Montag, 24. Oktober 2016

Ein halbes Dutzend

Endlich ist es wieder so weit und ich bin in meine zweite Heimat zurückgekehrt: Nach VulPro in Südafrika. Damit mache ich mittlerweile das halbe Dutzend voll.
Die Anreise lief aber nicht ganz problemlos. Sonntag um 3:30 Uhr aufgestanden und von meiner lieben Schwester zum Flughafen gefahren worden, da der Abflug mit KLM über Amsterdam bereits um 6:20 Uhr anstand. Kaum sitzen alle im Flugzeug, da macht der nette Pilot die ranzige Durchsage, dass wir wegen starker Nebelwarnung in Amsterdam nicht starten können. Die Flieger könnten dort nur in Nebellöchern landen, weshalb die Langstreckenflüge, die bereits in der Luft waren, natürlich oberste Priorität hatten, weil ihnen sonst der Treibstoff ausgeht. Geplanter Abflug frühestens 8:20 Uhr. Mein Anschlussflug von Amsterdam nach Johannesburg war auf 10:25 Uhr angesetzt. Schöner Mist. Neben dem Nebelchaos waren zudem noch die Flügel des Fliegers vereist. Was ich wirklich klasse fand: Der Pilot ist persönlich von Reihe zu Reihe gegangen, hat sich allen Fragen gestellt und sich geduldig sämtiche Tickets für Anschlussflüge angeschaut. Mir hat er versichert, dass es bei 8:20 Uhr Abflug locker reichen wird und er so schnell wie möglich fliegen wird. Bei so einer tollen Betreuung ist man doch gleich viel entspannter. Es ging dann tatsächlich mit pünktlicher Verspätung los, einmal unter die Flügelenteisungsdusche und ab in die Luft. In Amsterdam lief dann alles ganz locker und ich konnte meinen Anschlussflug gut erreichen. Leider hätte die Kabine ebenfalls eine Enteisungsmaschine gebraucht, denn wir wurden mal wieder schockgefroren. Zehneinhalb Stunden in zwei Jacken und zwei Decken gewickelt, während man trotzdem noch bibbert, ist echt kein Genuss. Um 21:15 Uhr kam ich dann endlich in Johannesburg an, ab durch die Passkontrolle, Gepäck schon auf dem Band und der nette Taxifahrer gleich in der Nähe. Obwohl es mittlerweile kurz vor 22 Uhr war, hatte der Vodacom-Laden überraschenderweise noch auf. Also nix wie rein, schnell unverschämt überteuertes Internet erkämpft und wieder ein wesentlich günstigeres Leihgerät rausgehandelt. So langsam kenne ich die Tricks. Diese Verzögerung hatte aber zum Nachteil, dass ich erst kurz vor Mitternacht bei VulPro ankam. Während der gesamten Fahrt war ein herrliches, trockenes Dauergeblitze am Himmel, allerdings ohne Donner und Regen. Im Zimmer angekommen habe ich nur noch die Schuhe ausgezogen und bin direkt weggeratzt. Allerdings nicht lange, denn Rockys Nachfolger Harry hat sich prächtig entwickelt. Nicht nur optisch eifert das einst so verlauste Zottelvieh dem prachtvollen Rocky nach sondern auch stimmlich. Und so ein klangvolles Kikerikiiii muss man natürlich nonstop bereits um 3:30 Uhr oder so rauskrähen. OHNE WORTE!
Nach dem verzweifelten Versuch auszuschlafen habe ich es um 7 Uhr aufgegeben und einen Streifzug durch die Geier gemacht. Einer der Ohrengeier saß genüsslich auf seinem Futterschwein...
...während der Wollkopfgeier bereits seinen Schnabel an der Schweineschwarte wetzte.
Ich habe die Wollkopfgeier von VulPro in der Vergangenheit meist als Weißkopfgeier bezeichnet, aber ich schwenke jetzt um auf die weitere verbreitete Variante.
In der Großvoliere kamen die vielen Kapgeier und Weißrückengeier sofort neugierig angerannt, als ich mich dem Gitter näherte. Die süßen Krummschnäbel wollen immer spielen - oder haben sie nur auf Futter gehofft? Egal, jedenfalls haben wir uns wieder minutenlang gegenseitig Federn hin und her gereicht und ich habe mich sofort wieder wie zuhause gefühlt.
Ein etwas schwermütiger Blick ging sofort zur Wahl-Memorial-Bank. Auch wenn es jetzt schon ein Jahr her ist, seit er leider verstorben ist, vermisse ich ihn noch immer total. Vor allem, wenn ich an den Ort unseres Kennenlernens heimkehre und daran denke, wie wohl auch er sich hier gefühlt hat. Ich hoffe er und Rocky haben sich wiedergefunden und wachen gemeinsam über VulPro.
Aber schnell wieder ablenken mit ein paar süßen Geierchen.
Bereits um 9 Uhr begann das Gefieder am Himmel zu kreisen und die ersten wilden Geier stürzten sich ins Geierrestaurant.
Nach einem langen, trockenen Winter kamen in den letzten Tagen bereits einige Regenschauer runter und sofort spross das erste Grün. Außerdem blühen zur Zeit herrlich rosa Blüten...
...und der tolle, blaulila Jacaranda. Zu schade, dass ich im stockdunkeln durch Pretoria gefahren bin. Ansonsten hätte ich dort ganze Jacaranda-Alleen bewundern können. Trotz insgesamt 8 Monaten in Südafrika ist mir dieses Farbspektakel bisher entgangen.
Schon morgens wurden direkt unsere Patienten versorgt. Der Kampfadler (Martial Eagle) ist neu hier und ein wirklich prachtvolles Geflügel. So einen schönen Adler hatten wir hier noch nie. Leider hat der arme viele wunde Stellen an den Flügeln und am Kopf, die mir einer dicken Fettsalbe eingeschmiert wurden.
Außerdem musste ein vergifteter Weißrückengeier in die Schlinge gehängt werden, weil er sich nicht aus eigener Kraft auf den Beinen halten kann. Der Arme bekommt jetzt stündlich Physio von mir, damit das Blut in seinen Beinen und Krallen wieder zu zirkulieren beginnt. Neben einer Beinmassage strecke ich das Bein immer wieder vor und zurück, damit er lernt Widerstand zu leisten. Der Arme sieht total jämmerlich aus und musste später an den Tropf angeschlossen werden. An seinen kraftlosen Krallen wollte der Tropf leider nicht laufen, also bekam er die Nadel in den Flügel. Hoffentlich geht es dem armen Kerl bald besser.
Bei dem zweiten Weißrückengeier-Patienten war es mal wieder Liebe auf den ersten Blick: Ein Junggeier, der noch nicht flügge ist. So ein süßer, flauschiger Fratz. Netterweise durfte ich ihn aus seinem Nachquartier im Haus nach draußen tragen, damit er die Sonne genießen und dem armen Giftpatienten Gesellschaft leisten kann. Der Kleine wurde bei einer Junggeier-Beringung gefunden und machte dabei leider nicht den fittestens Eindruck. Hier schließt er aber ratzfatz alle in seinen Bann und bringt uns mit seinem süßen, unschuldigen Gesichtsausdruck zum Schwärmen. Der Kleine macht zum Glück einen recht fitten Eindruck.
Auf dem Weg zum Geierrestaurant habe ich kurz den beiden Andenkondoren hallo gesagt. Überraschenderweise war das freche Männchen so mit seiner Gefiederpflege abgelenkt, dass es gar nicht angriffslustig an den Zaun gerannt kam.
Im Beobachtungshaus vom Geierrestaurant dann der herrliche Anblick: Die ganze Wiese großflächig voller Geier und bereits um 9:30 Uhr gut 250 wilde Geier gezählt! Was für ein tolles Empfangskomittee!!!
Bilder aus dem Geierrestaurant mit blühendem Jacaranda im Hintegrund hatte ich auch noch nie!
Bei der morgendlichen Hitze suchten die Geier rudelweise Schutz um Schatten.
Wie ich diese wunderschönen, eleganten Geschöpfe vermisst habe!!!
180 Grad Geierpanorama.
Zwar war morgens nicht mehr viel Aas vorhanden, aber dafür haben wir mittags gut nachgelegt. Das wird morgen früh eine genüssliche Fressorgie für die vielen, hungrigen Schnäbel.
Am Hintergrund muss ich noch üben, aber diese perfekte Hals- und Krallenhaltung ist eine meiner liebsten Geierlandeanflug-Posen!


Neben der regelmäßigen Physio und der Überwachung des Tropfes haben wir noch etwas Aas ausgelegt, das Nachtquartier der Geier-Patienten geputzt und angefangen die Baustelle aufzuräumen. Der neue Wohnanbau für Maggie, die längere Zeit bei VulPro arbeitet, ist fast fertig. Danach geht es ans Volunteer-Bad und eine neue Brutvoliere für Weißrückengeier ist offenbar auch geplant. VulPro wächst und wächst und wächst.
Ich bin total glücklich wieder hier zu sein und der herzliche Empfang durch das gesamte VulPro-Team zeigt mir mal wieder aufs Neue, dass wir schon fast eine zweite Familie sind.

2 Kommentare:

  1. Hi Betty,

    10einhalb Stunden in zwei Jacken und zwei Decken - bist Du wieder für 20 Euro im Gepäckraum mitgeflogen?

    Gruß aus DIN, Thomas

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  2. So habe ich mich auch gefühlt! Aber mit 23 kg komme ich leider nicht hin und der Übergepäckpreis wäre teurer als ein normales Ticket gewesen... Daher bin ich leider "nur" als Passagier mitgeflogen.

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