebrütet, wo das winzige Küken dann auch seine ersten Lebenstage verbrachte, bevor es seinen Eltern übergeben wurde. Gerade in der kalten Jahreszeit ist es hilfreich, wenn das Küken einige Tage in Sicherheit aufgepäppelt wird, da es in dieser Zeit im Nest, bei Wind und Wetter, sehr verletzlich ist. Nach einer Woche wurde es gegen das zweite Ei seiner Eltern ausgetauscht und sie nahmen ihren entzückenden Nachwuchs direkt freudig in Empfang. Das zweite Ei wird natürlich im Inkubator weiter bebrütet und schlüpft hoffentlich bald.

(c) Green Balkans, VCF-Webseite

Wenn die Küken groß und stark werden, werden sie im Rahmen des Vultures back to LIFE Projektes in Bulgarien ausgewildert. Zu diesem Projekt zählt auch die Wiederansiedlung von Mönchsgeiern in Bulgarien, von denen Anfang März 22 Exemplare aus Spanien nach Bulgarien gebracht wurden, um in einigen Monaten nach erfolgreicher Akklimatisierung freigelassen zu werden.

In den Östlichen Rhodopen in Bulgarien läuft die Brutsaison der wilden Gänsegeier ebenfalls richtig gut. Das Projekt LIFE Re-Vultures verzeichnete Anfang März gut 107 Brutpaare im Arda River Valley. Diese Anzahl wird noch steigen, da noch weitere Gegenden und Nester beobachtet und dokumentiert werden. Von den bisherigen Brutpaaren haben bereits 75 begonnen zu brüten, während die anderen noch mit Nestbau bzw. Nestreparatur beschäftigt sind.

Außerdem gibt es tolle Neuigkeiten aus Marokko, wo zum ersten Mal nach 40 Jahren endlich wieder eine Gänsegeierpaar brütet. Dies ist auf den Start eines Wiederansiedlungsprojektes im Juni 2020 zurückzuführen, bei dem 10 genesene Gänsegeier aus dem Dream Village Park ins Jbel Moussa Vulture Rehabilitation Centre (VRC) gebracht wurden, um dort ausgewildert zu werden. Nach 6 Monaten wurden 8 der Geier Anfang 2021 freigelassen, genau während der Brutsaison. Mit großem Erfolg!

Früher gab es übrigens 5 Geierarten, die in Marokko brüteten. Heute sind es nur noch der Bartgeier und der Schmutzgeier. Der Mönchsgeier starb als Brutart zu Beginn des 20.Jahrhunderts aus und der Ohrengeier Mitte des 20.Jahrhunderts. In den letzten Jahren wurden zwar häufiger Gänsegeier in Marokko gesichtet, vor allem nachdem sich die Population in Spanien stark vermehrt hatte mit über 30.000 Brutpaaren. Seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts konnte jedoch kein Brutpaar mehr in Marokko gesichtet und dokumentiert werden. Wollen wir hoffen, dass sich dies nun wieder ändert!!!

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