Mittlerweile werden bei VulPro nur noch alle drei Tage die Geierpools geschrubbt und mit frischem Wasser aufgefüllt. Geier baden sich sehr gerne nach einem genüsslichen Aas hack, so dass vor allem die Pools der Großvolieren schnell sehr dreckig werden. Hinzu kommt der grüne Algenwuchs durch die knallende Sonne. Damit es die Geier schön sauber haben, wird also geschrubbt. Das ist wirklich Knochenarbeit, vor allem weil das Wasser händisch abgeschöpft werden muss - einen Abfluss gibt es nicht. Hockend auf den recht rutschigen schrägen Poolrändern zu ackern ist ebenfalls nicht leicht. Aber wer möchte schon gerne in einen siffigen Pool springen? Daher verdienen die Geier natürlich frisches Wasser.
Das Wasser vom Seeadler war schnell ausgetauscht, also ging es weiter zur Kapgeier-Brutvoliere.
Die Viecher waren ganz aus dem Häuschen und stürzten direkt im Dutzend auf mich zu. Fleißig wurde sich um den Eimer gezankt, mit dem ich eigentlich das Wasser schöpfen wollte. Aber aus Erfahrung habe ich als Ersatz immer noch einen Besen dabei. Der eignet sich sowieso besser für die flachen Pools, während er in den Volieren mit tieferen Pools eher als Ablenkung und Geierbeschäftigung dient, damit ich in Ruhe mit dem Eimer schöpfen kann.
So einen überschwänglichen Empfang hatte ich echt nicht erwartet. Vermutlich sind die Geier jetzt einfach entspannter, weil die Brutsaison vorbei ist und keine kostbaren Eier mehr ausgebrütet werden müssen.
Ein Junggeier wird liebevoll von seinen Eltern gereinigt...
...während ein anderer Junggeier beschützend von seinen Eltern in der Felsniesche abgeschirmt wird.
In der offenen Voliere lagen alle Krüppelgeier dicht beeinander in einer Ecke der Voliere und genossen den ruhigen Morgen.
Damit war es allerdings vorbei, kaum dass ich die Voliere betreten hatte. Oh, es gibt nichts Schöneres als einen Eimer. Während ich das Ding noch in der Hand hatte, hingen schon drei lange Geierhälse neugierig drin und suchten nach Aas. Die Enttäuschung war allerdings nicht allzu groß, denn gegen ein Spielzeug haben sie auch nichts einzuwenden.
Ist schon irgendwie traumhaft, wenn man in einer Geiervoliere in die Hocke geht und plötzlich gut 20 Geier um einen herumstehen, neugierig immer weiter vorrücken und einen von der Arbeit abhalten. Am liebsten hätte ich die langen Hälse gestreichelt, aber mit den Schnäbeln möchte ich nicht unbedingt Bekanntschaft machen. Die Viecher sind zwar lieb und verspielt, aber zuhacken können sie trotzdem. Daher musste ich hin und wieder doch einige zur Seite fegen, die mir zu sehr auf die Pelle rückten.
Netterweise haben mir ein paar Spaßvögel dann auch noch die Bürste geklaut und sie mitten in den Siff geworfen. Na super. Aber das gehört ja alles mit zum Spiel und ist einfach nur süß!
Gemeinschaftsplanschen im abgeschöpften Wasser.
Und während ich noch frisches Wasser auffüllte, sah der Pool in Null komma nix wieder genauso siffig aus wie vorher. Dieser Pool ist sowieso der Schlimmste, weil es unter freiem Himmel im Gegensatz zu den Volieren kein Sonnennetz gibt, das den Algenwuchs etwas abmindert. Außerdem treiben sich dort viel mehr Vögel herum, die wilden Geier nutzen das Bad ja ebenfalls. Und der Pool ist sehr steil und aus rauem Material, wo der Mist noch besser hängenbleibt. Ich will mich aber nicht beklagen, denn immerhin kommen einem die Geier hier sehr nah und man erlebt viele traumhafte Momente.
Die Palmgeier, Ohrengeier und Wollkopfgeier sind beim Poolputzen uninteressiert und halten Abstand. Zu den Andenkondoren und Gauklern traue ich mich nach wie vor nicht rein.
In der Großvoliere sind die Geier am verspieltesten und kamen mit mindestens zwei Dutzend auf mich zu. Ratzfatz war ich umzingelt, mit dem Rücken am Gitter und konnte mir das Viehzeugs nur notdürftig mit dem Besen vom Leibe halten. Also schnell Eimer und Bürste geopfert, damit ich zumindest etwas mit dem Putzen anfangen konnte. Die Guten schienen Langeweile gehabt zu haben, denn so aufdringlich waren sie noch nie. Ich sehe das aber immer als Zeichen, dass sie mich mögen und keine Angst vor mir haben.
Der hier weiß genau, wie schnell der Pool wieder dreckig ist. Daher trinkt er lieber direkt aus dem Wasserschlauch.
Nachdem die drei Geier aus dem Hospital-Camp eingefangen und in die Großvoliere umgesiedelt wurden, habe ich einen kurzen Abstecher ins Geierrestaurant gemacht. Gute 100 Geier trieben sich im Schatten, auf der Brutvoliere und im Restaurant herum. Drei Grüppchen futterten am alten Aas herum, während kaum einer die halbwegs frischen Kälber anrührte.
Nur einer wagte sich vor und zupfte sich ein paar Sehnchen und Eingeweide heraus.
Viele markierte Geier waren nicht unterwegs. Ich habe aber die Auswertung von gestern nachgetragen. Bei den ca. 250 Geiern im Restaurant konnte ich 43 markierte Geier zählen. Vermutlich waren es aber mehr, die ich in dem Riesenhaufen Federn nicht ausfindig machen konnten. Manche haben auch nur noch an einem Flügel eine Markierung, so dass es doppelt schwierig ist alle zu entdecken.
Wie angekündigt wurde der Martial Eagle mit einem Scanner, der wie eine große Lupe aussieht, auf einen eventuell vorhandenen Chip gerüft. Diese Scan bestätigte die erste Untersuchung vor einigen Tagen: Kein Chip implantiert! Damit steht einer Auswilderung praktisch nichts mehr im Wege. Der prächtige Adler hat heute übrigens angefangen mit uns zu reden. Hätte nie gedacht, dass so süße, unschuldig klingende Fiepgeräusche aus diesem stattlichen Kerlchen rauskommen. Wir sind alle dahingeschmolzen.
Das Weißrückengeier-Kind war heute munter wie eh und je. Es ließ sich wieder an der Halskrause streicheln und den vollen Kropf massieren. Das fühlt sich nicht nur süß an sondern es hilft dem Kleinen auch bei der Verdauung. Also nutze ich natürlich jede Gelegenheit.
Dem Vergifteten geht es leider nicht sonderlich viel besser. Ich habe ihm weiterhin stündlich Physio verpasst, aber zwischendurch kam ihm grünlicher Schleim aus Nase und Schnabel. Er röchelt seit Tagen immer mal wieder jämmerlich rum, so dass wir befürchten, dass er ein Problem mit den Lungen hat. Da er leider immer den Kopf runterhängen lässt statt ihn auf dem Baumstamm liegen zu lassen, läuft ihm der ganze Mist in den Schnabel.
Also haben wir uns eine neue Konstruktion überlegt und ihm aus einer Decke eine Hängematte gebaut. Zwei Löcher rein für die Beine, ein Loch unter seiner Kloake und die Decke so ausgerichtet, dass sein Kopf automatisch immer oben liegt.
Die beiden Längsseiten der Decke mussten wir zusätzlich verschnüren, da sich der arme Geier im ersten Versuch irgendwie befreien konnte. Als ich nur 15 Minuten nach der Konstruktion die nächste Physio-Einheit mit ihm absolvieren wollte, lag er jämmerlich auf dem Boden. Aber mit dieser neuen Konstruktion hat alles gut geklappt und er hat endlich seine Beine minimal belastet.
So eine Geierkralle ist schon was Feines. Selbst, wenn mir zum Feierabend hin der Junggeier, der noch spitzere Krallen als dieser hier hat, eine davon in die Handfläche gebohrt hat. Autsch!
Das abgekaute Aas wird übrigens nicht mehr in der kumeplhaften Aasgrube verbrannt sondern am anderen Ende der Farm in einem Container gesammelt. Damit sparen wir uns jeden Abend diverse anstrengende, lange Märsche mit den Schubkarren und viel Gestank. Brennendes Aas stink nämlich noch fieser als das Aas selber. Alle paar Tage wird das Geierrestaurant aufgeräumt und alle Gerippe und Hautfetzen auf die Ladefläche geworfen.
Die letzten Aas-Reste unserer Kühlkammer haben wir bereits für morgen ausgelegt, da die Geier immer früher auf der Suche nach Frühstücksaas sind.
Mit dem Wagen ging es dann rüber zum Container, in dem schon einiges Gerippe angesammelt war. Innerhalb eines Monats ist der Container voll und wird abgeholt.
Die Abendstimmung bei VulPro ist immer etwas Besonderes. Die untergehende Sonne strahlt ein rötliches Licht aus, das den roten Sand leuchten lässt. Die Geier sitzen dabei ganz friedlich mit der untergehenden Sonne im Rücken an einem Ende ihrer Voliere und starren alle sehnsüchtig in die Ferne.
Nur der Palmgeier gönnt sich lieber noch einen Nachmittagssnack.
Auch die Geier in der offenen Voliere saßen alle hintereinander und schauten in die gleiche Richtung wie ihre Kollegen in der Großvoliere. Außer ein paar Vogelgeräuschen, manchmal auch von verblödeten Perlhühnern, ist nichts zu hören. Frieden im Geierparadies.
Einer der Ohrengeier in Feierabendstimmung.
Ich wünschte Wahl könnte das noch einmal miterleben!
Nach zwei Runden Spaziergang um die Farm (die dritte Runde habe ich nach der heutigen Hitze einfach nicht mehr geschafft), kamen die beiden Weißrückengeier zurück in ihre Nachtquartier. Dabei konnte ich mir ein kleines Fotoshooting mit dem "Baby" nicht verkneifen. Es schien aber leider nicht allzu begeistert.
Nahe meiner Zimmertür mümmelte ein Karnickel an seiner Karotte... und ein weiterer schöner Tag nähert sich dem Ende zu!
Donnerstag, 27. Oktober 2016
Geierpools schrubben und Aas entsorgen
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