Streiken die Bahnführer ausnahmsweise nicht, gibt es keine Bergschäden unter den Gleisen oder Bäume auf den Oberleitungen, dann brennt zur Abwechslung einfach mal das ganze Stellwerk in Mülheim ab. Wäre ja auch zu einfach, gäbe es bei drei Zugfahrten im Jahr nicht regelmäßig anderen Ärger. Jedenfalls fuhren pünktlich zum Geierurlaub in Namibia keine ICEs mehr über Essen und auch die Fernzüge über Duisburg wurden nach und nach abgesagt. Gar nicht so einfach zum Frankfurter Flughafen zu kommen, aber zum Glück hat sich dann der ICE aus Amsterdam erbarmt mich in Duisburg mitzunehmen. Auf nach Frankfurt, auf nach Namibia, wo mich Holger Kolberg vom "Ministry of Environment and Tourism" persönlich zur diesjährigen Ohrengeierküken-Beringung im Namib-Naukluft Park eingeladen hatte. Eigentlich sogar bereits 2013, aber aufgrund anderer Geierurlaube hat es erst in diesem Jahr geklappt. Ich konnte es natürlich kaum noch erwarten, nach 15 (?) Jahren nach Namibia zurückzukehren, vor allem weil es geiermäßig unter anderem in meine Lieblingsgegend Sossusvlei gehen sollte. Die Ohrengeier nisten nämlich vorwiegend auf Akazien und Kameldornbäumen in der Wüste. Es gibt auch viele weitere Paare, die auf Farmen etc. leben, aber wir werden uns in den nächsten zwei Wochen auf den Namib-Naukluft Park und Umgebung beschränken.
Am Flughafen wurde ich mit Geier-Erkennungsschild in Empfang genommen und mit kurzem Zwischenstopp unter der letzten Dusche für mindestens eine Woche ging es morgens direkt ab in die Wüste. Unterwegs wurde ich direkt von einem grünen Holzgeier mit oranger Halskrause begrüßt sowie etwas später vom ersten kreisenden Ohrengeierpaar. Unser Ziel nach gut 3 Stunden Autofahrt war Ganab, wo der Rest der Geierberingungstruppe bereits versammelt war. Mittags stießen wir am Camp hinzu.
Unser treues Gefährt mit dem grünen Kennzeichen der Regierung, das uns Eintritt in alle Naturschutzgebiete erlaubt, in die keine Touristen vordringen dürfen.
Freunde aus Bulgarien hatten mir vorab gesagt, dass sich Volen zur Zeit auch in Namibia aufhält. Da ich auf der Webseite von LifeNeophren gelesen hatte, dass viele Schmutzgeier bereits ihre Wanderung nach Afrika bekommen haben, ging ich davon aus, dass es sich um einen Schmutzgeier mit GPS handelt. Den genauen Aufenthaltsort konnten mir die Leute aus Bulgarien nicht nennen und ich hatte mich nur ein wenig gewundert, dass die Strecke bis nach Namibia doch recht weit ist. Hehe, vor Ort musste ich beim Kennenlernen der Geier-Gruppe dann feststellen, dass Volen keine Federn und kein gelbes Gesicht hat, sondern menschlicher Natur ist! Peinlich, peinlich ;-) Nach kurzem Grübel stellten wir dann sogar fest, dass wir uns in Bulgarien sogar einmal kurz begegnet sind!!! Und wieder einmal zeigt sich, wie gut die Geiergemeinde verknüpft ist. Man lernt sich in Bulgarien kennen und trifft sich zufällig 10.000 km entfernt in Namibia wieder!
Da ich ein wenig Sorge um die fetten, haarigen Achtbeiner hatte, die mir von vor 15 Jahren noch in Erinnerung geblieben sind, hatte Holger mir ein Zelt mitgebracht, damit ich nicht komplett unter freiem Himmel würde schlafen müssen. Die Biester sind ja nachtaktiv und wir würden jeden Abend am Lagerfeuer sitzen und sie somit anlocken. Auf Krabbelviehzeugs konnte ich im Schlafsack getrost verzichten. Aber die Proficamper hatten an alles gedacht, sogar an Kissen und Matratze.
Die ersten Leute waren schon vormittags mit zwei kleinen Propellermaschinen große Bereiche auf der Suche nach Geiernestern abgeflogen. Nachmittags sollte nach der größten Mittagshitze die nächste Erkundungstour starten. Diese Rundflüge werden von den Geier-freundlichen Piloten ehrenamtlich angeboten, um den Geierschutz zu unterstützen. Bis vor wenigen Jahren fuhren die Geierschützer per Auto von Baum zu Baum, eine sehr zeitaufwendige Methode. Per Flugzeug geht das natürlich wesentlich schneller und man sieht sofort, auf welchem Baum sich wirklich ein Geiernest herumtreibt. Die gesichteten Bäume wurden dann per GPS markiert und mit Kommentaren versehen, ob kleines/großes Küken, Ei oder was auch immer. anschließend werden diese Daten dann ins Auto-GPS übertragen und in den nächsten zwei Wochen abgefahren.
Netterweise durfte ich auch mitfliegen. Da der heiße Wind nachmittags auffrischte, rechnete ich gleich damit, dass mein Magen nicht ganz so begeistert reagieren würde. Also schnappte ich mir vorsichtshalber einen Stapel Luxus-Würgtüten.
Neben dem Pilot konnte ein Helfer sitzen, der Notizen macht, und ein Gast passte auf die Rückbank. In so einer kleinen Maschine bin ich noch nie mitgeflogen.
Letzter Scheck der Flugroute, bevor es losgeht.
Das Warzenschwein neben der Start- und Landebahn mitten in der Wüste schaute uns nur mäßig interessiert hinterher. Zum Glück ist es nicht vor den Flieger gerannt.
Vor dem Flug hatte ich mich noch gewundert, wie man denn aus der Luft die Geiernester erkennen würde. Ich hatte in erster Linie Nester an Felswänden vor Augen und konnte mir die Baumnester nicht richtig vorstellen. Schnell wurde aber klar, dass der Flieger nur in ca. 30-50 m Höhe fliegen würde und die Nester nicht selten 2 m Durchmesser haben. Man konnte sie also sehr gut erkennen, zumal der Pilot immer im extrem schrägen Seitenflug um die einzelnen Bäume herumkreiste.
Unten links erkennt man zum Beispiel einen fetten schwarzen Ohrengeier im Nest sitzen. Auch kleine graue Küken und sogar Eier wurden auf diese Weise sichtbar.
Auch viele andere Tiere wie Zebras, Oryxe oder sogar eine Giraffe konnte ich aus der Luft erkennen, während die erwarteten Turbulenzen durch den Wind ausblieben.
Tja, die Turbulenzen ja, aber leider vertrug mein Magen die rasanten Schrägflüge in Verbindung mit dem "nach unten Gucken" nicht gut. Nach 45 Minuten machte ich das erste Mal Bekanntschaft mit Sick Jon und kurz vor Ende des 2,5 stündigen Fluges lernte ich auch seinen Bruder kennen. Nicht schön, aber sowas verdirbt mir den Geierrundflug mit Sicherheit nicht. Ich konnte halt nur nicht mehr so schräg nach unten aus dem Fenster schauen, aber auch mit Blick auf den Horizont ließen sich Geier erkennen.
Auf der Auto-Rückfahrt zum Camp entdeckte ich dann noch einen Weißrückengeier im Baum nahe eines Wasserloches. Es hat seit über einem Jahr nicht mehr geregnet und auch der Beginn der diesjährigen kleinen Regenzeit lässt auf sich warten. Daher werde ich mich auf viele Tiersichtungen freuen können, da jeder auf der Suche nach Wasser ist.
Auch Strauße rannten in großen Rudeln aufgeschreckt durch unsere Autos los. Klasse, wie schnell und mühelos sie über Stock und Stein rennen, ohne dabei umzuknicken. Lässt sich nur drüber streiten, ob es nicht cleverer wäre in sicherer Entfernung stehen zu bleiben, bis wir wieder verschwunden sind, statt vorsorglich erstmal 10 km bei fast 40 Grad durch die Wüste zu rasen...
Mein Schlafplatz für die erste Nacht mit herrlicher Aussicht.
Abends wird am Lagerfreuer gegrillt und ich muss mich praktisch um gar nichts kümmern. All inclusive sozusagen. Der Geierurlaub hat also begonnen und ich kann die vielen Abenteuer der nächsten zwei Wochen kaum noch erwarten. Vor allem den Moment, wenn wir das erste Ohrengeierküken aus seinem Nest holen und ich es aus nächster Nähe bewundern kann.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen