Mittwoch, 15. Juli 2020

Bartgeier in Großbritannien gesichtet

Ende Juni wurde am Himmel über Großbritannien ein junger Bartgeier entdeckt! Dies ist nach 2016 erst die zweite Beobachtung eines Bartgeiers in Großbritannien überhaupt!

Nach Großbritannien verschlägt es Bartgeier auf ihren Rundflügen normalerweise nicht, aber dieser Junggeier hat wohl einen ganz eigenen Erkundungsdrang. Mitte Juni wurde er zunächst in den Niederlanden und anschließend in Belgien gesichtet, bevor der den Ärmelkanal überflog, wo er am 25.06.2020 in Kenilworth fotografiert wurde. Aufgrund einiger fehlender Federn und ruinierter Schwanzfedern konnte eindeutig bestätigt werden, dass es sich bei den Sichtungen um das selber Tier handelt. Aufgrund seiner charakteristischen Gefiederfärbung handelt es sich um einen Junggeier, der 2019 geschlüpft ist. Er hat keinen Krallenring oder sonstige Markierungen, so dass er sehr wahrscheinlich in freier Natur geschlüpft ist, vermutlich in den Alpen oder Pyrenäen. Am 30.06. wurde der Junggeier erneut gesichtet, diesmal im Edale Valley, Derbyshire.

Bartgeier in UK (c) Indy Kiemel Greene, VCF-Webseite

Die Bestätigung eines Bartgeiers in Großbritannien verbreitete sich in Windeseile und schon bald begann der Bartgeier-Tourismus unter den Ornithologen und Geierfreunden des Landes. Eine solche einmalige Gelegenheit wollte sich kaum jemand entgehen lassen. Sobald von einer weiteren Sichtung berichtet wurde, eilten zahllose Begeisterte ins entsprechende Gebiet. Am 06.07. konnte der Geier im Flug über Cressbrook Dale gefilmt und am 07.07. in Big Moor beobachtet werden. Nachdem sich der Geier gut 14 Tage in Derbyshire aufgehalten hatte, flog er weiter Richtung Yorkshire. Am 10.07. wurde er von mehreren Leuten im Überflug über Sheffield gesichtet und am 12.07. in Howden Moors kurz hinter der Stadtgrenze von Sheffield fotografiert.

Bartgeier in Howden Moors (c) Will Bowell, VCF-Webseite

Die Sichtung des Bartgeiers in Großbritannien rief natürlich auch die Vulture Conservation Foundation (VCF) auf den Plan, vor allem nachdem der Geier Ende Juni sogar einen Rundflug über das Haus von VCF Research Manager Louis Phipps machte. Natürlich war jeder neugierig, um welches Exemplar es sich handelt und wo der Geier herkommt. Aber auch die Sorge war groß, ob der Geier genug zu Fressen findet oder sich in unsichere Gegenden begibt. Während seiner Zeit in Derbyshire und Yorkshire nutzte er häufig einen Rastplatz in einer Felswand im Norden des Peak District National Parks. Diese Gegend ist in Großbritannien mit am Geier-freundlichsten, da es dort relativ gute Chance auf Schafkadaver und sichere Rastplätze in Felswänden gibt.

(c) Indy Green, VCF-Webseite

Junge Bartgeier verlassen im Alter von einem Jahr häufig Ende des Frühlings bzw. Anfang des Sommers ihr Brutgebiet und besuchen auf ihrem Rundflug verschiedene Länder. Vermutlich sind sie dabei auf der Suche nach Artgenossen oder folgen anderen migrierenden Vögeln. Meistens wird eine Flugroute Richtung Norden gewählt, aber die Hintergründe hierfür sind bislang nicht erforscht. Das Ungewöhnliche bei der Flugroute dieses Geiers ist das Überqueren des Ärmelkanals, da Bartgeier für gewöhnlich das Queren großer Wassermassen vermeiden. Starke Winde könnten hier eine Rolle gespielt haben.

Viele Geierfreunde stellen sich natürlich die Frage, ob der Geier jetzt in Großbritannien bleiben und dort heimisch werden wird. Solange der Geier genug zu Fressen und sichere Rastmöglichkeiten findet, wird er vermutlich keinen Drang verspüren in seine Heimat zurückzufliegen. Aufgrund der fehlenden Erfahrungen mit Bartgeiern in Großbritannien ist allerdings nicht abzuschätzen, wie sich der Geier verhalten wird. In jedem Fall wird seine Heimkehr lang und beschwerlich werden, da er nicht nur den Ärmelkanal erneut überfliegen muss, sondern auch viele weitere Gefahren wie Stromleitungen etc. und dabei noch genügend Fressen entlang der Flugroute finden muss. Nicht selten müssen entkräftet Junggeier letztendlich irgendwo aufgesammelt, aufgepäppelt und in sicheren Gebieten wieder freigelassen werden. Da dieser Bartgeier jetzt jedoch ein riesen Publikumsmagnet ist, sollte sichergestellt sein, dass im Notfall schnell genug Hilfe verständigt wird.


Vogelbeobachter (c) Indy Green, VCF-Webseite

Alle Vogelbeobachter werden zudem gebeten nach Bartgeierfedern Ausschau zu halten und deren Fund an die VCF zu melden. Mit Hilfe der Federn kann eine Gen-Analyse durchgeführt werden, um die Herkunft des Geiers zu ermitteln.

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