Leider bekam VulPro heute früh einen Anruf, dass ein weiterer Kapgeier in einer Stromleitung gekracht ist. Der arme Junggeier (vermutlich eineinhalb Jahre alt) hat sich dabei nicht nur einen Stromschlag eingefangen, sondern auch einen Flügel gebrochen. Dacher fuhren wir nachmittags mit ihm zum Tierarzt nach Brits, wo wir bei dieser Gelegenheit direkt auch den Weißrückengeier mit Bleivergiftung röntgen lassen wollten. Dieses Kerlchen hat Glück; es sind keine Bleikügelchen oder ähnliches in seinem Körper sichtbar.
Der Kapgeier hingegen hatte leider weniger Glück, denn sein Flügel ist nicht mehr zu retten. Ein Teil seines Flügels musste also amputiert werden. Zwar bin ich bereits schon häufig mit beim Tierarzt gewesen, habe Einschläferungen, eine Obduktion und eine Flügeloperation miterlebt, aber noch nie eine Flügelamputation. Tapfer hat sich der arme Junggeier den OP angeschaut...
...bevor er per Schnabelhaube betäubt wurde.
Ich hatte mir bisher nie so richtig Gedanken gemacht, wie eine Flügelamputation abläuft. Irgendwie dachte ich, dass dafür "nur" eine Säge genutzt wird und hinterher der Stumpf genäht wird. Brrrr, das wäre ja schon schlimm genug, aber falsch gedacht! Zunächst mussten dem Geier rund um die OP-Stelle sämtliche Federn ausgerupft werden! Das sind trotz Narkose schreckliche Schmerzen für das arme Tier, da jede Feder mit dem Nevensystem verbunden ist. Dazu das fiese Geräusch des Federrupfens... Wie soll man für den Geier stark sein, wenn es sich allein vom Zugucken her so schmerzhaft anfühlt, dass einem selber die Tränen kommen!? :-(
Ich hatte vor Jahren selber einem Geier ein paar kurze Brustfedern zur Federprobe und Geschlechtsbestimmung ausgerupft, das war alles anderes als einfach. Da will ich mir lieber gar nicht vorstellen, wie kräftig man reißen muss, um eine Schwungfeder rauszuziehen. Das müssen furchtbare Schmerzen für den Geier sein!
In der Mitte des Bildes ist die nackte Haut des gerupften Flügelstückes zu erkennen, wo der Flügel nun durchtrennt wurde.
Vorsichtig wird dafür zunächst die zarte Flügelhaut mit einem Skalpell aufgeschlitzt. Es gibt einige dicke Arterien im Flügel, die dabei abgeklemmt werde müssen. Außerdem gibt es einige Muskeln, die auch sorgsam behandelt werden.
Hierbei scheint der Geier zum Glück deutlich weniger Schmerzen zu verspüren als beim Federrupfen.
Nachdem die beiden Flügelknochen sorgsam freigelegt wurden, wurden sie zwar nicht mit einer Säge zerteilt - Gott sei Dank - aber die Art Heckenschere war auch nicht viel besser. Bei dem Gedanken an das fiese Geräusch der zerschnittenen Knochen stellen sich mir noch immer die Nackenhaare zu Berge und ich könnte schon wieder losschluchtzen.
Ich weiß, das folgende Bild ist gruselig, aber es zeigt die volle Tragweite von Stromleitungen, die nicht gesichert sind:
Der Flügelstumpf wurde natürlich sorgfältig genäht. Dabei ist es wichtig die Haut locker genug zu lassen, damit sie nicht zu sehr über den Flügelstumpf scheuert. Ich hatte mich ja gefragt, was für einen Geier leichter zu ertragen ist: Ein komplett amputierter Flügel oder nur ein teilamputierter Flügel. Dabei hatte ich die Vermutung, dass es schlimm sein muss, wenn man mit seinem Flügelstumpf immer wieder versucht zu fliegen, aber dabei jedesmal kläglich abstürzt. Ohne Flügel findet man sich vielleicht schneller damit ab, dass man nicht mehr fliegen kann!? Für den Geier ist ein teilamputierter Flügel jedoch einfacher, weil er damit ein wesentlich besseres Gleichgewicht hat. Das ist zum Beispiel später bei der Kopulation wichtig, wenn das Männchen auf dem Weibchen rumflattert. Oder beim Fressen am Aas, um andere Geier abzuschirmen. Das klingt natürlich logisch! Am besten wäre es aber, wenn sie ihre beiden prachtvollen Flügel behalten könnten.
Langsam wurde der Geier aus der Narkose zurückgeholt. Wieder ein Krüppelgeier mehr bei VulPro! Und wieder ein Opfer von Stromleitungen, dass nie wieder ausgewildert werden kann. Es sind einfach schon viel zu viele...
Als wir beide Geier in ihren Kisten auf der Ladefläche verstaut hatten, fiel plötzlich ein Hadida aus einem Baum auf die Straße und konnte nur noch kläglich nach Luft hecheln. Wie aus dem Nichts kam sofort eine Katze angerannt, um sich den wehrlosen Vogel zu schnappen. Wir waren zwar schneller, aber dem Vogel ging es gar nicht gut. Zwar haben wir ihn noch schnell in die Tierklinik gebracht, aber dort musste er offenbar erlöst werden. Immerhin vermutlich weniger schmerzhaft, als von einer Katze gefressen zu werden... aber für uns war es natürlich ein weiterer Frust auf den ohnehin schon traurigen Abend obendrauf.
Freitag, 29. Mai 2015
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