Dienstag, 9. März 2021

Geier-Webinar: Verbindungen zwischen Geiern und Krankheiten

Heute Abend fand ein spannendes Geier-Webinar zur Verbindung zwischen Geiern und Krankheiten statt. Kernfrage des Vortrags der Referentin Linda van den Heever, Geier-Projektmanagerin von BirdLife South Africa, war: Was würde mit uns passieren ohne unsere natürliche Müllabfuhr?

Geier haben leider ein sehr schlechtes Image und werden immer wieder negativ in Verbindung mit Firmenpleiten und Politikern gebracht. Dabei sind gerade in den heutigen Zeiten Geier wichtiger denn je. Die Weltbevölkerung wächst und wächst. Als Folge hierzu müssen Städte und Infrastruktur immer weiter ausgebaut werden. Auch die Landschaft wird intensiviert, um die steigende Bevölkerung zu versorgen. Dadurch wird leider immer mehr in den natürlichen Lebensraum vieler Tierarten eingegriffen und dieser zerstört. Durch die große Bevölkerung wächst auch den Anfall organischen Mülls und das Risiko einer Verbreitung von Krankheitserregern steigt. Normalerweise werden Krankheiten vorwiegend vom Mensch auf den Mensch, vom Nutztier aufs Nutztier oder vom Wildtier auf ein Wildtier übertragen. Da sich heutzutage die Lebensräume von Mensch, Nutztier und Wildtieren mehr überlappen, kommt es infolge dessen immer häufiger zu Quer-Übertragungen, zum Beispiel vom Wildtier auf den Menschen.

(c) Linda van den Heever

Geier setzen bei ihrer Nahrungssuche auf fünf große Vorteile: Sie fliegen die meiste Zeit im Gleitflug, was sehr energiesparend ist. Dabei können sie mehrere Hundert Kilometer am Tag auf Nahrungssuche zurücklegen. Sie beobachten sich gegenseitig im Flug und werden dadurch leichter auf den Aasfund eines Kollegen aufmerksam. Altweltgeier haben sehr gute Augen und können über viele Kilometer kleinste Kadaver erkennen. Im Gegenzug hierzu können einige Neuweltgeier besser riechen und auch unter dem Laubdach eines Waldes Aas ausfindig machen. Wenn Geier Aas gefunden haben, können sie sehr schnell sehr viel fressen: Bis zu 20 % ihres eigenen Körpergewichtes. Außerdem haben sie eine sehr starke Magensäure, so dass sie praktisch alles fressen und zersetzen können. Im Vergleich: Beim Menschen hat die Magensäure einen pH-Wert von 4-5, beim Geier < 1!

Nicht nur Geier sind Aasfresser, sondern auch Raubtiere wie Hyänen und Schakale, Ratten, Krähen und streunende Hunde. Im Gegensatz zu Geiern können diese Tiere aber das Aas nicht so schnell und gründlich „entsorgen“, so dass sich an einem Kadaver leicht Krankheitserreger bilden können. Außerdem sind vor allem Ratten und streunende Hunde bekannte Überträger von Krankheiten auf den Menschen, was man von Geiern zum Glück nicht behaupten kann.

Geier entsorgen Kadaver sehr schnell, vor allem wenn sie zu Dutzenden oder Hunderten an einem Kadaver eintreffen. Es bleibt kaum Zeit, dass der Kadaver mit der Zersetzung und Bildung schädlicher Bakterien, Giftstoffe und Pilzen beginnt bzw. Insekten den Kadaver als Brutplatz nutzen können. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass Kadaver in Gegenden, aus denen Geier verschwunden sind, wesentlich länger in der Gegend herumliegen. Und je höher die Temperaturen sind, desto schneller verbreiten sich von diesen langsam verwesenden Kadavern Krankheiten. Außerdem vermehren sich Raubtiere, Ratten & Co, weil mehr Fressen für sie zur Verfügung steht. Gibt es in einer Gegend viele Geier, so werden anfallende Kadaver sehr schnell entsorgt. Weil durch den hohen Fleischkonsum der Geier weniger Fressen für andere Raubtiere übrig bleibt, werden deren Zahlen natürlich reguliert und ein unkontrolliertes Vermehren verhindert.

Durch ihr Fressverhalten und ihren guten Magen können Geier viele durch Bakterien, Viren und Parasiten verursachte Krankheiten eindämmen.

Zu den schlimmsten Bakterien zählen Anthrax und Rindertuberkulose. Im Okavango starben zum Beispiel Hunderte Flusspferde an Anthrax. Werden mit Anthrax kontaminierte Kadaver „geöffnet“, so breitet sich das Bakterium schneller aus. Geier öffnen Kadaver zwar auch, fressen allerdings so schnell, dass sich die Bakterien gar nicht erst ausbreiten können. Und Dank ihrer starken Magensäure brauchen Geier sich nicht vor einem ähnlichen Schicksal wie dem der Flusspferde fürchten. Rindertuberkulose verbreitet sich hauptsächlich unter Nutztieren, steht aber auch sehr häufig mit HIV-Infektionen in Verbindung.

Im Bereich der Viren helfen Geier vor allem bei Tollwut und Staupe. Als zur Jahrtausendwende Millionen von Geier in Asien an Diclofenac starben und dadurch die Kadaver der Heiligen Kühe überall in den Straßen liegen blieben, konnten sich wilde Hunde aufgrund der mangelnden Nahrungskonkurrenten ohne Ende ausbreiten. Wilde Hunde tragen der häufig das Tollwut-Virus in sich, das beim Menschen immer tödlich endet. In kurzer Zeit vervielfachten sich die Tollwut-Übertragungen auf den Menschen auf über 50.000 registrierte Fälle pro Jahr. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. Staupe breitet sich vorwiegend unter Haushunden aus.

Von Kadavern gehen ebenfalls zahllose Parasiten aus, die gefährlich für Tiere und Menschen werden können. Es wird zwischen Ektoparasiten und Endoparasiten unterschieden. Ektoparasiten (oder Außenparasiten) leben auf einem anderen Wirt und ernähren sich von Hautsubstanzen oder Blut. Hierzu zählen unter anderem Stechmücken, Läuse oder Zecken. Endoparasiten (oder Innenparasiten) leben im Inneren eines Wirtes und dringen in die Organe ein. Hierzu zählen unschöne Kollegen wie Fliegenlarven, Bandwürmer und einige Pilze.

Rein theoretisch können auch Geier Parasiten-Eier, Sporen & Co über ihre Federn, Hochgewürgtes, Ausscheidungen und ihre Füße übertragen. Allerdings sind sie in den allermeisten Fällen genau diejenigen, die durch ihr schnelles Fressen und den perfekten Verdauungstrakt die Krankheitserreger für uns und die Umwelt unschädlich machen.

Verschwinden die Geier, wird es für den Menschen nicht nur gesundheitsschädlicher, sondern auch richtig teuer! Indien investiert mittlerweile gut 1,5 Mrd. $ zur Bekämpfung wilder Hunde im Kampf gegen Tollwut. In Afrika kostet z.B. eine Tollwut-Impfung etwa 45 $ - im Vergleich zum durchschnittlichen Einkommen von < 2 $ pro Tag. Hinzu kommen enorme Tierarztkosten, um auch Haustiere gegen Tollwut zu impfen. Durch die Verbreitung von Krankheiten sterben auch viele Nutztiere, die kostenintensiv ersetzt werden müssen.

Hinzu kommen weltweit die hohen Kosten für die Müllentsorgung. In Spanien sparen Farmer locker 20 € pro Kadaver, wenn sie diese nicht selber vollständig entsorgen müssen. Außerdem können viele schädliche Emissionen eingespart werden, wenn nicht mehr der gesamte Kadaver, sondern nur die letzten Überreste, verbrannt werden müssen. Kleinere Geierarten wie Schmutzgeier, Kappengeier und Truthahngeier fallen, wo ihre Population noch stabil ist, in Scharen auf Mülldeponien ein und vertilgen tonnenweise organische Abfälle. In Gegenden ohne Geier bleibt der Müll liegen oder muss teuer entsorgt werden.

Außerdem haben Geier auch einen kulturellen Wert, da in verschiedenen Ländern die Verstorbenen ausgelegt werden, um von Geiern gefressen zu werden. Sind keine Geier mehr da, geht ein Stück Kultur verloren. Außerdem ist das Vergraben von Verstorbenen aufgrund der Bodenbeschaffenheit oder des Platzmangels nicht überall möglich bzw. das Verbrennen von Körpern ethnisch nicht korrekt.

(c) Linda van den Heever

Fazit: Die Menschheit muss endlich aufhören in Schubladen zu denken! Es gibt nicht jeweils eine Gesundheit für den Menschen, für Nutztiere und für Wildtiere, sondern es gibt nur EINE Gesundheit für die gesamte Umwelt! Und diese gilt es zu schützen! Geier haben den richtigen Weg über Jahrtausende entwickelt – wir müssen sie nur schützen und ihren Job machen lassen!!!

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